Druckartikel: Zum ersten Schultag eine geflochtene Schultüte

Zum ersten Schultag eine geflochtene Schultüte


Autor: Christa Burkhardt

, Mittwoch, 12. Sept. 2012

Was Kindern den ersten Tag am meisten versüßt, ist die Schultüte. Und bei den Eltern ist Kreativität gefragt, es soll ja schließlich etwas Besonderes werden. Überraschend ist, dass dabei sogar ein Pizzakarton in Dienst genommen wird.
Erstklässler Emil freut sich über seine geflochtene Schultüte. Foto: Tim Birkner


Die Schultüte für meine Kinder, die mach' ich selbst, dachte ich, als meine Tochter fünf Jahre alt war. Es ist ja noch ein Jahr Zeit, da fällt mir schon was ein. Und tatsächlich kam mir eine Idee: An sich muss man so ein Ding doch auch flechten können, überlegte ich mir.

Flechten? Meine Tochter war begeistert und wir legten los. Das heißt, zuerst hatten wir alles Mögliche zu bedenken: Wo kriegen wir die Staken her? Wie dick und wie lang müssen die sein? Wie halten sie unten alle zusammen? Und woher wissen die, dass sie oben viel weiter auseinander sein müssen als unten?

Die Staken schnitten wir am Mainufer. Nicht zu dünn und möglichst gerade sollten sie sein. Weide, Haselnuss, uns war alles recht. Wie viele wir wohl brauchen werden, fragten wir uns. An die 20 Staken nahmen wir mit, befreiten sie von Zweigen und Blättern und hoben sie dann im Garten auf.

"Wos söllsn wern?"


"Wos söllsn wern?", fragte uns ein Mitarbeiter der Alexander Schardt AG. Denn wer flechten will, braucht Material und das wird in Michelau beschafft. "A Schuldüdn, soso, dou langd des dünne dou." So schnell waren wir um ein Bündel Peddigrohr reicher.

"Nur Peddig sieht langweilig aus, Mama", wendete meine Tochter ein. Also musste noch etwas anderes her, etwas Bunteres sollte die Tüte noch zieren - natürlich in den Lieblingsfarben. Also ließen wir unserer Strickliesel keine Ruhe mehr und häkelten lange, dicke Luftmaschenketten.

Staken, Peddig, Wollketten, allmählich war unsere Sammlung komplett. Nun fehlte nur noch eine Rolle Bast und ein Pizzakarton. Bast, damit die Tüte unten dicht hält und Löcher im Karton, damit die Staken oben in Schultütenform bleiben.

Als dieser Rohling endlich fertig war, unten mit Bast und oben mit Karton fixiert, wischte ich mir den Schweiß von der Stirn und liebäugelte damit, eine Schultüte aus Pappe zu kaufen. Aber da hatte sich meine Tochter schon ans Werk gemacht.

Einmal angefangen, fertig im Nu


Ebenso eifrig wie geduldig flocht sie an der engsten Stelle ihre erste und dünnste Luftmaschenkette in den Rohling. "Kannst du mal halten?", fragte sie und reckte mir den Pizzakarton entgegen. Margherita, roch ich und drehte und drückte und zog ein wenig straffer als es Kinderhände schaffen.

Ein paar Luftmaschenketten und kurz in Wasser eingeweichte Peddigfäden später hielt die Schultüte auch ohne Margheritakarton und -duft. Und schließlich strahlte meine Tochter, denn die Schultüte war groß genug, und
nach einigen wie hält eigentlich der Rand?-Gedanken und -Geflechten fertig.

Und sie war der Hit am ersten Schultag. "Da passt viel mehr rein als in meine", sagte der Banknachbar. "Ich wüsste gar nicht, wie das geht", sagte seine Mama. "Auf so eine Idee muss man erst mal kommen", sagte die Lehrerin. Und ich wunderte mich. Warum soll ein Kind, das in der deutschen Korbstadt Lichtenfels eingeschult wird, keine geflochtene Schultüte haben? Da zupfte mich mein Sohn am Ärmel. "Mama, ich will meine Schultüte auch zusammen mit dir flechten." Also legten wir zwei Jahre später wieder los.

Korbtüte wird Familientradition


Und vor ein paar Tagen war es zum dritten Mal soweit. Den schwierigen Anfang flocht meine Tochter mit ihrem Bruder. Sie hat schließlich genauso viel Übung wie ich - und eindeutig mehr Talent. Dann zeigte sie ihm wie es geht. Ich hielt wie damals oben fest, drückte und zog ein wenig mit und hatte wieder den Margheritaduft in der Nase.

Meine Tochter sammelt in ihrer Schultüte Erinnerungsstücke aus jedem Schuljahr. Mein großer Sohn bewahrt seine Schultüte auf dem Fensterbrett auf. "Da seh' ich sie immer", sagt er.
Heute trägt mein drittes Kind seine Schultüte quer über den Marktplatz in die Grundschule am Markt. Vorbei an den Stadtarbeitern, die gerade die Hauptbühne aufstellen, auf der am Samstag die neue Korbstadtkönigin gekrönt wird.

Was drin ist? Gar nichts. "Ich bin doch nicht blöd und schlepp' das ganze Zeug in die Schule", sagt er. "Was drin ist, schau' ich mir vorher an und lass' es dann schön zu Hause."