Das Geschäft mit unserer Sicherheit
Autor: Christoph Hägele
Nürnberg, Montag, 12. Januar 2015
Privattunternehmen machen sich in immer mehr Bereichen der inneren Sicherheit breit. Die Ausbildung der Mitarbeiter hält dieser Entwicklung aber nicht Schritt. Das liegt auch daran, dass der Staat die falschen Anreize setzt.
Wer sein Geld mit der Sicherheit anderer Menschen verdient, sollte sich über sein öffentliches Bild keine Illusionen machen. Von schwarzen Sheriffs ist da oft die Rede, von stiernackigen Muskelprotzen, manchmal auch von politischen Extremisten. "Leider bekommen immer nur die schwarzen Schafe Aufmerksamkeit", klagt Stefan Dresing von der Nürnberger Wach- und Schließgesellschaft (NSW). Der Prokurist registriert das allerdings mit der Gelassenheit eines Mannes, der den Trend fest auf seiner Seite weiß.
Denn Schaden nimmt am schlechten Image bislang weder die NSW noch die Sicherheitswirtschaft als ganze. Im Gegenteil, die Geschäfte laufen blendend und nichts deutet darauf hin, dass sich dies ändern könnte. Private Sicherheitsfirmen schützen heute Atomkraftwerke, patrouillieren über Kirchweihen und Innenstädte, überwachen den Eingangsbereich von Gerichten oder sind in der Verkehrsüberwachung tätig.
Sie bewachen Unternehmen, kontrollieren auf Flughäfen die Passagiere und sind in Asylbewerberheimen präsent. Ihre Auftraggeber sind Privatpersonen ebenso wie der Staat. Private Sicherheitsfirmen sind tief eingedrungen ins Gewebe der öffentlichen Sicherheit.
Das Ministerium spendet Lob
Die Geschäfte der Privaten sind im Jahr 2014 auch sicherlich deshalb um rund fünf Prozent gestiegen, weil die Kombination aus steigenden Einbruchszahlen und geringen Aufklärungsquoten am Vertrauen der Menschen in die Polizei nagt.
Von diesem Vertrauensverlust zeugt, dass private Firmen immer öfters auch Privathäuser bewachen oder ausrücken, wenn dort die Alarmanlage anspringt. Auch Hermann Benker will nicht die Augen verschließen vor dieser Entwicklung. Das Gewaltmonopol des Staates hält der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft dennoch für weiter unangetastet: "Bürgerwehren wie mittlerweile in Baden-Württemberg gibt es bei uns in Bayern noch nicht. Und mit den Privaten arbeiten wir gut zusammen."
Auch im bayerischen Innenministerium überwiegen Dankbarkeit und Respekt: "Private Sicherheitsdienstleister ergänzen die Arbeit der Polizei. Sie leisten einen wichtigen Beitrag zu mehr Sicherheit." Anderen bereiten die Geländegewinne der privaten Sicherheitsfirmen dagegen inzwischen einiges Kopfzerbrechen. Ihnen sind vor allem die Ausbildungsstandards in der privaten Sicherheitswirtschaft unheimlich.
40 Stunden bei der IHK
Denn gerade einmal 40 Stunden lang muss sich ein Bewerber bei der IHK über die Rechte und Pflichten privater Sicherheitsleute unterrichten lassen - und schon kann es losgehen.
"Die Unterweisung ist eher eine Pro-Forma-Veranstaltung", kritisiert Kai Winkler von Verdi. "Wer im Unterricht nicht geschlafen hat, schafft das locker", bestätigt auch Christian Grupe von der IHK Nürnberg, wo jedes Jahr etwa 450 Bewerber diese Unterweisung absolvieren. Nur wer auf City-Streife gehen, in Diskotheken oder als Kaufhausdetektiv arbeiten möchte, benötigt zusätzlich die sogenannte Sachkunde. Dafür muss der Bewerber Fragen rund um den Sicherheitsdienst beantworten. Ob und wie er sich darauf vorbereitet, ist ihm selbst überlassen. Eine praktische Prüfung gibt es in Bayern aber auch bei der Sachkunde nicht.
