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Zu Gast im Wohnzimmer des FC Lichtenfels


Autor: Martin Kreklau

Lichtenfels, Mittwoch, 11. Mai 2016

In Lichtenfels kann man im Karl-Fleschutz-Stadion Platz nehmen, wo einst die Hausherren dem ruhmreichen "Club" mit Max Morlock alles abverlangten.
Das Lichtenfelser Karl-Fleschutz-Stadion ist ein Fleckchen für Fußball-Romantiker. Vorsitzender Thomas Neckermann fühlt sich wohl im Wohnzimmer seines Vereins: "Es hat ein bisschen englisches Flair", sagt der 52-Jährige. Fotos: Martin Kreklau


Das Wetter hat etwas klischeehaft Britisches an diesem kühlen Frühlingsmorgen: Es ist trüb, neblig und es nieselt gerade so viel, dass es unangenehm ist. Perfekte Voraussetzungen also für einen Rundgang im Karl-Fleschutz-Stadion in Lichtenfels.

Thomas Neckermann wartet bereits. Der 52-Jährige lehnt lässig am Türrahmen des Eingangs zum Klubheim. Auf seinem grauen Pullover, der unter der aufgeknöpften Lederjacke hervorlugt, sind in Rot vier Zahlen zu lesen: 1906, das Gründungsjahr des FC Lichtenfels, dessen Vorsitzender Neckermann ist. In zweiter Generation kann man sagen, denn bereits sein Vater Udo lenkte über viele Jahre die Geschicke des Vereins.


Im Stadion daheim

Wenn Neckermann lockeren Schrittes durch das Stadion schlendert und beiläufig, fast zärtlich, die Bande berührt, spürt man, dass er sich wohl fühlt, dass er hier zu Hause ist.
"Ja, das Klischee stimmt schon", sagt er, "unser Stadion ist so ein bisschen wie unser Wohnzimmer." Ob es in der Region etwas Vergleichbares für ihn gebe? Er überlegt lange, murmelt ein paar Namen: "Nein. Eigentlich nicht."

Der erste Bau am Sportplatz stammt aus dem Jahr 1930, doch knapp 30 Jahre später wurde klar, dass das Gebäude als Sportheim den Ansprüchen des damals äußerst erfolgreichen Vereins nicht mehr gerecht wird. Es folgten die überdachten Sitzplätze (1960), ein neues Klubhaus (1965) und eine überdachte Stehtribüne für 4000 Zuschauer (1966). Am Bau beteiligte sich - neben der Stadt Lichtenfels und dem Verein - zu einem erheblichen Anteil Vereinspräsident Karl Fleschutz, ein Polsterfabrikant aus Lichtenfels, dessen Namen das Stadion heute trägt. Ein weiterer Beleg dafür, dass das fußballerische Mäzenatentum keine Erfindung der Moderne ist.


Keine ruhige Minute

Neckermann spaziert an den Stehplätzen entlang, der Regen fließt sturzbachartig von der Überdachung, auf der seit einigen Jahren Photovoltaik-Anlagen angebracht sind. "Insgesamt passen 6000 Zuschauer ins Stadion, aber es waren auch schon über 8000 drin", sagt er. Damals, als sein Vater noch als aktiver Fußballer gegen den 1. FC Nürnberg im DFB-Pokal spielte. Wegen der 8500 Zuschauer musste die Polizei den Platz sperren. Beim "Club" stand noch Max Morlock auf dem Feld - vielleicht war das ein Grund dafür, dass der FCL die Partie mit 1:5 verlor und ausschied.

Neckermanns Vater Udo war mit 900 Partien einer der fleißigsten Spieler des Vereins überhaupt, sein Sohn steht ihm mit 700 Einsätzen nur wenig nach. Die Arbeit für den FCL ist eine Art Familientradition. Neckermanns größter Erfolg war der Aufstieg in die Landesliga 1991. "Wir haben das im Spiel gegen den ATS Kulmbach klar gemacht, vor 2500 Zuschauern. Da bekommt man als Amateurfußballer Gänsehaut. Aber unser Stadion macht auch schon mit 500 Zuschauern Spaß, denn bereits dann gibt es eine entsprechende Lautstärke und eine entsprechende Atmosphäre", sagt Neckermann. Von seinem persönlichen sportlichen Erfolg ist nicht viel geblieben: "Wir sind im nächsten Jahr sang- und klanglos wieder abgestiegen."

Der Rundgang ist fast beendet, letzte Station ist die Gaststätte im oberen Stockwerk des Klubheims. "Hier gibt es immer etwas zu tun", sagt Neckermann, als er seinen Blick vom Balkon durch das Stadion schweifen lässt, als hielte er Ausschau nach den tausenden Besuchern vergangener Tage.

Heute kommen im Durchschnitt noch 200 Zuschauer nach Lichtenfels. Klar, das Freizeitangebot ist größer als früher, und die ganz großen Tage des Vereins liegen lange zurück. Doch das Karl-Fleschutz-Stadion ist einen Besuch wert. Es ist ein Plätzchen für Fußball-Romantiker, das an eine Zeit erinnert, als große Fußballer noch Menschen waren und keine Marken.