Druckartikel: Unter der Köstener Straße entsteht Stauraum

Unter der Köstener Straße entsteht Stauraum


Autor: Ramona Popp

Lichtenfels, Freitag, 19. Juni 2015

Die Baustelle Köstener Straße durchschneidet eine wichtige Straßenverbindung in der Stadt. Mit hohem Aufwand wird dort das Lichtenfelser Kanalsystem für die nächsten Jahrzehnte ertüchtigt.
Riesenröhren werden in der Köstener Straße im Boden versenkt. Sie bilden das Herzstück des neuen Regenüberlaufbeckens. Fotos: Ramona Popp


Die Baustelle bestimmt seit rund 14 Tagen die Verkehrsführung in der Stadt und um die Stadt herum. Noch für zehn Tage bleibt die Köstener Straße gesperrt, und sie wird es nach dem Korbmarkt erneut für rund zwei Monate sein. Wer in die Nähe kommt, sieht zunächst einmal riesige Rohre. Sie werden künftig einen wichtigen Part im städtischen Entwässerungssystem leisten. Später, wenn hier die Autos wieder fahren können und neben der Straße ein Radweg entstanden sein wird, fungieren diese Rohre als Speicher für das Wasser aus der Kanalisation nördlich des Mains. Ihr Herzstück wird Regenüberlaufbecken (RÜB) 7 genannt. Das Becken ist kein Becken im klassischen Sinn, sondern es besteht aus zwei parallel zueinander verlegten Riesenrohren.

Es ist nötig, um die Kanalisation zu entlasten und im Notfall ein Einleiten stark verdünnten Schmutzwassers in den Main kontrolliert vornehmen zu können.

Zu so einer Situation kann es kommen, wenn es im Stiftsland nahe Kloster Banz, in Kösten oder in Schney sehr stark regnet. Dann füllen sich die Kanalschächte und lassen das Volumen der üblichen Abwässer aus Häusern und Betrieben binnen kürzester Zeit auf ein Vielfaches anschwellen. Das Ziel des trüben Stromes ist die Lichtenfelser Kläranlage. Die kann aber maximal 200 Liter pro Sekunde bewältigen. Das ist eine große Menge, womöglich aber nach einem Starkregen nicht groß genug. Deshalb ist es wichtig, eine Art Zwischenspeicher zu haben. In den Riesenrohren sammelt sich das Wasser. Sollte es nicht entsprechend an die Kläranlage weitergeleitet werden können, was mittels einer Leitung unter dem Main hindurch geschieht, wird es in dem unterirdischen System zurückgehalten. Zwei Überläufe ermöglichen ein weiteres Ausdehnen des Wassers und eine Verdünnung der ungeklärten Abwässer. Nur in sehr seltenen Fällen wird es schließlich soweit kommen, dass diese als letzter möglicher Schritt direkt in den Main eingeleitet werden. Und sollte das während einer Hochwasserphase geschehen müssen, wird die Kraft zweier Pumpen genutzt, von denen jede 500 Liter in der Sekunde schafft.
Wie oft oder besser gesagt wie selten dem Fluss ein solcher Schmutzeintrag zugemutet werden darf, ist von behördlicher Seite genauestens festgelegt. In den zurückliegenden Jahrzehnten gab es höhere Umweltauflagen, die letztlich auch der Reinhaltung der Nordsee dienen.

Um die Vorgaben einhalten zu können, sind Ingenieure gefordert. Sie berechnen, welche baulichen Veränderungen eine Kommune in ihrem Abwassersystem vornehmen muss. Bei der Stadt Lichtenfels zieht sich der Prozess der Berechnungen und Genehmigungen schon über Jahre hin, wie Stadtbaumeister Jürgen Graßinger erläutert. Mit den jetzt begonnenen Maßnahmen solle das Kanalsystem aus den 60er Jahren für die nächsten Jahrzehnte ertüchtigt werden, betont er. Inwiefern aber die Vorgaben schon in den kommenden Jahren wieder verändert werden, kann niemand vorhersagen.

Starkregen tritt häufiger auf

"Unsere Kanäle sind nicht zu klein, sie werden aber inzwischen häufiger belastet", sagt Graßinger. "Rückstau haben wir öfter." Durch den Klimawandel tritt vermehrt Starkregen auf. Zunehmende Flächenversiegelung trägt mit dazu bei, dass Regen nicht im Boden versickern kann. Mitunter entstehen wahre Sturzbäche. Deshalb werden die Entwässerungsleitungen, die aus den nördlichen Stadtteilen zu dem neuen Regenüberlaufbecken hinführen, größer dimensioniert. Auf 180 Metern wird eine Leitung mit 80 Zentimetern Durchmesser verlegt. Von den gewaltigen Exemplaren mit einem Durchmesser von zwei Metern werden weitere 120 Meter benötigt.
Im Generalentwässerungsplan der Stadt ist genau festgelegt, wie viel Speichervolumen entsprechend der gesamten befestigten Fläche von aktuell 415 Hektar vorgehalten werden muss: 10 332 Kubikmeter. Wenn die Baustelle Köstener Straße fertig ist, wird es sogar etwas mehr sein, 13 714 Kubikmeter nämlich. Früher habe man bei der Berechnung pro Hek tar befestigter Fläche zwölf Kubikmeter angesetzt, heute gehe man von 30 Kubikmetern aus, merkt der Stadtbaumeister an.

26 Regenüberlaufbecken gibt es bereits im Stadtgebiet, allerdings nicht in der Dimension von RÜB 7 in der Köstener Straße, das gerade gebaut wird. RÜB 12 am Lichtenfelser Weg bei Schney wird parallel dazu ausgebaut und um ein Hochwasserpumpwerk ergänzt. RÜB 29 beim Spielplatz an der Langen Brücke wird im September für eine größere Kapazität umgebaut. Alles zusammen macht eine Investition von rund 2,2 Millionen Euro aus.

Sicherheit geht vor

Mit der Vollsperrung hat man den schnellsten und kostengünstigsten Weg gewählt, diese Pflichtaufgabe umzusetzen. Eine Alternative, ohne Menschenleben in Gefahr zu bringen, ist nicht erkennbar. Man muss permanent auf der Hut sein, wenn man sich auf der Baustelle bewegt. Hier der Schwenkbereich des einen Baggers, dort fährt ein weiterer parallel zur Baugrube; die Aufmerksamkeit wird durch den Maschinenlärm beeinträchtigt. "Das kann tödlich sein da draußen", sagt Jürgen Graßinger. Ein Autofahrer, der sich auf die gesperrte Staubpiste gewagt hat, muss den Rückzug antreten.