Winterdienst Lichtenfels: eine Rechnung mit vielen Unbekannten
Autor: Ramona Popp
LKR Lichtenfels, Mittwoch, 21. Oktober 2015
Weil sich auf eine Ausschreibung hin kein Unternehmen fand, übernimmt der Kreisbauhof den betreffenden Streubezirk jetzt selbst. Dafür musste er ein weiteres Fahrzeug anschaffen.
Der Wettermelder muss als Erster aufstehen. Er macht sich um 2 Uhr auf den Weg, um zu schauen, wie die Straßenlage ist. Er schickt bei Bedarf die Kollegen mit Rufbereitschaft ab 2.30 Uhr los. Bis 21 Uhr ist das Team dann in wechselnden Schichten unterwegs, wenn es sein muss, noch länger. Heiko Tremel ist zufrieden mit seinen Leuten im Winterdienst. "Ich werde nicht müde, mich nach jedem Winter bei ihnen zu bedanken", sagt der Leiter des Kreisbauhofes. Eine ausgeglichene Mannschaft sei es, gut aufgestellt. Doch die Herausforderung ist größer geworden. Die Mannschaft muss sich heuer um einen weiteren Streubezirk kümmern, weil sich auf eine Ausschreibung hin kein externer Partner fand. Für etwa 30 000 Euro hat der Landkreis deshalb ein älteres, gebrauchtes Fahrzeug mit entsprechender Technik zusätzlich angeschafft.
Der Winterdienst ist für Fuhrunternehmen unattraktiver geworden, und das hat vor allem personelle Gründe.
Rudolf Panzer stellt mit seiner Firma im bevorstehenden Winter das einzige Fremdfahrzeug, das auf den Kreisstraßen im Einsatz ist. Drei Personen sind dafür eingeplant. Den durch den Rückzug eines anderen Unternehmens frei gewordenen Streubezirk hätte er übernehmen wollen, musste aber passen. Die Bereitschaft für einen Dienstantritt nachts um 3 Uhr sei gesunken, sagt er - zumal das Bereitschaftsgeld "nicht berauschend" sei.
Mitarbeiter, die nachts fahren, fehlen am Tag. Die Fahrersituation sei allgemein schlechter geworden, Aushilfen seien wesentlich schwieriger zu bekommen. Das liegt zu einem großen Teil am Berufskraftfahrer-Qualifikations-Gesetz. Dieses verpflichtet in seiner jüngsten Änderung von 2013 die Fahrer nämlich dazu, Qualifizierungsnachweise zu erbringen, die in mehreren Ausbildungsmodulen zu erwerben sind. Das erfordert einen erheblichen zeitlichen Einsatz. Den zu erbringen sind viele nicht bereit, die den Lkw-Führerschein zwar besitzen, aber nicht mehr hauptberuflich benötigen. Zudem müssten sie die Kosten von mehreren hundert Euro für die Fortbildung selbst aufbringen. Weniger Lkw-Fahrer stehen zudem durch den Wegfall der Wehrpflicht zur Verfügung, weil die Möglichkeit, den entsprechenden Führerschein bei der Bundeswehr zu erwerben, gerne genutzt wurde.
Da die Lkw-Führerscheinprüfung Bestandteil der Ausbildung zum Straßenwärter ist, bereitet diese Qualifikation im Bauhof-Team keine Sorge. Mit 17 Mitarbeitern, darunter zwei Ersatzleuten, gilt es, den Winterdienst zu gewährleisten und die vorgeschriebenen Ruhepausen einzuhalten.
Dienstbesprechung
Dafür gibt es einen ausgefeilten Dienstplan, der bereits vorliegt und am Mittwoch im Team besprochen wurde. Jeder kann sich also auf seine Einsatzzeiten einstellen. Theoretisch. Ob man auf der Straße gebraucht oder anderswo eingesetzt wird, entscheidet aber die Witterung. Bei anhaltendem starkem Schneefall und Glätte oder bei mehreren Krankheitsfällen könnte es trotz aller organisatorischer Vorleistung eng werden. Sechs Streubezirke mit 228 Kilometern Straße hat der Landkreis zu betreuen; nur für einen Bezirk ist ein Privatunternehmen eingeteilt. In den genannten Streckenkilometern sind auch gut 50 Kilometer Gemeindeverbindungsstraßen enthalten - weil das Räumfahrzeug ohnehin darauf unterwegs ist und man mit den Gemeinden so die wirtschaftlichste Lösung vereinbart hat.
Obwohl gut geplant worden ist, rechnet Tremel auch heuer mit Beschwerden. Die bleiben nie aus. "Wir können nicht überall gleichzeitig sein", sagt er. Die Erwartungshaltung, dass alle Straßen 100-prozentig befahrbar sind, sieht er kritisch. "Es ist halt auch mal Winter." Darauf sollte man sich einstellen, auch längere Fahrzeiten einkalkulieren. "Gegenseitige Rücksichtnahme würde uns sehr am Herzen liegen." Damit alle unfallfrei durch den Winter kommen.