Ärger um den Frankenschnellweg
Autor: Nikolas Pelke
Nürnberg, Mittwoch, 22. Juli 2015
Weil der kreuzungsfreie Ausbau des Frankenschnellweges wohl erst 2019 beginnen kann, wird das 450-Millionen-Projekt für Nürnberg noch teurer. Ein fränkisches Trauerspiel.
In Nürnberg liegen die Nerven nach einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes blank. Der kreuzungsfreie Ausbau verzögert sich um mehrere Jahre. Damit bleibt den Nürnbergern das Nadelöhr noch über ein Jahrzehnt erhalten. Mindestens. Auch die Kosten für das Projekt mit zehnjähriger Bauzeit explodieren.
Mit Otto Heimbucher ist pikanterweise ausgerechnet ein CSUler aus dem Stadtrat indirekt für den vorläufigen Höhepunkt in dem langen Trauerspiel um den Frankenschnellweg verantwortlich. Heimbucher ist Vorsitzender des örtlichen Bund Naturschutz (BN) und damit quasi der vorläufige juristische Sieger in dieser kostspieligen Auseinandersetzung. "Jedes Jahr Verschiebung kostet uns rund 15 Millionen Euro Mehrkosten", sagt Finanzreferent Harald Riedel (SPD). Nun rechnet die Stadt mit einer Verzögerung von drei Jahren. Eigentlich sollten 2016 schon die Bagger rollen.
Die Münchner Richter wollen den Europäischen Gerichtshof prüfen lassen, ob eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung im Vorfeld des kreuzungsfreien Ausbaus durchgeführt werden muss. Die Stadt hatte darauf verzichtet, weil sie der Auffassung war, bei dem Frankenschnellweg im Stadtgebiet handele es sich lediglich um eine Kreisstraße und nicht um eine Autobahn. "Meine Kollegen im Rat haben darauf gesetzt, dass der Verwaltungsgerichtshof unsere Klage nicht annimmt", sagt Otto Heimbucher. "Wir vom Bund Naturschutz haben damit gerechnet, dass die Klage angenommen wird", freut sich der CSU-Stadtrat und Vorsitzende der Nürnberger BN-Kreisgruppe.
Neue Freunde dürfte sich Heimbucher mit solchen Äußerungen in der Fraktion nicht machen. Noch mehr ärgern dürfte Heimbucher derzeit nur noch Bürgermeister Christian Vogel, der als Stellvertreter von Oberbürgermeister Ulrich Maly (beide SPD) in der großen Koalition für den kreuzungsfreien Ausbau zuständig ist. Weil auch politisch viel auf dem Spiel steht, kündigte Vogel nach der verlorenen Schlacht vor Gericht kürzlich trotzig an: "Ich kämpfe weiter!" Der Ausbau sei nach geltendem deutschen Recht geplant. "Da gibt es uns nichts vorzuwerfen", wehrte sich Vogel gegen Kritiker.
Heimbucher, gelernter Geologe, der in Nürnberg ein "Geowissenschaftliches Büro" mit zehn Mitarbeitern betreibt, das laut Firmen-Homepage auch Umweltverträglichkeitsprüfungen durchführt, sagt dagegen, ihm gehe es um die Sache und nicht um Politik. Heimbucher wirft der Stadt vor, von völlig falschen Verkehrsbelastungen ausgegangen zu sein. Wenn die Ampeln abgebaut und der Verkehr plötzlich frei fließen könne, steige das Verkehrsaufkommen um bis zu 30 Prozent. Schließlich sei die Strecke nach dem Ausbau nicht nur kürzer sondern auch schneller, als im großen Bogen über die Autobahn um die Stadt herum zu fahren. Deswegen hätte sich die SPD früher stets mit Händen und Füßen gegen den Abbau der Ampeln gewehrt, so Heimbucher.
Mit ein paar Handgriffen beheben kann man die Ursachen des Dauerstaus freilich nicht. Ein knapp zwei Kilometer langer Tunnel soll in zehnjähriger Bauzeit entstehen. Das ist Heimbucher allerdings nicht genug. Der Tunnel, der teilweise oberirdisch als Einhausung geplant ist, müsse verlängert werden, um die Anwohner in der Südstadt besser vor Lärm und Abgasen zu schützen. Wenn die Klage am Ende erfolgreich sei, müsse der Ausbau komplett neu geplant werden, sagt Heimbucher. Wirtschaftlichen Schaden fürchtet er nicht für die Stadt. Die autogerechte Stadt sei eine veraltete Vision. Die Jahre bis zum Gerichtsurteil will die Stadt dafür nutzen, nun doch noch eine Umweltverträglichkeitsprüfung zu machen. Nebeneffekt: Die zehn Mitarbeiter, die extra für das Mammut-Projekt eingestellt worden sind, haben in der Zwangspause eine sinnvolle Beschäftigung.
In der Zwischenzeit wird die Stadt sicherlich auch die Vorzüge des Projekts (besserer Lärmschutz und bessere Lebensqualität) noch deutlicher in der Öffentlichkeit unterstreichen wollen. Auch dies kurios: Für die Öffentlichkeitsarbeit wurde mit André Winkel ausgerechnet der ehemalige Geschäftsführer der BN-Kreisgruppe eingestellt.
Indes dürfte der Schnellweg auch einigen Politikern noch schlaflose Nächte bereiten. "Wen macht der Wähler am Ende für das Trauerspiel verantwortlich?", dürfte sich nicht nur die SPD-Spitze fragen. Die Stadt oder die Umweltschützer? Was passiert, wenn die Ausbaupläne den "Umwelt-Check" nicht überstehen und die Planungen und damit das jahrzehntelange Theater von vorne beginnt? Indes hat die Stadt offensichtlich schon jetzt Kopfschmerzen genug. "Wir versuchen, mit dem Freistaat nochmal zu reden, ob er nicht 80 Prozent der Zusatzkosten übernimmt, weil es sich hier letztlich um ,höhere Gewalt‘ handelt", kündigt Stadtkämmerer Riedel an.