Druckartikel: Suche nach den Bildern eines Lebens

Suche nach den Bildern eines Lebens


Autor: Matthias Einwag

Bad Staffelstein, Dienstag, 02. April 2019

Das Areal des einstigen Brauerei-Gasthofes "Zum Schwarzen Bären" soll umgestaltet werden. Doch wer kann sich noch an dessen früheren Eigentümer erinnern - an Franz Kraus, im Volksmund "Bären-Franzer" genannt?
Franz Kraus auf einem Bild, das kürzlich bei der Entrümpelung des "Schwarzen Bären" gefunden  und von Stadtarchivarin Adelheid Waschka für das Museum vereinnahmt wurde.Jana Jakob


Von den älteren Staffelsteinern kennen die meisten noch den Namen "Bären-Franzer". Und von jenen, die den Gastronom Franz Kraus persönlich kannten, kann fast jeder eine Anekdote über ihn erzählen. Doch was ist Fakt, was Fiktion? In einem Porträt möchte die Kulturinitiative (KIS) all das festhalten, was über diesen Staffelsteiner Sonderling fassbar ist. Deshalb sucht die KIS Menschen, die über den "Bären-Franzer" erzählen können.

Moderne Kleinstadt-Mythen

Präsent ist die Person von Franz Kraus in der Stadt vor allem mit einer Geschichte, die von jedem ein wenig anders erzählt wird: Eines Tages war der Bären-Franzer zu einem Autohaus nach Bamberg gefahren und sah sich dort interessiert die Limousinen der Oberklasse an. Ein Verkäufer, der die Kaufkraft offenbar an der äußeren Erscheinung des nicht gerade sehr modebewussten Staffelsteiners maß, bat den Franzer, die Verkaufshalle zu verlassen, weil er sich ein Auto dieser Preisklasse doch ohnehin nicht leisten könne. Der so angesprochene Franzer geriet in Rage und widerlegte das Vorurteil umgehend. Zornig, so wird kolportiert, habe der Franzer daraufhin einen Berg großer Banknoten aus seiner Plastiktüte auf den Tisch geleert: "Dass der's ner wisst: Des Geld hätt' ihr haben könna - aber jetz' nämm ich's widder mit!"

Hermann Hacker, der Vorsitzende der KIS, möchte das Andenken an Menschen wie Franz Kraus erhalten. "Der Bären-Franzer oder der Borscht werden als Originale angesehen, obwohl sie tatsächlich weder typisch für Staffelstein sind, noch Eigenschaften besitzen, die man als positiv herausstellen müsste." So sei etwa der Gastwirt und Brauer Rudolf Meixner (+), genannt "der Borscht", widerspenstig, eigensinnig und nicht wirklich gastfreundlich gewesen, erinnert sich Hacker. Wer dem Wirt nicht gefiel, der habe kein Bier bekommen - das war so die herausragende Eigenschaft. Der Borscht sei überdies nicht willens gewesen, sich an die sich ändernden Gegebenheiten anzupassen und damit den eigenen Bestand nachhaltig zu sichern.

Die äußere Erscheinung

Der Bären-Franzer habe eine Traditionswirtschaft mitten im Zentrum besessen, die zudem genügend Platz für die Brauerei bot und der vormals eine Landwirtschaft angegliedert war. Der Franzer sei den Staffelsteinern ebenfalls als extrem eigensinnig, unangepasst, mit schlechten Umgangsformen und immer in vernachlässigter Arbeitskleidung in Erinnerung.

Aber er sei zugleich arbeitsam, tüchtig und reich gewesen. So hatte er sich zum Beispiel rund 30 bis 40 Hektar Wald zusammengekauft, wobei ihm nachgesagt wurde, dass er gar nicht wisse, wo seine Waldflächen eigentlich alle sind. Reich - aber ein Mensch wie du und ich - und dazu etwas verschroben, "das führt zu Legendenbildung". "Wenn man die Sache klar durchdenkt, ist es unmöglich, ihn als Original mit gewissem Vorbildcharakter zu bezeichnen", fährt Hermann Hacker fort.

