Leider keine Zeitmaschine
"Ich würde mal gerne in eine Zeitmaschine steigen und zurückfahren um dabei zu sein", sinniert der gebürtige Münchener. Und obwohl sich der Mann mittlerweile eigentlich im Ruhestand befindet, spricht daraus eine ungebrochene Liebe zum Schaustellertum, seinem Wesen und auch seinen Anfängen. 1892 beispielsweise hatten seine Vorfahren auf dem Oktoberfest ein Velocipedum, ein Karussell, welches mit Beinmuskelkraft in Betrieb gehalten wurde. Oder die schwebende "Arche Noe's", von der gleichfalls eine alte Fotografie kündet.
An dieser Stelle fällt mir das Teufelsrad vom Oktoberfest ein, jene Drehscheibe, von welcher Menschen unter Lachen nach und nach abrutschen. Es tauchte mal prominent in einem spannenden Spielfilm auf und darauf angesprochen, schmunzelt Krug und hält fest, dass es entweder das seiner Eltern oder seines Onkels war.
Er tut es beiläufig, denn er selbst findet es ja nicht allzu erstaunlich. "Es gab immer wieder mal Dreharbeiten bei uns, so für Fernsehen und Nachrichten und so." Mit dem Teufelsrad, so erzählt Krug, ist er aufgewachsen. Es hat ihn begleitet, bis er 30 Jahre alt war. Dabei knipst er auf der Fernbedienung und so tauchen nacheinander weitere Karussells und Patriarchen seiner Familie auf, Mitarbeiter von einst, Onkel, Tanten, Großelterliche und seine Mutter.
Es fallen noch mehr Karussellnamen. Da wären eine Luftschiff-Schaukel namens Zeppelin, gebaut wohl bald nach 1900 und wohl auch nach familieneigenen Plänen. Zu sehen sind auch Losbuden und Besitzerstolz. Auf einem Foto stehen Männer schwarzweiß verewigt, und einer hält ein Schwungrad in Händen. Es gehörte zu einer Dampfmaschine, und wer hatte zu jener Zeit schon eine Dampfmaschine.
1,3 Millionen Besucher
Ein Bild macht besonders Eindruck. Es ist eine Fotografie einer "Schlangen-Farm" der Großeltern. 1 300 000 Besucher, so steht auf der Kulisse zu lesen, seien dort 1935 während der Weltausstellung in Brüssel eingelassen worden. "Meine Oma erzählte mir, da war eine Schlange, die konnte den Zoologen (ein Angestellter) nicht ausstehen (...) aber die war zu meiner Oma treu wie ein Hund." Die Oma, erzählt er weiter, habe die Schlange von quälenden Ekzemen befreit, das habe sie ihr nie vergessen.
Krug knipst weiter und nach und nach werden die Bilder bunt und die Fahrgeschäfte auch. Man ist jetzt in den 60ern, 70ern, die Ungetüme aus Stahl sind Einzelanfertigungen und wiegen 35 Tonnen. Aber mit denen hatte er ab 1974 dann auch weniger zu tun. Er begann mit dem Kandieren von Süßigkeiten und bekam einen Stand in der Olympiahalle. Dort erlebte er auch einiges: Pink Floyd, Fats Domino, The Who, Paul Simon, Tina Turner. Er sah Muhammad Ali boxen und brachte den Rolling Stones Süßes.
Früchte-Krug auf dem Schützenfest
Was sind Schausteller für Menschen? Rudi Krug braucht nicht lange nachdenken, um das zu beantworten. "Das sind arbeitsame Leute, die immer kreativ waren", lässt er wissen. "Ich habe gelernt, die Motoren zu zerlegen, ich habe Schweißen gelernt, Elektrik - man hat viel mit den Augen gelernt."
Das Auf und das Ab dieser Branche haben die Generationen der Linien Feldl und Hüttemann und jetzt auch Krugs auch zu spüren bekommen. Zwei Weltkriege machen etwas mit einem Geschäft. Dann zeigt Krug das Foto eines Grabes. Es liegt in bei Kreuznach, dort kam ein Opa 1935 unter die Räder einer Zugmaschine. Sein Sohn verunglückte im vergangenen Jahr, Glück im Unglück.
Was zur nächsten Frage führt - sind Schausteller Optimisten? "Ja klar, wenn ich kein Optimist wäre, würde ich die Flinte ins Korn werfen." Eigentlich habe er sich zur Ruhe setzen wollen, aber nun wird er doch noch ein wenig länger arbeiten.
Seit 1983 ist Früchte-Krug ein Begriff auf dem Lichtenfelser Schützenfest. Ohne ihn, so hieß es von allen Seiten, hätte es dieses Mini-Volksfest gar nicht erst gegeben. Er selbst war die Nummer 7 der Schausteller-Generationenfolge, seine Söhne Simon und Josef sind die Nummer 8. Es gibt viel zu erzählen.