Tod bei Baumfällarbeiten: In der Schuldfrage bleiben Zweifel
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Dienstag, 05. November 2013
Der tragische Tod eines Mannes bei Baumfällarbeiten ist weiterhin rätselhaft. Das Verfahren gegen den 49-jährigen Angeklagten wurde vom Amtsgericht vorläufig eingestellt.
Vorläufige Verfahrenseinstellung in einem Prozess um fahrlässige Tötung - das Verfahren, das laut Richter Thomas Pohl "komplexer als anfangs gedacht" ist, konnte auch zwei Wochen nach Prozessauftakt im Amtsgericht nicht mit einer eindeutigen Klärung der Schuldfrage beendet werden: Hatte der 49-jährige Angeklagte aus Lichtenfels seine Sorgfaltspflicht verletzt, als der durch seine Hand gefällte Baum im Januar dieses Jahres in einem Lichtenfelser Waldstück einen anderen Mann in den Tod riss?
Genau das stand nach dem ersten und bis gestern einzigen Prozesstag zu vermuten, sprach eine 49-jährige Sachverständige doch davon, Zweifel an einem genügend großen Sicherheitsabstand zwischen Baum und Opfer zu haben. Die Rechnung wäre dabei denkbar einfach gewesen, denn im Wald gilt die doppelte Baumlänge als Maß für einen korrekten Sicherheitsabstand. 28,4 Meter betrug die Länge der Lerche, somit hätte der Verunglückte, der noch an der Unfallstelle starb, in einer Entfernung von mindestens 56,8 Metern stehen müssen, wollte er sichergehen, nicht noch von einem wie im Domino-Effekt mitgerissenen weiteren Baum zu Schaden zu kommen.
Dass dem nicht so gewesen sein könne, davon zeigte sich die Aussagende vor zwei Wochen überzeugt. Relativiert wurde diese Ansicht durch die Vernehmung eines zweiten Verständigen, der für die Land- und forstwirtschaftliche Berufsgenossenschaft auftrat: Der 39-Jährige zeigte sich davon überzeugt, dass die doppelte Baumlänge eingehalten wurde, wenngleich auch er nicht bestimmen konnte, wo genau der Verunfallte ursprünglich in Deckung stand.
Verließ das Opfer die Deckung?
Das Merkwürdige an dem Fall ist, dass es genau dort, in der Deckung, der Geschützte nicht ausgehalten haben soll. Am ersten Prozesstag war gar die Rede davon, dass dieser Mann in den fallenden Baum hinein gelaufen sei. Dass man kopflos werden und somit ins Unglück laufen könne, wenn ein Baum fällt, das bestätigte der Zeuge gegenüber dem Fränkischen Tag. Dass man beim Ruf "Baum fällt" aber nicht in Deckung bleibt, das verwunderte ihn selbst.
Von dem Hergang des tragischen Geschehens bekam der Angeklagte selbst nichts mit. Er stand zum Zeitpunkt der Baumfällarbeiten, die ungefähr eine halben Minute in Anspruch nahmen, in einer Senke, ohne Sichtkontakt zum Opfer.
Über dieses bekam Thomas Pohl auch etwas Neues zu hören. So sagte ein Polizeibeamter, der als weiterer Zeuge berufen war und die Reanimierungsversuche am Verunfallten beobachtete, dass ihm erzählt worden sei, der Mann habe sich zu einem vorherigen Zeitpunkt mit Atemnotbeschwerden auf einem Holzstapel niedergesetzt. "Das hat keiner der Beteiligten so geschildert", sagte ein überraschter Richter.
Wie der genaue Hergang war, wird sich kaum klären lassen. Zweifel an der völligen und restlosen Unschuld des Angeklagten blieben dem Gericht, weshalb dieser 1600 Euro als Auflage zur Einstellung des Verfahrens wird zahlen müssen. Was sicher feststand, war, dass der Ort, an dem der Verunfallte Deckung gesucht hatte, diesem Sicherheit geboten hätte.