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Sportschützen: Wie gefährlich sind Bleidämpfe?


Autor: Maximilian Glas, Peter Groscurth

LKR Lichtenfels, Mittwoch, 15. Juni 2016

Mediziner warnen vor erhöhten Bleiwerten im Blut von Sportschützen, die durch Dämpfe entstehen. Schützenmeister aus dem Kreis Lichtenfels nehmen Stellung.
Sportschützen könnten beim Schießen in geschlossenen Hallen gefährdet sein. Foto: empathie-concept


Sportschützen sind Studien zufolge oft stark mit dem giftigen Schwermetall Blei belastet. Forscher des Klinikums der Universität München haben bei Kleinkaliber- und Großkaliber-Schützen Mittelwerte von 114 bis 136 Mikrogramm Blei pro Liter Blut gemessen. Einzelne Probanden erreichten sogar Spitzenwerte von rund 500 Mikrogramm Blei pro Liter Blut.

Rudolf Schierl vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin bestätigte entsprechende Medienberichte. Demnach müsse ab einem Wert von 250 Mikrogramm Blei pro Liter Blut laut Umweltbundesamt mit akuten Gesundheitsschäden gerechnet werden. Normal sei ein Wert von etwa 30 Mikrogramm.

Auch eine bislang unveröffentlichte Untersuchung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) in Erlangen ergab nach Angaben eines Behördensprechers, dass auch bei jugendlichen Schützen, die nur mit Luftdruckwaffen schießen dürfen, die Bleiwerte leicht erhöht sind. "Das sind keine Werte, die jetzt eine akute Vergiftung nach sich ziehen würden. Aber das sind Werte, die langfristig unerwünscht sind - insbesondere für kritische Bevölkerungsschichten wie Jugendliche, aber auch Frauen im gebärfähigen Alter", sagt Hermann Fromme vom LGL. Die Forscher fanden heraus, dass das Blei beim Abschießen der Munition freigesetzt wird. Beim Einatmen gelangt es in die Bronchien und über die Lunge ins Blut. Messungen ergaben, dass sich der Blei-Wert im Blut der Schützen binnen einer Stunde fast vervierfachte, bei Zuschauern im selben Raum verdoppelte.


Atemmasken beim Schießen?

Experten raten daher, dass Sportschützen keine bleihaltige Munition mehr verwenden sollten. Außerdem sollten an den Schießständen effektive Lüftungsanlagen eingebaut werden. Kurzfristig könnten auch Atemmasken Schutz bieten. Sportschützen zukünftig mit Atemmasken vor dem Mund? Ein kurios anmutendes Bild, das aber seine Wirkung erzielen könnte. "Für Leute, die exzessiv schießen, wäre eine Staubmaske oder ein Mundschutz als Präventionsmaßnahme gar nicht so verkehrt", sagt Michael Gareiß, Erster Schützenmeister beim Freihand-Schützenverein Bad Staffelstein. Erhöhte Bleiwerte kann sich Gareiß bei Sportschützen, die einmal die Woche aktiv sind, nicht wirklich vorstellen. Im Gegensatz zu Luftgewehren sei die Gefahr aber bei Klein- und Großkaliber-Geschossen deutlich höher. "Trotz eingebauter Absaugungsanlage kann der Bleiwert bei Schützen, die täglich schießen, ohne Weiteres etwas erhöht sein", erklärt er. Dass Blei gesundheitsgefährdend sein kann, musste Gareiß in seinem Berufsleben erfahren. 20 Jahre war er in einem Fertigungsbetrieb täglich Bleistaub ausgesetzt - die Blutwerte waren dementsprechend erhöht. Auf ärztlichen Rat suchte sich Gareiß eine neue Stelle. "Das waren aber Größenordnungen, die bei Sportschützen nicht vorstellbar sind", fügt er an.

Jutta Beierlipp, Erste Schützenmeisterin der Schwürbitzer Schützen, hat die Blei-Diskussion selbst erst in der vergangenen Woche in der Presse wahrgenommen und hält diese für etwas aufgebauscht: "Ich kann mir das eigentlich nicht vorstellen, man hat ja in der Regel auch nicht jeden Tag ein Gewehr in der Hand." Dazu verweist sie darauf, dass in Schwürbitz meist nur Luftgewehre und keine Bleigeschosse benutzt werden.


Lüftungsanlagen vorgeschrieben

Für Uwe Matzner, den Zweiten Schützenmeister der Scharfschützengesellschaft Lichtenfels, sind die Debatten nicht neu. Seit einiger Zeit verfolgt er die Meinungen von Ärzten und anderen Experten in Internetforen. "Ein abschließendes Bild habe ich mir selbst noch nicht gemacht", sagt er. Matzner merkt an, dass potenzielle Bleidämpfe sowieso nur in Raumschießanlagen zum Problem werden können. Offene Schießstände wie es sie beispielsweise in Coburg oder Bamberg gibt, sind von den Gefahren ausgeschlossen. Um die Gefahren auch in geschlossenen Hallen zu minimieren, sind bei der Errichtung von neuen Schießständen mittlerweile spezielle Lüftungsanlagen vorgeschrieben. Vorschriften, die nicht für alle Vereine machbar sind. Dieser Meinung ist zumindest Matzner. "Das geht es um eine sechsstellige Summe, das ist von kleineren Vereinen nicht zu stemmen", sagt er. "Die gehen von heute auf morgen pleite und müssen den Schießsport einstellen."

In Lichtenfels ist seit 2000 eine solche Lüftungsanlage im Schießstand eingebaut. "Die Kolbendruckanlage schiebt die Luft an den Schützen vorbei und saugt sie dann ab", so Matzner. Der Bleistaub entstehe in zwei Phasen, wobei beim Abschuss der Munition nur ein kleiner Teil freigesetzt werde. Der weitaus größere Anteil an Bleistaub entstehe erst beim Zerstäuben der Projektile am Kugelfang. In Lichtenfels passiere das in 100 Metern Entfernung zum Schützen. Matzner: "Dass da etwas zurückkommt, halte ich für fast ausgeschlossen."
Der Bayerische Sportschützenbund teilte jedenfalls mit, es lasse sich aus den Studien kein belastbarer Zusammenhang zwischen Ausübung des Schießsports und höheren Bleibelastungen der Schützen im Vergleich zu Nichtschützen ableiten. Der Verband kritisierte zudem, eine der Untersuchungen komme zu "widersprüchlichen Ergebnissen". Zudem mangele es ihr bei der Betrachtung erwachsener Schützen an einer Kontrollgruppe. Die neuen Vorschriften zu Lüftungsanlagen in geschlossenen Schießstätten trügen zudem dem Schutz der Sportler bereits Rechnung.



So gefährlich ist Blei:


Gift Blei ist ein gefährliches Gift, das die Blutbildung und das Nervensystem schädigt. Besonders schlimm ist die Wirkung auf Kinder, weil die Folgen oft nicht rückgängig gemacht werden können.

Forscher Auf welche Weise das Metall seine Wirkung im Detail entfaltet, haben Forscher um Olivier Parisel von der Uni Paris untersucht. Demnach verändert Blei wichtige Eiweiße in ihrer Form. Damit können sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen mit negativen Folgen. pg