Der Mann mit dem Spitznamen Pikachu hat in seinem Leben schon einiges probiert. Vor dem erfolgreichen Sprung ins professionelle Darts-Geschäft begann Ricardo Pietreczko etwa Ausbildungen als Kellner und Briefträger bei der Post.

Das Problem: Die viele Wochenendarbeit passte nicht zum Traum, sein Geld irgendwann nur noch mit Pfeilewerfen zu verdienen. Ein paar Jahre später ist der Nürnberger Pietreczko tatsächlich Darts-Profi geworden - und hat nebenbei noch eine Ausbildung zum Maler und Lackierer vollendet. Dass er diese zukünftig noch braucht, ist in den vergangenen Wochen allerdings deutlich unwahrscheinlicher geworden.

Ricardo Pietreczko: "Darts spielen, bis ich nicht mehr stehen kann"

"Ich sehe mich so lange Darts spielen, bis ich nicht mehr stehen kann", sagte Pietreczko der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vor der EM in Dortmund (ab diesem Donnerstag, 26. Oktober 2023), bei der er sein Debüt geben wird. Der 29 Jahre alte Nürnberger ist aktuell der Senkrechtstarter im Darts-Sport. Zuletzt gewann Pietreczko das European-Tour-Turnier von Hildesheim und besiegte dabei Größen wie Michael van Gerwen (Niederlande) oder Peter Wright (Schottland). "Das ist für mich ein sehr, sehr großer Sprung. Niemand hätte damit gerechnet, dass ich so ein Event gewinne", sagte Pietreczko.

Video:

Knapp zehn Monate nach dem überraschenden WM-Halbfinaleinzug von Gabriel Clemens hat Deutschland plötzlich eine neue Darts-Hoffnung. Und das pünktlich vor den großen Saisonhöhepunkten mit der Heim-EM und der WM, die am 15. Dezember in London beginnt. "Dieser Erfolg wird ihm und dem deutschen Darts-Sport sehr gut tun", sagte der ehemalige deutsche Primus Max Hopp über den jüngsten Coup von Pietreczko, der plötzlich zahlreiche Medienanfragen bekommt und mit dem Titel von Hildesheim Eintrittskarten für einige große Major-Turniere löste. Der geschlagene Wright nannte seinen Besieger gar "einen fantastischen Spieler".

Deutschlands neue Darts-Hoffnung - Peter Wright adelt Pikachu als "fantastischen Spieler"

Bescheidene Ziele möchte Pietreczko für das viertägige Turnier in der Westfalenhalle von Dortmund nicht ausgegeben. "In Hildesheim hat man sehr, sehr gut gesehen, dass auf der Tour jeder jeden schlagen kann. Ich gehe immer mit dem Hintergedanken in das Turnier, dass ich es gewinnen will", sagte er. Dass er es am Freitagabend (ab 22.15 Uhr) direkt mit Titelverteidiger Ross Smith aus England zu tun bekommt, stört ihn nicht. Seine Siege über Wright und van Gerwen bewiesen zuletzt seine herausragende Form. Gegen den Ex-Weltmeister Wright muss übrigens schon am Donnerstag Gabriel Clemes (40) ran (gegen 21.15 Uhr). Martin Schindler (27) aus Strausberg bei Berlin ist als dritter deutscher Teilnehmer dabei und trifft später am Donnerstagabend (gegen 22.15 Uhr) auf den Engländer Stephen Bunting. Beide deutschen Vertreter sind leichte Außenseiter. Verlieren sowohl Clemens als auch Schindler, könnte am Freitag Debütant Pietreczko in die bei der EM seit Jahren offene Lücke springen. Im Vergleich zu manchem Widersacher äußert Pikachu offensiv seine Ziele für das Major-Turnier in Dortmund. "Ich gehe immer mit dem Hintergedanken in das Turnier, dass ich es gewinnen will", kündigte Pietreczko an. 

Zum Spitznamen Pikachu, dem bekannten gelben Monster aus der TV-Zeichentrickserie Pokémon, kam es für den Nürnberger durch einen Zufall. In einer der lauten Darts-Hallen habe einer nach seinem Nachnamen Pietreczko gerufen, ein anderer aber Pikachu verstanden: Seither kultiviert der Profi das Image mit diesem Spitznamen. Pietreczko läuft zur Pokémon-Musik auf die Bühne, in seinem Profil in den sozialen Netzwerken stellt er sich gerne mit gelbem Pikachu-Hut dar. In das Business, das Kunstfiguren wie den bunt frisierten Paradiesvogel Wright oder den muskelbepackten Rugby-Rüpel Gerwyn Price hervorbringt, passt er so exzellent.

Sportlich wird Pietreczko die jüngsten Erfolge erst bestätigen müssen, um den Weg zur deutschen Nummer Eins zu bestreiten. WM-Halbfinalist Clemens (Platz 21) und Martin Schindler (23.) sind laut Rangliste noch klar vor Pietreczko (50.). Mit Blick auf die Qualität des Trios sagt Pietreczko aber: "Ich würde tatsächlich alle ein bisschen auf eine Stufe stellen." Bei der EM in Dortmund sind alle gefordert. Auch für die WM in London kann das Trio schon jetzt fest planen.