Druckartikel: Nach Unfalldramen auf A6: Wie stark belastet sind Lkw-Fahrer?

Nach Unfalldramen auf A6: Wie stark belastet sind Lkw-Fahrer?


Autor: Peter Groscurth

Nürnberg, Mittwoch, 18. Mai 2016

Lkw-Fahrer klagen über die enorme Belastung in ihrem Job. Zudem fehlen in Deutschland Rastplätze und Baustellen sorgen für Gefahren.
Grafik: Micho Haller


Die tödlichen Unfälle auf der A6 machen die Menschen fassungslos. Wo liegen die Gründe, dass es zu solch tragischen Unglücken kommt, bei denen Lkws und deren Lenker die Hauptschuld tragen?

Ein Kraftfahrer bricht nun gegenüber dieser Zeitung sein Schweigen und schildert, unter welchem Druck er steht: "Ich saß unter Zwang teilweise 20 Stunden ohne Schlaf hinter dem Lenkrad. Ich war völlig übermüdet und eine Gefahr für die Allgemeinheit. Zu Jahresbeginn weigerte ich mich, noch einmal so eine Fahrt zu machen. Mittlerweile arbeite ich nicht mehr als Fahrer. Ich musste die Reißleine ziehen, bevor etwas passiert."

Kein Einzelfall. Laut Informationen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi arbeiten viele Berufskraftfahrer bis zu 80 Stunden pro Woche. Das ist ein Hauptgrund für den Stress und die wenigen Pausen. Noch dazu unterhalten viele Unternehmen, um Kosten zu sparen, keine Lager mehr. Es gibt nur noch die Lagerhaltung auf Rädern. Auch das verstärkt den Druck, die Ware termingerecht abzuliefern.

Dazu kommt die Situation mangelnder Rast- und Schlafplätze entlang der Autobahnen. 2015 waren es bereits 30 000 Stellplätze, denn das Verkehrsaufkommen wächst weiter enorm. Das bestätigt im Gespräch mit dieser Zeitung auch Fritz Wallner, Vorsitzender des Verbandes Deutscher Berufskraftfahrer: "Ab 18 Uhr ist es praktisch sinnlos einen Parkplatz an der Autobahn zu finden. Der Rastplatz-Ausbau kommt viel zu spät."

Wallner, der selbst einen Schwertransporter lenkt, fordert: " Parkverbote in Industriegebieten, die nahe Schnellstraßen liegen, müssen aufgehoben werden. Das gleiche gilt für Flächen, die Autobahnmeistereien derzeit als Lagerplätze dienen. Die wären ebenfalls für Pausen geeignet."

Eine weitere Gefahr stellen die zahlreichen Baustellen in Deutschland dar. Hier kommt es überdurchschnittlich oft zu schweren Unglücken. Berufsfahrer Wallner rät Verkehrsteilnehmern, die auf einer Autobahn an ein Stauende kommen: "Sie sollten einen große Sicherheitsabstand halten, sofort die Warnblinkanlage einschalten und immer im Rückspiegel beobachten, ob von hinten Gefahr lauert."

Quer durch Franken ziehe sich der gefährlichste Autobahnabschnitt Deutschlands, warnt Wallner: "Es handelt sich um die A3 zwischen Nürnberg und Frankfurt, wo es überall Baustellen gibt. Es vergeht wohl kein Tag, an dem es dort keine schweren Unfälle gibt." Der Anteil der Laster am Güterverkehr in Deutschland beläuft sich derzeit auf rund 70 Prozent. Ein Trend, der sich weiter verstärken wird. Das Bundesministerium für Verkehr erwartet bis 2030 einen Anstieg des Lkw-Verkehrs um 39 Prozent.

Weert Canzler vom Wissenschaftszentrum für Sozialforschung in Berlin setzt sich für eine Kehrtwende in der Verkehrspolitik ein. Der drohende Kollaps könne nur abgewendet werden, indem man den Güterverkehr auf der Straße deutlich effizienter gestalte. Das gehe nur über den Preis. Demnach müssten Lkw-Transporte teurer werden. So zwinge man Speditionen zur besseren Planung. Leerfahrten würde es dann fast nicht mehr geben. Die Erhöhung der Maut sei dabei ein Mittel.