Betrachtet man das im Jahr 2000 erschienene Buch "Staffelsteiner Menschenbilder", so sind darin fast ausschließlich Personen porträtiert, die in Politik, Wirtschaft oder Kultur zwar Besonderes geleistet haben, dies aber aus Berufsgründen taten und dafür gut oder sehr gut bezahlt wurden. "Personen mit ähnlichen Fähigkeiten, die dies nicht aus Berufsgründen tun, werden oft als Laien oder Amateure abgetan", sagt Hacker.

Profis und Amateure

"Ein Beispiel ist hier Michael Bäumler, der eine extreme Artenkenntnis in der Biologie besitzt, dazu eine umfassende Kenntnisse der Zusammenhänge in der Natur, die von keinem im Landkreis nur annähernd erreicht wird", ergänzt der KIS-Vorsitzende. "Falls aber diesbezügliche Themen im Landkreis anstehen, sprechen nur die Profis, etwa die Fachkräfte des Landratsamtes. Michael Bäumlers Meinung interessiert niemanden, da er ja nur Amateur ist. Diese Einstellung zieht sich durch die ganze Gesellschaft."

"Ich sehe es als notwendig an, solche Menschen herauszustellen, die sich durch ihr Naturell oder die Umstände nicht selbst in den Vordergrund stellen oder gestellt werden", fährt er fort. Interessant seien in seinen Augen Menschen wie Josef Motschmann (+), Alfred Meixner (+) - oder Michael Bäumler: "Sie verdienen nichts damit, im Gegenteil, sie investieren viel Geld, um eine für die Gesellschaft kostenlose Leistung zu bringen, welche im Extremfall sogar oft völlig missachtet wird."

Sich um die Geschichte der Juden am Obermain zu kümmern (wie Motschmann), ein Stadtmuseum aufzubauen (wie Meixner) oder Fachmann für Artenkenntnis zu sein (wie Bäumler), seien leider ausgefallene Fachgebiete, die nur einen kleinen Kreis wirklich interessiere.

"Menschen wie Josef Motschmann, Alfred Meixner, Michael Bäumler, Michael Diller oder Bernhard Christoph sind für mich Originale, Vorbilder. Ich denke, sie sterben nicht aus, aber es bedarf Anstrengungen, sie auch in der Öffentlichkeit als solche sichtbar zu machen. Sie sind die wahren Promis, nicht die Typen wie Boris Becker und all die anderen, die ja nur zu Promis gemacht werden, weil man bei ihnen viel Geld vermutet und weil sie zusätzlich irgendwelche absonderliche Meinungen vertreten."

Suche nach Außergewöhnlichem

Deshalb sucht die KIS nach weiteren Menschen, die etwas Außergewöhnliches geleistet haben und deren Leben in den nächsten Jahren in Form eines Porträts beschrieben werden sollte. "Meist stößt man ganz zufällig auf sie. Aber dieses Besondere macht auch ihren Charme aus", sagt Hermann Hacker.

Wer kann etwas über den Bären-Franzer erzählen?

Aufruf Die Kulturinitiative Staffelstein (KIS) möchte in einem Porträt an den Bären-Franzer erinnern. Die Skizze soll im nächsten Buch der KIS abgedruckt werden, das im Herbst erscheinen wird. Dafür sucht die KIS Staffelsteiner, die den Bären-Franzer persönlich kannten und etwas über sein Leben beisteuern können. Auf Wunsch wird auch darauf verzichtet, dass die Zeitzeugen namentlich im Buchbeitrag in Erscheinung treten.

Kontakt Wer mitmachen möchte, der wende sich an KIS-Vorsitzenden Hermann Hacker (Mail: hermann-heinrich.hacker@t-online.de).