Druckartikel: Was Sterbende erwarten dürfen

Was Sterbende erwarten dürfen


Autor: Ramona Popp

Lichtenfels, Dienstag, 14. Februar 2017

Dr. Roland Martin Hanke spricht beim Lichtenfelser Hospizverein über die Rechte der Sterbenden. Dabei geht es um einen würdigen Abschluss des Lebens.
Der Palliativmediziner Dr. Roland Martin Hanke Foto: p


Nicht zum ersten Mal wird am Donnerstag der Palliativmediziner Dr. Roland Martin Hanke als Referent in Lichtenfels erwartet. Im vergangenen Jahr fand sein Vortrag auf Einladung des hiesigen Hospizvereins so großen Anklang, dass keine Plätze mehr frei waren. Hanke sieht sich als Referent allerdings eher als ehrenamtlicher Vorsitzender des Hospizvereins Fürth denn als Arzt. Und wenn der Titel seines Vortrags "Die Rechte der Sterbenden" überschrieben ist, so soll es dabei nicht um juristische Fragen gehen, sondern um essenzielle Fragen am Ende des Lebens, wie er in einem Interview im Vorfeld des Abends betont.

Frage: Herr Dr. Hanke, es gibt einen Rechtsanspruch für Krankenversicherte auf pallivativmedizinische Versorgung. Wie steht es damit?
Antwort: Die Hausärzte (die eine Verordnung ausstellen müssen) wissen darüber Bescheid. Bei uns in Bayern ist die Versorgung annähernd flächendeckend.

Frage: Aber sie ist unterschiedlich gut, oder?
Antwort: Bei uns im Nürnberger Raum ist sie extrem gut. Wir haben Einrückzeiten von normaler Weise einer Stunde bis zwei Stunden. Spätestens nach 24 Stunden ist mindestens eine Pflegekraft, mindestens ein Arzt, mindestens ein Notfallplan da, sind die Medikamente, die benötigt werden, da. Das lässt sich in Satellitenteams oft nicht realisieren.

Frage: So ein Satelittenteam ist - ausgehend von der Sozialstiftung Bamberg - auch im Obermaingebiet eingesetzt.
Antwort: Die Kollegen arbeiten im Einzugsgebiet bis nach Kronach und südlich bis Neustadt/Aisch mit sechs Satellitenteams. Da kann man sich drüber streiten, wie umfassend die Versorgung gewährleistet werden kann. Die Problematik kennen wir, weil uns Krankenhäuser anrufen und bitten, dass wir mitversorgen. Das können und wollen wir nicht - wir würden sonst unsere gute und engmaschige Versorgung gefährden.

Frage. Ihr Vortrag in Lichtenfels ist "Die Rechte der Sterbenden" überschrieben. Werden Sie über Rechtsfragen sprechen?
Antwort: Nein. Das sind mehr ethisch-moralische und soziale Rechte.

Frage: Was möchten Sie da besonders ansprechen?
Antwort: Das wichtigste Statement, das wir immer wieder erleben, was ich ansprechen werde: Der Mensch ist lange vor seinem körperlichen Tod bereits sozial gestorben. Er ist in dem Augenblick für die Gesellschaft schon nicht mehr vorhanden, sobald er seine schwerwiegende Diagnose nennt. Es reicht, wenn er eine schwerwiegende neurologische Erkrankung, eine Demenz oder eine Krebserkrankung hat. Die Gesellschaft zieht sich immer weiter von ihm zurück, weil sie eine große Sprachlosigkeit Schwerstkranken gegenüber beweist. Dem gilt es in mehreren Schritten entgegenzuwirken.

