Zu Besuch bei Monika Hohlmeier in Straßburg
Autor: Matthias Einwag
Lichtenfels, Dienstag, 04. März 2014
Im Mai sind rund 400 Millionen EU-Bürger aufgerufen, ein neues Europa- Parlament zu wählen. Monika Hohlmeier (CSU) will Oberfranken auch in der nächsten Legislaturperiode wieder in Brüssel und Straßburg vertreten. Wir begleiteten sie in Straßburg während einer Plenartagung.
Auf das Interview mit Monika Hohlmeier haben sich Andrea Wagner (14) und Stella Starklauf (15) gut vorbereitet. Zusammen mit ihren Lehrern und Mitschülern besuchen die beiden Hirschaider Realschülerinnen auf Einladung von Monika Hohlmeier das Europa-Parlament in Straßburg. Nach dem Abendessen in einem urigen Lokal in der Altstadt bitten Andrea und Stella die Abgeordnete um das Interview. Die Schülerinnen wollen detailliert wissen, wie der Tag von Monika Hohlmeier in Brüssel oder Straßburg abläuft und welche Aufgaben sie wahrnimmt.
Die Abgeordnete erzählt, dass sie seit 2009 dem Europäischen Parlament angehört, im Haushalts- und dem Sonderausschuss für die Wirtschafts- und Finanzkrise mitwirkt und als stellvertretendes Mitglied im Haushaltskontrollausschuss und im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres mitarbeitet.
Ob Monika Hohlmeier vor Parlamentsreden noch aufgeregt ist, möchte Andrea Wagner wissen. "Ich bin seit 25 Jahren in Parlamenten", antwortet die 51-Jährige, "da nimmt die Aufgeregtheit ab". An ihre erste Rede im Europa-Parlament erinnere sie sich aber gut, ebenso wie an ihre erste Rede im bayerischen Landtag. Die Berichterstattung im Europa-Parlament sei mit zwei bis drei Minuten Redezeit eine Herausforderung, ergänzt die Abgeordnete, so dass man sich manchmal schwer tue, das Wesentliche unterzubringen.
Nicht nur meckern
Weil viele Menschen über Europa meckern fragt Andrea Wagner, ob Monika Hohlmeier drei positive Auswirkungen der europäischen Einigung nennen könne. Die Abgeordnete überlegt nicht lang: Reisefreiheit, Binnenmarkt und Frieden sind die drei Begriffe, die sie nennt und kurz erläutert.
Was sie tun würde, wenn sie nochmal Schülerin wäre? Am Schluss des Interviews bekennt Monika Hohlmeier, dass sie sich vielleicht in Physik ein wenig mehr anstrengen würde, denn das würde das Einarbeiten in den Fragenkomplex der Reaktorsicherheit heute bestimmt erleichtern.
In der Tat - es ist eine Mammutaufgabe, was die Abgeordneten leisten. In der Problematik des Genmaisanbaus und der Plastikmüllverseuchung der Weltmeere müssen sie sich ebenso auskennen wie mit den Finessen der multinationalen Schienenpersonenverkehrsdienste und den Inhaltsstoffen des Zigaretten- sowie des Schnupftabaks.
Die Abstimmung im Plenarsaal muss stets gut vorbereitet sein, denn das Parlament arbeitet präzise wie ein Uhrwerk. Nahezu im Sekundentakt votieren die Abgeordneten im riesigen Parlamentssaal, der keine Fenster nach draußen hat. Die Besucher- und Pressetribünen sind gut besetzt. Hunderte verfolgen von ihren Sitzen hoch über der Parlamentsarena aus die Worte der Redner. In verglasten Studios sitzen Dolmetscher, die simultan in alle europäischen Sprachen übersetzen. Die Besucher können wählen, ob sie den O-Ton des Redners hören oder seinen Worte lieber in ihrer Muttersprache über Kopfhörer lauschen möchten.
