"Was Schönes draus machen"
Autor: Ramona Popp
Hochstadt, Donnerstag, 28. Februar 2013
Der neue Eigentümer war zum ersten Mal selbst vor Ort und hat sich ein Bild von der denkmalgeschützten Immobilie gemacht. Er kann sich vielerlei Nutzung vorstellen und gibt auch ein Versprechen ab.
Herr H. hat sich einen Bahnhof gekauft, sogar mehrere. Nicht etwa, weil er ein besonderes Faible für Bahnhöfe hätte. Er ist Unternehmensberater und betrachtet diese Immobilien als reine Kapitalanlage. Aber es ist ihm nicht egal, was aus ihnen wird.
An jenem Tag, als Herr H. zum ersten Mal in seinem Leben nach Hochstadt am Main kommt, um sich seinen Bahnhof anzuschauen, von dem er bislang nur Bilder gesehen hat, weht ein eisiger Wind. Das Umfeld wirkt vielleicht an diesem Wintertag noch trister als sonst. Er sei da ein bisschen erschrocken, äußert er. Es gibt in der Nähe auch kein nettes Café, in dem er und seine Frau sich ein wenig aufwärmen könnten.
Der Bahnhof aber enttäuscht ihn nicht: Imposant sei er, und keinesfalls marode (wohingehend im Ort die Meinungen eher tendieren). Er weiß, dass das Gebäude Geschichte hat, und ist überzeugt davon, dass es auch in über hundert Jahren noch Geschichte haben wird.
Hochstadt wurde 1862 Bahnknotenpunkt, sein Bahnhof gehört nach Einschätzung von Bezirksheimatpfleger Günter Dippold zu den wichtigsten Denkmälern des Verkehrs im Landkreis Lichtenfels.
Das Dach ist dicht, auch Gebälk und Mauerwerk sind in Ordnung. Die hohen Räume und der Gewölbekeller beeindrucken den jetzigen Besitzer. Freilich müssten neue Fenster rein, wären ein neuer Anstrich und auch eine Form der Wärmeisolierung vonnöten. Dafür lassen die 650 Quadratmeter Wohn- und Nutzfläche aber großen Spielraum für eine künftige Nutzung.
Es gibt viele Möglichkeiten, da etwas draus zu machen. Aber es gibt noch keinen, der sich dafür interessiert.
Kontakt zur Gemeinde
Herr H. hat mit der Gemeinde Hochstadt Kontakt aufgenommen und will den auch halten. Und er hat sich an Dilber Demiray, die Zukunftscoachin des Landkreises Lichtenfels, gewandt. Er hat im Internet über das soziale Netzwerk Facebook einen Aufruf gestartet: "Bahnhof Hochstadt-Marktzeuln sucht Mieter". Aber bislang hat sich niemand gemeldet.
Das schnelle Geld ist hier nicht zu machen, meint H., der sich einen oder mehrere Betreiber beziehungsweise Interessenten erhofft, die eine Vision haben, Engagement und die nötige Geduld mitbringen. Er selbst habe bei seinem Gebot von 16 000 Euro, für das er bei der Auktion im Januar in Berlin den Zuschlag bekam, nicht lange überlegen müssen, räumt er ein. Es bestünde ja noch ein Mietvertrag mit der Deutschen Bahn über etwa 30 Prozent der Fläche für Technik- und sonstige Räume. In Vorleistung gehen, ins Blaue hinein planen und sanieren, das will der neue Eigentümer allerdings nicht. Wie umgebaut und renoviert wird, möchte er mit einem Mieter oder Pächter abstimmen.
Wieviel man in so ein Gebäude investiere, sei schließlich immer eine Frage des Ertrages. Vieles kann sich der Geschäftsmann vorstellen: Einen Jugend- oder Vereinstreff, einen Raum für Musikproben, ein Ärztehaus, ein Büro- oder Kleingewerbehaus, ein Existenzgründerzentrum, ein Veranstaltungs- oder Gastronomieobjekt oder sogar ein Regio- oder Bauernladen. Letztere erfreuen sich, wie er erzählt, in seiner Heimat im Schwarzwald immer größerer Beliebtheit. Über Anregungen dazu - und erschienen sie zunächst auch noch so verrückt - würde er sich freuen. Die Bevölkerung würde er an diesem Prozess gerne beteiligen. Unter Zeitdruck sieht sich H. nicht, nur wird an dem Sandsteinbau aus dem Jahr 1848/48 auch nichts geschehen, wenn sich keine Perspektiven auftun.
Auf jeden Fall soll der Bahnhof eine Nutzung erfahren, die den gesamten Ort aufwertet, so das Ansinnen des neuen Eigentümers. Und eines verspricht er: "Wenn es mir gelingt, jemanden zu begeistern, bin ich auch bereit, was Schönes draus zu machen - inklusive Vorplatz und Umfeld."