Frage: Was darf ein Sterbender erwarten?
Antwort: Er darf fordern, dass er als lebendiger Mensch behandelt wird, als Mitglied der Gesellschaft gesehen wird. Dass er gesellschaftliche Rechte hat, Konzerte besuchen darf, dass er wahrgenommen wird, dass ihm auch noch sämtliche Medizin zugänglich gemacht wird. Dahinter steht letztlich auch dieser Spruch von Vaclav Havel: Hoffnung bedeutet nicht, dass alles gut ausgeht, sondern dass es einen Sinn gehabt hat. Diesen Sinn zu finden hinter seiner Erkrankung, das ist etwas, was wir moderieren müssen, damit der Mensch dann auch loslassen kann, wenn es ans Sterben geht. Ein weiteres Recht ist, den Vorgang des Sterbens verstehen zu wollen und auch ehrliche Antworten zu bekommen. Ein Hospiz-Ehrenamtlicher wird sich grundsätzlich bemühen, die Wahrheit zu sagen und sich nicht etwa hinter einer Verklausulierung verstecken und sagen: Es wird schon wieder werden.

Frage: Oft ist es ja so, dass der Kranke seine Angehörigen schützen möchte und die wiederum meinen, ihm könne die Unausweichlichkeit des Bevorstehenden nicht zugemutet werden.
Antwort: Wir werden eher mit der Familie ins offene Gespräch gehen, lieber mit denen Rotz und Wasser weinen und dann uns auf einer Ebene treffen, damit keiner dem anderen irgendetwas vorenthält.

Frage: Wie können Sie helfen, den Vorgang des Sterbens zu verstehen?
Antwort: Wir haben sehr viele Beispiele zu benennen. Das hilft dem einen oder anderen doch, die Antworten auf seine Fragen vorweg zu sehen.

Frage: Welche weiteren Rechte wollen Sie ansprechen?
Antwort: Ein weiteres Recht ist sicherlich auch, Trost in spirituellen Welten zu suchen. Wir sind nicht konfessionell gebunden. Wir stellen es dem Patienten frei oder ermuntern ihn dazu, zu dem Gott seines Herzens zu beten, beziehungsweise dort Kraft zu suchen, wo er sie in seinem Alltag auch gefunden hat. Das ist für viele Menschen einfach nur ein Spaziergang, ein Sonnenuntergang, oder für manche das Gebet. Und wenn es die Familie ist, die ihm Kraft gegeben hat, dann muss die Familie wieder zurück organisiert werden, dass sie um ihn herum ist.

Frage: Wie steht es um das Recht auf Schmerzfreiheit?
Antwort: Palliativmediziner beherrschen eine sehr große Bandbreite an Schmerzmedikamenten. Allerdings gibt es Phasen, wo diese nicht mehr nützen. Da wird mit dem Patienten bereits beim Kennenlernen besprochen: Wenn dem eventuell so sein sollte, dass wir Ihre Atemnot, Ihre Übelkeit oder Ihre Schmerzen nicht in den Griff bekommen können, dürfen wir Sie dann eventuell schlafen legen? Das heißt, in einen oberflächlichen Schlaf bringen, immer wieder mal aufwecken und fragen, wie es Ihnen denn geht. Damit verschläft der Patient letztlich diese starken Beschwerden.

Frage: Würden diese Mittel das Sterben beschleunigen?
Antwort: Nein. Diese palliative Sedierung ist rechtlich akzeptabel und endet nicht in einer Tötung auf Verlangen. Man findet relativ schnell die Dosis heraus, die auf den Patienten passt. Das ist keine Dosis, die den Tod einleitet, sondern eine, die den Schmerz abhält. Sie könnte das Sterben aber insofern beschleunigen, weil der Patient loslassen kann aufgrund seiner Schmerzarmut.
Was mir noch am Herzen liegt, ist, dass Kinder ein Recht haben, beim Tod dabei sein zu dürfen. Kinder und Jugendliche können so etwas ganz gut rational einordnen. Ich behaupte, dass die Psychotherapie-Praxen voll sind mit Menschen, die nicht Abschied nehmen konnten von ihren Eltern, Geschwistern oder dem Ehepartner.

Die Fragen stellte Ramona Popp





Vortragsabend

Termin Donnerstag, 16. Februar, 19 Uhr

Ort Lichtenfels, evang. Gemeindehaus, Kronacher Str. 16