Druckartikel: Was die heimische Weide wert ist

Was die heimische Weide wert ist


Autor: Ramona Popp

Marktgraitz, Montag, 02. März 2015

Die "Weidenwoche", der einwöchige Workshop rund um das natürliche Flechtmaterial, war ein Novum im Landkreis Lichtenfels. Kursleiter Heinrich Geßlein aus Marktgraitz zieht ein positives Fazit. Er sieht das Angebot auch unter einem touristischen Aspekt.
Heinrich Geßlein und die Weiden, das ist seit mehr als einem Jahrzehnt eine kreative Verbindung. Foto: Popp


Heinrich Geß lein aus Marktgraitz hat eine besondere Beziehung zur Weide. Seit 2001 widmet sich der Nebenerwerbslandwirt nicht nur ihrem Anbau, sondern auch den Verarbeitungsmöglichkeiten. "Das ist wie ein Fieber, das einen gepackt hat." Nun war er maßgeblich beteiligt an der ersten "Weidenwoche", zu der die Umweltstation des Landkreises eingeladen hatte.

Wie war die Weidenwoche?
Heinrich Geßlein: Sie hat meine Erwartungen erfüllt. Es hat sehr gut geklappt, wir hatten eine harmonische Gruppe von Mitte 20 bis Mitte 50, der Weiteste kam aus dem Landkreis Wunsiedel, die anderen aus unserem Landkreis.

Von wem ging die Initiative aus?
Die Idee stammt von mir. Ich bin dann bei der Umweltstation auf offene Türen gestoßen. Die haben dankenswerter Weise die Organisation übernommen und auch weitere qualifizierte Dozenten gewonnen, wie Nina-Regina Nötzelmann und Gitti Klitzner, die beide Flechtmeisterinnen sind. So ging das Ganze Hand in Hand und war eine runde Sache.

Was sollte diese Woche vermitteln?
Ziel war es, dass die Leute die Weide zu schätzen wissen, die Arbeit, die da dran hängt, und auch verstehen, wie der Preis des Materials zustande kommt. Und dass die Teilnehmer auch mit der Weide weiterarbeiten. Es wird ja leider in vielen Flechtkursen mit Peddigrohr gearbeitet, das von weit her geliefert werden muss.

Warum?
Peddigrohr ist einfacher zu handhaben. Man weicht es schneller ein, hat lange Schnüre in gleichmäßiger Stärke, muss beim Flechten nicht so oft ansetzen.
Peddigrohr ist aber von der Gewinnung her sehr problematisch. Es wird - um es zu schälen - in einer Öl-/Dieselmischung gekocht. Das ist sowohl für die armen Arbeiter, die das machen müssen, sehr schädlich, und es bleiben auch Reste im Peddigrohr drin. Die Weide dagegen ist ein heimisches Produkt.
Das Sie auch selbst anbauen.
Es war mit ein Grund für meine Initiative, dass ich Abnehmer brauche für die Weiden, die ich anbaue. Es geht aber auch da rum, dass die Kopfweiden in der Landschaft gepflegt und genutzt werden. Es werden jetzt vom Landkreis wieder Stecklinge angeboten. Es ist kein Problem, die irgendwo an einen Bach zu setzen. Aber dann müssen sie halt auch weiter gepflegt werden. Wenn ich Weide brauche, ist es auch für mich ein Anreiz, diese Kopfweiden weiter zu pflegen.

Welchen Umfang hat Ihr eigener Weidenanbau?
Ich habe 1,8 Hektar der Salix viminalis, die in Reihen gepflanzt und ebenerdig geschnitten wird.

Wie wird das angenommen?
Vom Fachhandel werden bestimmte Längen abgenommen, aber es bleiben auch sehr viele Längen, für die der Fachhandel keine Verwendung hat. Daran zeigen neben einzelnen Flechtwerkgestaltern hauptsächlich Hobbyflechter Interesse.

Kommen die direkt zu Ihnen nach Marktgraitz?
Ja, oder wir versenden auch.

Sie hatten ja beim Korbmarkt bereits Kurse geleitet, aber ein Projekt über eine ganze Woche war etwas Neues. Hatten Sie nicht Bedenken, dass es zu wenige gibt, die sich so intensiv mit der Weide beschäftigen möchten und auch bereit sind, Geld dafür zu zahlen?
Erstens zum Geld: Die Umweltstation hat die Woche preisgünstig gemacht. Eine Woche mit Mittagessen kriegen Sie nirgends für 200 Euro. Das zahlen Sie sonst an einem Wochenendkurs.
Die Überlegung war, dass man in einer Woche täglich das Erlernte vom Vortag wiederholen konnte, Grundkenntnisse wie das Japanische Auge - eine Flechtverknüpfung von Weiden - im Werkstück immer wieder anwenden konnte.

Wie viele Teilnehmer waren es?
Wir waren neun.

Wie war die Resonanz?
Viele möchten einen Folgekurs haben. Ich habe ihnen gesagt, sie haben jetzt sozusagen die Flechtkurs-Reife erreicht, so dass sie mit Weiden umgehen können und an einem Kurs, der von einem Flechtwerkgestalter durchgeführt wird, teilnehmen können.

Sehen Sie sich da als möglichen Referenten?
Ich möchte den Umgang mit dem Material vermitteln. Ich möchte kleine, einfache Sachen zeigen, die man mit Kindern und Erwachsenen relativ schnell realisieren kann. Ich bin selbst kein gelernter Flechtwerkgestalter, sondern habe meine Kenntnisse in Kursen erworben und kann deshalb auch keine hochkomplizierten Flechttechniken weitergeben.

Ist eine Wiederholung der Weidenwoche denkbar?
Ja, durchaus. Es muss im Frühjahr sein, weil ich hauptsächlich mit frisch geschnittener Weide arbeite und die Weide in der Saft ruhe geschnitten wird. Ich habe zunächst an einen Termin in der Faschingswoche gedacht, damit auch Familien teilnehmen könnten. Eine Teilnehmerin hat nun gesagt: ‚Das war recht schön, das war eine Woche für mich allein, wo ich einmal weg war von der Familie.‘ Das ist der andere Aspekt.

Kann die Beschäftigung mit der Weide auch touristisch von Bedeutung sein?
Die Idee zielt schon auch auf den Tourismus mit ab.Wir hatten eigentlich mehr an Urlauber gedacht, die das Angebot wahrnehmen. Es gibt in Marktgraitz Ferienhäuser, die für Familien geeignet wären. Für mich wäre es schön, wenn wir die miteinbeziehen könnten, so dass für Marktgraitz ein Nutzen damit verbunden wäre. Wir haben ein sehr schönes Baugebiet und eine sehr schöne Landschaft. Im Landkreis nehmen die Objekte, die mit Flechtwerk zu tun haben, auch langsam zu. Wir haben uns einiges angeschaut - das Weidenlabyrinth in Lichtenfels, die Korbfachschule, den Weidenzaun am Innovationszentrum.

Sollten Aktivitäten rund um die Weide noch ausgebaut werden ?
Auf jeden Fall.

Was schwebt Ihnen da vor?
In Lichtenfels könnte ich mir zum Beispiel vorstellen, in den Wasserlauf am Marktplatz Weiden einzustellen, die man dann auch dort schält. Das wäre ein dekoratives Element für die Stadt und ein Beleben des Marktplatzes.

Eine Aktion zum Mitmachen für jedermann also?
Ja. Und das nicht nur einen Tag, sondern gut eine Woche. Eventuell könnte sich da auch die Korbfachschule mitbeteiligen.