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Warum Igel sich immer seltener blicken lassen


Autor: Jupp Schröder

Lichtenfels, Freitag, 20. Oktober 2017

Der Igel hat es immer schwerer, in unseren Gärten und in der freien Natur zu überleben. Darauf weist der Landesbund für Vogelschutz (LBV) hin.
Marion Damm zeigt einen kleinen abgelieferten kleinen Igel, der medizinisch versorgt wurde. Bei guter Pflege und richtiger Nahrung wir er langsam wieder fit.Jupp Schröder


Die LBV-Vorsitzende im Landkreis Lichtenfels, Marion Damm, betont, dass viele unsere Gärten nicht gerade igelfreundlich seien. "Ich mache mir große Sorgen, um den Fortbestand des Igels. Gärten, die nach dem Sauberkeitsprinzip gestaltet und gepflegt werden, sind absolut lebensfeindlich. So können sich keine Vielfalt und ein ökologisches Gleichgewicht entwickeln. Als wichtiger Regulator gehört der Igel in unsere Gärten", so die Vorsitzende der Kreisgruppe.
Ein naturnaher Garten mit viel Laub sei der beste Igelschutz. "Es ist so leicht, in unseren Gärten Lebensräume für Tiere zu schaffen. Für den Igel gilt besonders, Unterschlupfmöglichkeiten das ganze Jahr über anzubieten. Das sind vor allem Reisig- und Laubhaufen, die am besten in einer Gartenecke oder unter Gehölzen geschützt angelegt werden. Eine Kombination aus Reisig und Laub ist dabei besonders wirkungsvoll", betont die Naturschützerin. Nicht zu vergessen sei jedoch, dass ein Garten allein niemals als Lebensraum eines Igels genüge. "Die Tiere durchstreifen während einer Aktivitätsperiode Gebiete bis zu 100 Hektar. So ist es wichtig, dass Durchschlupfmöglichkeiten von einem Garten zum anderen vorhanden sind. Igel sind Insektenfresser, die in der Nacht oder am Abend auf Nahrungssuche gehen", so Marion Damm. Die Lieblingsspeisen seien für sie Mäuse, Käfer, Tausendfüßler, Ohrwürmer, Spinnen und Regenwürmer. Auch Schnecken würden sie gerne verspeisen. "Doch die Aufnahme von zu viel dieser schleimigen Tiere kann Lungenwürmer übertragen, die krank machen oder sogar den Tod herbei führen. Das ist besonders in sterilen Gärten durch Mangel an vielfältigem Futter der Fall", sagt die Vorsitzende.
Unmittelbare Gefahren für den Igel gebe es nicht nur im Straßenverkehr. Oft würden die Stacheltiere durch Motorsensen verletzt. Auch ein Stich mit einer Forke in ein zugewachsenes Beet im hinteren Garteneck kann einen schlafenden Igel treffen. Die Tiere bezahlen die Unachtsamkeit und Eile des Menschen mit schlimmen Verletzungen, die dann oft zum Tode führen. "Alle Arten von ausgelegten Giften und Fallen, etwa um Schnecken oder Mäuse zu töten, sind gefährlich", warnt Marion Damm. Wichtig sei auch, Kellerschächte abzudecken. Ein weitere Gefahr seien Gartenteiche mit steilen Ufern. Hier könne man zum Beispiel mit einem schräg hinein gelegten Brett sicherstellen, dass die Tiere wieder aus dem Wasser heraus klettern können.
Müll gehöre ebenfalls nicht in den Garten. Besonders Plastik, Schnüre, Seile oder Bänder, in denen sich Igel verheddern können, seien gefährlich. Igel würden bis in den September hinein geboren. "So ist es normal, dass jetzt viele kleine Tiere angetroffen werden, die nach Unterschlupfmöglichkeiten Ausschau halten. Etwa nur einen Monat sind die Jungen mit der Mutter unterwegs. Dann aber sind sie auf sich selbst gestellt. Igel sind Wildtiere, die unter Artenschutz stehen. Deshalb sollten sie in Ruhe gelassen werden. Kleine und schwache Igel sind deshalb nicht gleich in Obhut zu nehmen", so die Vorsitzende.
Nur im Extremfall, wie bei Verletzungen und schwerer Krankheit, könne man eine menschliche Pflege akzeptieren. "Hier ist auch eine tierärztliche Behandlung notwendig. Ich werde weiterhin gerne Hilfesuchenden mit Rat zur Seite stehen", versichert die engagierte Naturschützerin. Sie freue sich darüber, dass es noch Menschen gibt, die über den Fortbestand einer unserer ältesten Säugetierart Gedanken machen. "Wer glaubt, einen sehr schwachen Igel zufüttern zu müssen, kann dies am besten mit einem flachen Schälchen Katzenfutter tun. Obendrauf wird dann noch etwas Igeltrockenfutter gegeben, welches in einem gut sortierten Fachhandel zu kaufen gibt. Milch, die oft empfohlen wird, ist meist tödlich für die Stacheltiere. Igel vertragen keine Laktose, wie sie in der Kuhmilch vorhanden ist", so Marion Damm.
Besonders die "modernen" Vorgärten liegen der Naturschützerin schwer im Magen. Sie werden von ihr als total lebensfeindlich bezeichnet. So würden Folien ausgelegt, durch die nicht einmal ein Regenwurm komme. "Obendrauf werden dann langweilige weiße Steinchen, kombiniert mit schwarzem oder grauem Kies, gegeben. Nicht einmal ein Schmetterling mag sich hier ausruhen", sagt Marion Damm. Die Krönung seien dann noch kugelig zugeschnittene Buchsbäume oder Koniferen. "Wo bitteschön, soll an einem solchen Ort der Igel oder die Biene Nahrung finden?", fragt sich Damm.