Druckartikel: Tausend Tonnen rollen auf den Ort Wiesen zu

Tausend Tonnen rollen auf den Ort Wiesen zu


Autor: Christian Bauriedel

Wiesen, Freitag, 01. Februar 2013

Ab Montag werden mit Schwerlast-Transportern die ersten Stahlteile für die ICE-Brücke über den Main geliefert und vor Ort montiert. Oberbrunn und Wiesen müssen sich auf den nächtlichen Besuch der Brückenbrocken einstellen.
Wie in der Grafik der Deutschen Bahn zu sehen ist, soll das Bauwerk bei Wiesen den ICE mit rund 300 Stundenkilometern tragen können. In 18 Schwertransporten werden bald die ersten Einzelteile der Stabbogenbrücke über den Main angeliefert. Grafik: DB AG


Zwei blaue Bögen mit orange-ockerfarbigen Streben. So würde ein Laie die Brückenkonstruktionen beschreiben, die den ICE in Zukunft sicher über den Main bei Wiesen bringen sollen. Die fachlich korrekte Bezeichnung kennt Jörg Börries, Leiter der Bauüberwachungszentrale für den Brückenabschnitt der ICE-Trasse im Maintal: "Es handelt sich um sogenannte Stabbogenbrücken, die jeweils 21,5 Meter hoch sind. Die Fahrbahn ist hängend unter den beiden Bögen angebracht." Bei der Deutschen Bahn sei dieser Brückentyp zum ersten Mal für die rund 300 Stundenkilometer des ICEs ausgelegt. Wichtig sei die Berechnung der Statiker, da bei einer Geschwindigkeit von 220 Stundenkilometern eine Resonanz entstehe, der die Brücke Stand halten muss.

Die ersten 18 Schwertransporte

Börries steht vor einem Konstruktionsplan im Infopunkt der Deutschen Bahn, bestehend aus

einer Gruppe roter Container auf einem Feld zwischen Wiesen und Nedensdorf. Zusammen mit Frank Kniestedt, Sprecher für Großprojekte der Deutschen Bahn, informiert er über den Stand der Bauarbeiten am Main, wo ab 2017 der ICE über zwei Brücken rasen soll. Ab Montag beginnt für die Brücken-Konstrukteure die heiße Phase. In 18 Schwertransporten werden die ersten Stahlträger des Mittelteils der Brücke angeliefert. Ihre Route: aus Norden vom Werk in Zwickau über die A 9, die A 70 und das Autobahnkreuz Bamberg bis zur Ausfahrt Ebensfeld. Dort angekommen, werden die Transporter ihre tonnenschwere Last über die Landstraße weiter schleppen. An Ebensfeld vorbei, geht es über Oberbrunn nach Wiesen, wo die Teile schließlich über den Main zur Baustelle gebracht werden.

90 Grad in Wiesen

"Knackpunkt für den Transport wird die Durchfahrt in Wiesen, aber ich habe keine Bedenken. Die Fachleute wissen, was sie tun", lautet die Einschätzung des DB-Sprechers. Zwar gebe es in Wiesen als einzige echte Engstelle eine rechtwinklige Kurve zu meistern, aber aufgrund der Erfahrung, die die Schwerlast-Spedition aus dem Landkreis Schweinfurt mitbringt, sei nicht mit Problemen zu rechnen. Zudem sei standardmäßig im Vorfeld die Strecke abgenommen und der Transport genehmigt worden. Dies diene schließlich auch der Beweisdokumentation, falls es im Nachhinein Beschwerden über mögliche Schäden geben sollte.

Die Route Oberbrunn-Wiesen habe sich als die beste erwiesen: Die Breite der Straße reiche aus, die Brücken seien belastbar genug. Eine Zufahrt ohne Mainüberquerung wäre über Unterzettlitz möglich gewesen, ist aber wohl wegen der dortigen Unterführung ausgeschieden.

Was rollt da also auf Oberbrunn und Wiesen zu? In den Nächten von Montag, 4. Februrar, bis Mittwoch, 6. Februar, werden die ersten Lastzüge passieren. In einer Nacht werden bis zu vier Schlepper fahren. Weitere Transporte sind vom 11. bis 13 März und vom 2. bis 5. April eingeplant.

Halbe Stunde für sieben Kilometer

"Wir rechnen mit der Ankunft bei der Anschluss-Stelle Ebensfeld nach Mitternacht", sagt Kniestedt. Genau könne man die Uhrzeit nicht sagen. Es komme ganz darauf an, wie schnell der Transport über die Autobahn von Zwickau gen Süden verläuft. Es sei auch nicht vorherzusagen, ob alle Schlepper im Konvoi ankommen, oder zeitlich etwas versetzt. Für die rund sieben Kilometer von der Autobahn bis zum Bestimmungsort am Main müsse man bis zu einer halben Stunde rechnen, schätzt Schwerlast-Spediteur Thomas Scheder. Die Fahrer könnten allerhöchstens 40 Stundenkilometer fahren. Das scheint immer noch relativ schnell dafür, was auf den Ladeflächen ruhen wird: Die stählernen Brückenteile wiegen zwischen 28 und 82 Tonnen und haben Spannweiten von bis zu 23 Metern. In die Breite gehen die Kolosse bis zu sechs Meter, so der Sprecher der DB.

Schilder werden abgebaut

Für Transporteur Scheder bedeutet so ein Schwertransport den Arbeitsalltag: "Wir schreiben den Kreisbauhof an, damit er in Wiesen vorübergehend Parkverbotszonen einrichtet. Wenn dort Autos stehen, kommen wir nicht durch." Andere Schilder müssten abgebaut werden, um nichts zu beschädigen. Und auch eine Polizei-Eskorte zur Absicherung muss Scheder noch beantragen.

Sind die Brückenbögen erst einmal am Bauplatz zwischen Wiesen und Unterzettlitz angekommen, geht die Schwerstarbeit weiter. In den kommenden Monaten setzt ein 500-Tonnen-Kran die Einzelteile zusammen.

"Spannend wird der Verschub", sagt Börries von der Bauüberwachung und meint damit den Moment, wenn so genannte Spannlitzen, also dicke Stahlseile, die Fahrbahn und die Seitenträger auf die Brückenpfeiler ziehen. Mit dem "Verschub" fange man Mitte des Sommers an. Bis der weiße Schnellzug über die zwei Brücken gleiten kann, ist also noch viel Gewicht zu bewegen: Insgesamt sind es rund tausend Tonnen.
Für die nächtlichen Schwertransporte bittet Kniestedt die betroffenen Anwohner und Autofahrer jetzt schon um Verständnis: "Es kommt sicher zu Störungen, aber ich denke, die Menschen verstehen, dass es nun einmal notwendig ist."

Bei Hans Bramann, dem Ortssprecher von Wiesen, liegt er damit jedenfalls richtig. Sicherlich werde der ein oder andere gestört werden. "Aber das geht ja auch wieder vorüber."
In Wiesen scheint man die anrollende Schwerlast also locker zu nehmen, auch wenn es ab August bis ins Jahr 2014 hinein immer wieder zu nächtlichen Besuchen der Brückenbrocken kommen wird.