Triefenstein/Würzburg: Missbrauchsvorwürfe bei Bruderschaft - Staatsanwaltschaft beendet Verjährungsprüfung
Autor: Redaktion, Agentur dpa
Triefenstein, Dienstag, 24. Oktober 2023
Anfang Oktober hatte sich eine Bruderschaft mit einem Brief an die Öffentlichkeit gewendet, in dem sich einige Gemeindemitglieder zu den Missbrauchsvorwürfen äußerten. Die Staatsanwaltschaft Würzburg leitete daraufhin ein Vorermittlungsverfahren ein, bei dem sie die Verjährung prüften.
Update vom 13.11.2023, 10.50 Uhr: Staatsanwaltschaft Würzburg schließt Vorermittlungsverfahren ab
Anfang Oktober hatte die Christusträger Bruderschaft, eine evangelische Bruderschaft aus Unterfranken, einen Bericht veröffentlicht, laut dem eine Führungsperson viele Jahre lang andere Brüder sexuell missbraucht hat. Der damalige erste Prior soll sich zwischen 1963 und 1995 an mindestens acht Brüdern vergangen haben, darunter mindestens einem Minderjährigen. Neben dem damaligen Prior gibt es drei weitere Verdächtige, die nicht mehr zur Bruderschaft gehören.
Laut Angaben der dpa vom Montag (13. November 2023), wird die Staatsanwaltschaft Würzburg nicht zu Missbrauchsvorwürfen innerhalb der ökumenischen Kommunität der Christusträger Bruderschaft ermitteln. Die möglichen Taten seien verjährt oder bereits von den Behörden behandelt worden, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte.
Update vom 24.10.2023, 11.46 Uhr: Bruderschaft äußert sich in offenem Brief zu Missbrauchsvorwürfen
Es ist die dunkle Seite der Bruderschaftsgeschichte, die jahrelang hinter Klostermauern im Spessart verborgen blieb: Rund fünf Jahre nach dem Tod eines Mitgründers bezichtigt die ökumenische Kommunität der Christusträger Bruderschaft den ehemaligen Prior des sexuellen Missbrauchs. Er habe sich von 1963 bis 1995 an mindestens acht Brüdern vergangen, darunter mindestens einem, der noch nicht volljährig war. "Das gehört nun zum Erbe unserer Gemeinschaft", erzählt Bruder Christian Hauter am Sitz der Bruderschaft im unterfränkischen Triefenstein am Main (Landkreis Main-Spessart). "Wir müssen dazu stehen, was andere verkehrt gemacht haben."
In ungewöhnlich offener Art setzen sich die Christusträger mit dem wohl dunkelsten Kapitel ihrer Gemeinschaft auseinander - und zwar öffentlich. Hinter ihnen liegt eine lange Zeit des Verdrängens, des Schweigens: "Wir waren viele Jahre blind für die Schattenseiten unseres ersten Priors, wir haben viel zu lange gebraucht, bis wir ihn als Hochstapler gerade in geistlichen Angelegenheiten durchschaut haben", schreibt der derzeitige Leitungskreis der Bruderschaft in einem offenen Brief an rund 6000 Freunde und Weggefährten.
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"Wir haben gedacht, es ist so richtig mit dem strengen Gehorsam", erklärt der 61-jährige Hauter, der einige Jahre unter dem damaligen Prior arbeitete. "Ich bin ein sozial sensibler Mensch, habe aber das Leid der anderen nicht wahrgenommen."
Missbrauchsbericht von Bruderschaft umfasst 99 Seiten
Schwarz auf weiß ist im Internet dieses Leid nun nachzulesen - zu Tage gefördert von einer durch die Bruderschaft beauftragten Expertenkommission. Auf 99 Seiten geht es um ein ausgeklügeltes Missbrauchssystem: Machtmissbrauch, geistlicher Missbrauch und sexueller Missbrauch waren demnach in der in Hessen gegründeten Gemeinschaft miteinander verwoben.
Kurz vor oder nach Abendmahl, Seelsorge oder Beichte soll der frühere Prior seine Triebe an Mitbrüdern ausgelebt haben, die ihm hörig waren. "Damals waren wir Brüder es nicht gewohnt, untereinander oder gar öffentlich über Probleme zu sprechen." Durch seinen autoritären Führungsstil habe der damalige Prior ein Klima der Angst geschaffen.