US-Filmteam dreht in Lichtenfels: Was hat es damit auf sich?
Autor: Svenja Hentschel
Lichtenfels, Montag, 04. Sept. 2023
Bei der Digitalisierung des Archivs im Lichtenfelser Landratsamt ist im Jahr 2017 ein Umschlag gefunden worden. Dieser ist Ausgangspunkt für das Schülerprojekt "13 Führerscheine - Dreizehn jüdische Schicksale" geworden. Mittlerweile wird schon der zweite Film über das Projekt gedreht.
- Mysteriöser Umschlag: Was es mit dem Fund im Landratsamt auf sich hat
- Aufarbeitung der Geschichte: Umgang mit der NS-Vergangenheit in Lichtenfels
- US-Filmteam: Dokumentarfilm über Schülerprojekt
Im Februar 2017 ist bei der Digitalisierung des Archivs im Landratsamt Lichtenfels ein brauner Umschlag aufgetaucht. Zu diesem Zeitpunkt wusste noch niemand, dass dieser Umschlag oder vielmehr dessen Inhalt dazu führen sollte, dass ein US-amerikanisches Filmteam in die oberfränkische Stadt kommt. 14 Schüler*innen des Meranier-Gymnasiums Lichtenfels machten es sich zur Aufgabe, die Dokumente in dem Umschlag aufzuarbeiten.
Mehrfach ausgezeichnet: Schülerprojekt auf den Spuren der NS-Vergangenheit
In dem unscheinbaren Umschlag befanden sich 13 Führerscheine von jüdischen Bürger*innen. Die 14 Schüler*innen des Projekt-Seminars von Lehrer Manfred Brösamle-Lambrecht rekonstruierten die Biografien der 13 Juden und Jüdinnen und wollten ihnen damit "symbolische Gerechtigkeit" ermöglichen. Denn im Zuge der Novemberpogrome 1938 war den deutschen Juden und Jüdinnen auf Anordnung des SS-Chefs Heinrich Himmler die Fahrerlaubnis entzogen worden. Auch ihre Fahrzeuge sollten konfisziert werden - so war auch das Schicksal der 13 jüdischen Bürger*innen aus dem Landkreis Lichtenfels.
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Im Rahmen ihres P-Seminars begaben sich die Schüler*innen auf die Spuren der 13 Jüdinnen und Juden: Sie beschäftigen sich mit zahlreichen historischen Quellen, recherchierten die Lebenswege der 13 Menschen und konnten schließlich sogar elf Nachkommen der 13 Führerscheinbesitzer*innen in Israel, Argentinien und den USA ausfindig machen. Zwei Familien wurden allerdings von den Nationalsozialisten ermordet.
Am Ende der komplexen Recherchen stellte das P-Seminar eine Ausstellung auf die Beine, in der auf 19 Tafeln die Lebenswege der jüdischen Bürger*innen dargestellt wurden. Die Ausstellung wurde sogar international bekannt und mehrfach preisgekrönt - unter anderem mit dem Bayerischen P-Seminar-Preis 2019. Im Jahr 2021 wurde sogar ein Film über das Projekt in Lichtenfels gedreht: "Wir sind enorm stolz auf diese jungen Leute aus unserem Landkreis, die mit ihrem P-Seminar '13 Führerscheine - Dreizehn jüdische Schicksale' seit 2018 Unglaubliches bewegt haben. Dass über dieses mehrfach ausgezeichnete und international sehr beachtete Projekt nun ein Dokumentarfilm entsteht, ist eine herausragende Würdigung und freut uns ganz besonders", betonte Landrat Christian Meißner anlässlich des Empfangs eines Filmteams aus den Vereinigten Staaten und der Mit-Initiatorin Professorin Elisabeth Gareis, einer gebürtigen Lichtenfelserin, die seit 1994 in New York lebt, im Landratsamt.
"Wir müssen uns unserer Vergangenheit stellen": New Yorker Filmemacher dreht in Lichtenfels
Ihr Ehemann, Ryoya Terao, ist Dokumentarfilmer und Associate Professor of Video Production am Department of Entertainment Technology am New York City College of Technology und Regisseur bei dem Projekt. Die Dreharbeiten begannen im Juni 2021 in New York - vom 30. Juli bis zum 8. August 2021 erfolgten sie im Landkreis Lichtenfels. Dazu kam mit Emmy-Preisträger Mark Raker ein Weltklasse-Kameramann von New York City nach Lichtenfels, um vor Ort die Aufnahmen zu machen. Der Film dokumentiert die Entstehung und Tragweite des P-Seminars und entstand auf Initiative von Landrat Christian Meißner: "Meine Idee war es, dass man diese Führerscheine nicht einfach dem Staatsarchiv zurückgibt, sondern dass wir junge Leute, Abiturienten, bitten, im Rahmen eines P-Seminars zu untersuchen: Wer waren denn eigentlich diese Menschen und welche Schicksale hatten sie? Wir müssen uns unserer Vergangenheit stellen und die Lokalgeschichte aufarbeiten."
Das Projekt fasziniert den Filmemacher Ryoya Terao so sehr, dass jetzt sogar noch ein weiterer, längerer Film folgen soll. Der Regisseur weiß, dass viele Länder bis heute nicht die dunkle Seite ihrer Geschichte aufarbeiten. Lichtenfels sei da anders und mittlerweile ein Vorbild – auch das soll sein neuer Film zeigen, wie der Bayerische Rundfunk berichtet. Die Koinor-Horst-Müller-Stiftung unterstützt das Projekt laut Michael Schulz vom Stiftungsrat mit einem finanziellen Beitrag. Die Stiftung hat auch das P-Seminar und die Ausstellung gefördert, wie das Landratsamt in einer Pressemitteilung berichtet.