Weismainer Stadtmauer als Stein des Anstoßes
Autor: Stephan Stöckel
Weismain, Donnerstag, 17. März 2016
Wurde beim Durchbruch durch die Weismainer Stadtmauer historisches Baumaterial abgerissen und nicht fachgerecht gelagert? Günter Teschlade behauptet das.
Auf der Baustelle der Dileo Projektentwicklungs GmbH, einer Tochter der Weismainer Baufirma Dietz, herrscht emsiges Treiben. Dort wo einst die Weismainer Brauerei Dietz ihren Gerstensaft braute, soll Ende des Jahres eine Anlage mit 16 barrierearmen und seniorengerechten Wohnungen sowie drei Gewerbeeinheiten entstehen. Und dort wo in Zukunft die Autos in die Tiefgarage fahren werden, gehen derzeit noch die Arbeiter der Firma Dietz ein und aus. Der für die Zufahrt benötigte Durchbruch durch die Weismainer Stadtmauer ist für einen besorgten Bürger ein Stein des Anstoßes. Sein Name: Günter Teschlade.
Arbeitsschritte abgesprochen
Der Diplom-Betriebswirt aus Kaspauer wirft dem Unternehmen vor, aus Gründen der Baustellensicherung mehr von der Stadtmauer abgetragen zu haben als ursprünglich mit der unteren Denkmalschutzbehörde am Landratsamt Lichtenfels und dem Landesamt für Denkmalpflege
in Schloss Seehof bei Bamberg vereinbart. "Stimmt nicht", widerspricht Berthold Girschke bei einem Ortstermin am Mittwochnachmittag, zu dem Dileo-Geschäftsführer Christian Dietz geladen hat. Der Mitarbeiter des Landratsamtes muss es wissen, schließlich ist er als technischer Sachbearbeiter auf dem Gebiet der Denkmalpflege regelmäßiger Gast auf der Baustelle. "Jeder Arbeitsschritt wurde mit beiden Behörden abgesprochen. Einmal im Monat sind wir hier vor Ort", erklärt der Fachmann. "Daher kann es keinen Grund zu Beanstandungen geben", ergänzt Geschäftsführer Christian Dietz von der Firma Dileo, der über die in dem Schreiben erhobenen Vorwürfe nur mit dem Kopf schütteln kann.
Teschlade fährt in seiner Mail, die an alle zuständigen Behörden gegangen ist, noch ein weiteres schweres Geschütz auf: Die abgebrochenen Steine seien wie Schüttgut auf dem Gelände der Bauschuttrecylinganlage der Firma Dietz in Weismain abgelagert worden. "So geht man nicht mit Teilen eines Kulturerbes um", heißt es in dem Schreiben wörtlich. Zur Untermauerung seiner These hat er seiner elektronischen Post Fotos angehängt. Sie zeigen einen losen Haufen Steine, die auf dem Areal der Recyclinganalage lagern.
Auf Spurensuche
Handelt es sich überhaupt um historisch wertvolle Steine, die da abgetragen wurden? Begleitet von Bürgermeister Udo Dauer (CSU), Werner Zeis vom Bauamt der Stadt Weismain Polier Peter Serro von der Baufirma Dietz und Dileo-Geschäftsführer Christian Dietz begibt sich Girschke auf Spurensuche entlang der Stadtmauer. Im unteren Teil der Befestigungsanlage sind immer wieder kleine Löcher zu sehen, an denen der Laie unachtsam vorbeiläuft, die Girschke aber sofort ins Auge stechen: "Es handelt sich um sogenannte Zangenlöcher.
Mit einer Greifzange wurden im Mittelalter Steine gehoben." Diese Löcher findet man nur im unteren Teil der Mauer, der sich aus Sandsteinquadern zusammensetzt, während im oberen gebrannter Ziegel zu Tage tritt. Girschke greift sich ein Stück des roten Materials, das sogleich in seinen Händen zerbröselt: "Sehen Sie, der Ziegel ist ziemlich porös." Der Fachmann datiert die Ziegelsteine ins 19. oder 20. Jahrhundert. Für den Experten steht somit fest: "Auf der historische Mauer des Mittelalters befindet sich eine Umfassung, die eindeutig jüngeren Datums ist."Die Behörden, klinkt sich Dietz ein, hätten keine Einwände gegen einen Abbruch gehabt, da die abgetragenen Steine nicht zur mittelalterlichen Befestigungsanlage gehört hätten. In diesem Zusammenhang stellt Girschke klar, dass eine Nummerierung oder besondere Lagerung der Steine, wie von Teschlade gefordert, nicht erforderlich sei, da es sich nicht um historisches Material handele. Dietz erläutert anhand einer Stelle, an der das Grün aus dem Mauerwerk sprießt: "Da die Mauer durch den Bewuchs mit Efeu und Bäumchen sehr instabil gewesen war, musste sie teilweise abgetragen werden."
Auch die Stadt Weismain kommt in dem Schreiben des Bürgers nicht ungeschoren davon. Dabei geht es um die finanzielle Seite der Medaille. Der Diplom-Betriebswirt fordert eine Überprüfung des Zuschusses zu den Abrisskosten durch die Städtebauförderung, die seiner Ansicht nach vom Abbruch der ehemaligen Abfüllerei abhängig sei. Ein Abriss ist derzeit allerdings nicht möglich, da es in dieser Frage zwischen dem Eigentümer des Gebäudes, dem ehemalige Wirt der Torschänke, Georg Bunzelt, und der Firma Dileo bislang zu keiner Einigung gekommen ist.
Keine Sorgen um Zuschuss
Bürgermeister Udo Dauer gibt sich zuversichtlich, dass der beantragte Zuschuss von rund 158 000 Euro auch ausbezahlt werde, wenn die ehemalige Abfüllerei stehen bleibe. Die Stadt Weismain wird sich mit 66 000 Euro an den Abrisskosten beteiligen. Bedenken, dass der Freistaat der Stadt Weismain die alljährlichen Konsolidierungshilfen in Millionenhöhe streichen könnte, hat Dauer nicht.
Er verweist auf die positive Stellungnahme des Landratsamtes Lichtenfels, in der es wörtlich heißt: "Die Schaffung von seniorengerechten Wohnugen trägt dazu bei, den Standort Weismain zu stärken und Impulse gegen die Abwanderung der Bevölkerung zu setzen."Lobende Worte findet Dauer für die Firma Dileo: "Sie arbeitet vorbildlich und wird auch von den Denkmalschutzämtern wegen ihres sorgfältigen Vorgehens gelobt." Bei Günter Teschlade hält es der Bürgermeister mit William Shakespeare: "Seine Ausführungen sind viel Lärm um nichts."