Monika Hohlmeiers Tag beginnt um 9 Uhr. Von ihrem Hotel aus fährt sie durch das morgendliche Verkehrsgewusel zum Parlament. Sie ist gut gelaunt und gut vorbereitet. Im Labyrinth der Parlamentsgebäude kennt sie sich längst aus. Sie grüßt auf Französisch, Englisch, Deutsch, hat für jeden ein freundliches Wort parat und steuert zielsicher den ersten Konferenzsaal an. Im Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres geht es um die Frage, ob es sinnvoll ist, eine Europäische Staatsanwaltschaft einzurichten. Anders als in deutschen Parlamenten reden sich die Abgeordneten hier mit Vornamen an. Der Ton ist verbindlich, respektvoll, zuweilen schwingt ein wenig Ironie mit.
Formulieren und redigieren
Szenenwechsel. Eine Dreiviertelstunde später sitzt Monika Hohlmeier in ihrem kleinen Büro im zehnten Stock des "LOW", des Bâtiment Louise Weiss, wie das größte der drei Parlamentsgebäude offiziell heißt. Gemeinsam mit ihren Referenten Lenard Koschwitz (Straßburg) und David Bendels (Lichtenfels) arbeitet sie an einer Presseerklärung. Es geht um die gerade vom Bundesverfassungsgericht gekippte Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht.
Monika Hohlmeier ist verblüfft über diese Gerichtsentscheidung. Ihrer Meinung nach zersplittert dieses Urteil die Parteienlandschaft und schwächt den deutsche Einfluss im Europäischen Parlament. Über Bildtelefon kommuniziert sie mit David Bendels in Lichtenfels. Sie weiß genau, was in der Pressemitteilung stehen soll, feilt aber an den Formulierungen.Immer wieder wird die Abgeordnete unterbrochen. Sie wird um Hilfe bei drohenden Insolvenzverfahren ersucht, muss die Feinheiten englischsprachiger Antragstexte gewichten und sich kundig machen, welche Substanzen im Tabak farbigen Rauch erzeugen und welche Vanille- oder Schokoladengeschmack.
Zwischendurch gilt es, in eine Cafeteria zu eilen - aber nicht um Pause zu machen, sondern um mit einer Kollegin des Haushaltskontrollausschusses einige Punkte abzuklären.
Der Bayerische Rundfunk fragt an, ob die Abgeordnete Projekte grenzüberschreitender Zusammenarbeit in Oberfranken für eine menschelnde Geschichte nennen könne. Monika Hohlmeier überlegt nicht lange; fünf oder sechs Kooperationen fallen ihr spontan ein.
Und außerdem liegt eine Anfrage des Redaktionsleiters von "Lanz" vor, der großes Interesse an der Teilnahme Monika Hohlmeier an einer Talkrunde signalisiert. Darüber freut sich die Abgeordnete, denn sie schätzt Markus Lanz sehr. An Erfahrung mit Talkshows fehlt es ihr nicht; just in dieser Sitzungswoche fährt sie aus Straßburg mal eben nach Köln, um eine Einladung Sandra Maischbergers anzunehmen.
Der Nachmittag ist fast vorüber. Schnell noch ins Aufnahmestudio, ein Kurzinterview für Radio Plassenburg geben - es geht um die Verhandlung des Transatlantischen Freihandelsabkommens (TTIP). Mehr als 15 Minuten bleiben dafür nicht, denn dann ist Fraktionssitzung.
Multitasking ist ständig gefordert
Monika Hohlmeier ist noch immer heiter im Umgang, wirkt kein bisschen gestresst oder gar genervt. Gelassen reagiert sie auf Handyanrufe, stöpselt die Ohrhörer rein, switcht thematisch um, stellt sich auf den Gesprächspartner ein, führt das Telefonat pragmatisch und zielorientiert.
"Haben Sie eigentlich Zeit für Ihre Kinder?", hatte tags zuvor die Schülerin Andrea Wagner gefragt. "Wir haben gelernt, uns Zeit füreinander zu nehmen", antwortet Monika Hohlmeier, und außerdem seien ihre Kinder inzwischen erwachsen, fügt sie an und lächelt. Immerhin hatte sie an diesem Tag auch einen Anruf ihres 25-jährigen Sohnes Markus.