Ungelöste Mordfälle in Unterfranken: Wie Deepfakes und DNA-Analysen helfen könnten
Autor: Stefan Lutter, Agentur dpa
Miltenberg, Montag, 30. Dezember 2024
In Deutschland bleiben viele Verbrechen ungelöst, während andere Länder moderne Ermittlungswerkzeuge einsetzen. Experten sehen Potenzial in neuen DNA-Analysen für alte Mordfälle.
Einige Verbrechen datieren Jahrzehnte zurück und bleiben bis heute ungelöst. Künstliche Intelligenz bietet den Ermittlern neue Möglichkeiten, jedoch sind nicht alle im deutschen Rechtssystem erlaubt.
Klaus Berninger aus Wörth am Main (Landkreis Miltenberg) war erst 16 Jahre alt, als er in einem Wald an der Grenze zwischen Hessen und Bayern ums Leben kam. Das geschah vor 34 Jahren. Doch noch immer ist der Täter auf freiem Fuß.
Sicherung von Beweismaterial entscheidend in fränkischen Cold Cases
Die Polizei hat zwar einen Verdächtigen im Visier, jedoch fehlen entscheidende Beweise, auch weil mögliche Mitwisser schweigen. Wegen falscher Angaben zum ungeklärten Mord an dem Jugendlichen in Unterfranken vor mehr als 30 Jahren hat ein Angeklagter einen Strafbefehl erhalten. Dieser sehe eine Bewährungsstrafe von elf Monaten und eine Geldauflage von 600 Euro vor, teilte ein Sprecher des Amtsgerichts in Aschaffenburg erst kürzlich mit.
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In anderen alten Fällen - sogenannten Cold Cases - ist es Beamten inzwischen gelungen, Mörder viele Jahre nach der Tat zur Verantwortung zu ziehen. Die Voraussetzung: Die damaligen Ermittler haben Beweismaterial gesichert, das heute etwa durch aussagekräftige DNA-Spuren ergänzt werden kann und entsprechendes Vergleichsmaterial vorhanden ist.
Das war auch in dem 31 Jahre zurückliegenden Mordfall an der damals 13-jährigen Sabine Back aus Unterfranken der Fall. Doch weiterhin ist unklar, ob ein inzwischen 48-jähriger Mann hinter Gitter muss. Der Deutsche, der zur Tatzeit 17 Jahre alt war, war kurz vor Weihnachten vom Landgericht Würzburg zu sechseinhalb Jahren Jugendstrafe verurteilt worden. Die Verteidigung hat allerdings wie erwartet Revision im so genannten Güllegruben-Mord eingelegt.
DNA-Analyse könnte mehr als erlaubt
Doch die Polizei könnte womöglich noch mehr Erfolge vorweisen, wenn sie umfassend alle modernen Techniken, wie etwa künstliche Intelligenz (KI) oder fortschrittliche DNA-Analyse, einsetzen dürfte. Lange Zeit konnte in Deutschland aus DNA-Spuren nur das Geschlecht bestimmt werden, während äußerliche Merkmale wie Augen-, Haut- und Haarfarbe sowie das Alter unberücksichtigt blieben. Seit Ende 2019 ist die sogenannte Phänotypisierung erlaubt - ein quasi Täterprofil aus dem DNA-Labor. Dennoch liefert sie lediglich eine Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes Aussehen und kann nicht als eindeutiger Beweis dienen.
Sebastian Grün arbeitet beim Bayerischen Landeskriminalamt (LKA) in München. Derzeit befasst sich der DNA-Analytiker mit rund zehn "Cold Cases". Täglich untersucht der Biologe im Auftrag der Ermittler DNA-Spuren und führt bei Bedarf Phänotypisierungen durch, sieht aber noch weiteres Potenzial. "Wenn wir eine unbekannte Spur haben, die wir keiner Person zuordnen können, dann könnte die Kenntnis der biogeografischen Herkunft der Polizei dabei helfen, in eine bestimmte Richtung zu ermitteln oder eben auch nicht," erklärt Grün. Aktuell dürfen er und seine Kollegen jedoch keine Informationen über die biogeografische Herkunft - also die Region, aus der die Vorfahren eines unbekannten Spurenverursachers stammen – gewinnen. Es gebe dafür gute Gründe: "Wenn man die Werte der biogeografischen Herkunft kennt, dann kann man diese Phänotypisierungswerte noch ein bisschen präzisieren. Das heißt, die Vorhersagen werden ein wenig präziser," so LKA-Mann Grün. In anderen Ländern sei dieses Werkzeug für Ermittlungen zugelassen.