Mit Bauchgrimmen beobachtet deshalb nicht nur Grupe, wie sich Ansprüche und Wirklichkeit auseinanderbewegen. Während private Anbieter immer mehr und anspruchsvollere Aufgaben übernähmen, stagnierten die Ausbildungsanforderungen. Grupe fordert deshalb neben einer praxisnäheren Ausbildung vor allem regelmäßige Weiterbildungen. Was passieren kann, wenn überforderte Sicherheitskräfte in sensiblen gesellschaftlichen Zusammenhängen tätig sind, hat sich erst unlängst auf dem Frankfurter Flughafen gezeigt. Prüfer der EU-Kommission hatten dort unbeanstandet Waffen durch die Kontrollen geschmuggelt und auf diese Weise eklatante Sicherheitslücken aufgedeckt.
Die Sache mit den "Affen"
Das lag nach Ansicht der Prüfer auch daran, dass unzureichend geschulte Mitarbeiter einer privaten Sicherheitsfirma im Einsatz waren. Eigentlich gehört die Kontrolle von Flugpassagieren zu den Aufgaben des Staats. Das ändert aber nichts daran, dass diese Aufgabe mit Ausnahme Bayerns seit fast 20 Jahren die Beschäftigten privater Sicherheitsunternehmen übernehmen.
Was passieren kann, wenn überforderte oder schlicht ungeeignete Sicherheitskräfte in sensiblen gesellschaftlichen Zusammenhängen tätig sind, hat sich im vergangenen Herbst schon in einer nordrhein-westfälischen Flüchtlingsunterkunft gezeigt. Dort sollen Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma Flüchtlinge geschlagen und gedemütigt haben. "Wer mit Erdnüssen bezahlt, bekommt eben Affen", sagt dazu Silke Wollmann vom Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW).
"Affen", das sind im konkreten Fall Mitarbeiter ohne Fremdsprachenkenntnisse, ohne psychologisches Wissen und Gespür für kulturelle Unterschiede. Dabei kann sich eine Sicherheitskraft mit dem nötigen Ehrgeiz und Verstand bis zum Meister hocharbeiten. Mit beinahe jeder Zusatzqualifikation erhält sie mehr Lohn, so regelt das haarklein der Tarifvertrag. 9,08 Euro pro Stunde kassiert in Bayern ab 1. Januar, wer seine 40 Stunden bei der IHK abgesessen hat und im Wachdienst eingesetzt wird. 14,76 Euro bekommt, wer sich zur Fachkraft für Schutz und Sicherheit hat ausbilden lassen. "Die Tariflöhne werden auch bezahlt, aber bei den Zuschläge zum Beispiel für die Nachtarbeit sieht das regelmäßig ganz anders aus", klagt Doris Stadelmeyer von Verdi Bamberg.
Entscheidend aber ist etwas anderes: Gewinnorientierte Unternehmen werden ihre guten Leute nur dann einsetzen, wenn dies der Auftraggeber ausdrücklich verlangt - und entsprechend finanziell honoriert. Gerade die öffentliche Hand scheint in diesem Zusammenhang aber ein eher anspruchsloser Kunde zu sein. "In öffentlichen Ausschreibungen dreht sich alles um den Preis und nur wenig um die Qualifikationen der Mitarbeiter", sagt Wollmann. Diese Kombination aus Knausrigkeit und gesetzgeberischer Laxheit hat jetzt auch die Branche selbst aufgeschreckt.
Sie fürchtet um ihre gesellschaftlichen Akzeptanz - und die Geschäfte. BDSW-Präsident Lehnert fordert deshalb "angemessene Vergabekriterien und eine regelmäßige Zuverlässigkeitsprüfung aller Sicherheitskräfte". Er spricht für eine Branche, die sich ihre schwarzen Schafe nicht mehr leisten kann.