Lichtenfelser wird vom Marathonläufer zum Trail-Runner
Autor: Martin Kreklau
Lichtenfels, Dienstag, 18. August 2015
Der Lichtenfelser Volker Fritsche wurde vom Marathonläufer zum Trail-Runner - und aus 42 Kilometern wurden 330. In unserer Serie stellen wir außergewöhnliche und erfolgreiche Laufsportler aus dem Raum Lichtenfels vor.
Volker Fritsche lebt in Lichtenfels und arbeitet in Coburg. Für die knapp 50 Kilometer hin und zurück würden die meisten wohl auf das Auto zurückgreifen oder zumindest auf das Fahrrad. Nicht so Fritsche: Er läuft die Strecke häufig, um zu trainieren - denn solche Strecken sind für ihn keine Herausforderung. Im Interview erklärt er warum.
Trail-Running ist eine außergewöhnliche Sportart. Wie kommt man darauf?
Volker Fritsche: Das hat sich bei mir aus dem Triathlon heraus entwickelt. Aus dem Triathlon ist Marathon geworden und dann noch längere Strecken - und die dann auch von Anfang an im Gebirge, meistens irgendwo im Alpenraum. Angefangen hat es 2002. Da habe ich zufällig eine Ausschreibung in die Hand bekommen über den "Swiss Alpine", einen 78-Kilometer-Lauf in Davos, und da war ich neugierig, ob ich so etwas schaffe.
Und, haben Sie es geschafft?
Ja, das hat eigentlich ganz gut geklappt. Und von da an hat es mich immer mehr in diese Richtung gezogen. Ich fand es spannender, als Marathon in Städten zu laufen, wo man nur irgendwelchen Bestzeiten hinterhergerannt ist und nicht dieses Abenteuer, dieses Erlebnis wie im Gebirge hatte. Die Natur und das ganze Drumherum spielt dabei eine größere Rolle, als die Zeit am Ende.
Ich bin dann eine Weile Marathon im Gebirge gelaufen. Irgendwann kam ein Arbeitskollege, der auch Läufer ist, und wir haben in einer Laufzeitung gelesen, dass es einen Lauf gibt, der einmal um den Mont Blanc herumführt - 160 Kilometer über 9000 Höhenmter. Ich hatte davon bereits ein Jahr vorher gelesen und mir gedacht: So ein Irrsinn. Wer macht denn sowas? Doch dann haben wir es probiert. Der Kollege hatte dann keine Zeit, und ich musste allein dorthin. Trotzdem hat alles geklappt. Von den 2300 Startern kam gerade einmal die Hälfte ins Ziel - und ich lag auf Platz 55. Das war mein erster, richtig langer Trail-Lauf. Und danach hat es mich dann komplett erwischt, kann man sagen. Seitdem mache ich fast nur noch solche Läufe.
Was ist für Sie der besondere Reiz beim Trail-Running?
Es ist die Mischung aus Bergsteigen und Laufen, Naturerlebnis und Wettkampf. Mit diesen Ultra-Trail-Läufen kann man das alles wunderbar verbinden. Man darf sich das nicht so vorstellen, dass wir diese Strecken komplett rennen. Da ist auch viel marschieren dabei, da manche Anstiege so steil sind, dass man sie gar nicht rennen kann. Aber Wandern würde ich es nicht nennen, denn selbst wenn man gehen muss, macht man es so schnell wie möglich.
Wie sieht die Ausrüstung eines Trail-Läufers aus?
Zunächst braucht man entsprechend profilierte Trail-Schuhe. Im Gebirge ziehe ich dann am liebsten Dreiviertel-Laufhosen an, verbunden mit Kompressionsstrümpfen. Beim Shirt trage ich ein kurzärmliges Hemd, mit Armstücken, die man überstreifen kann, wenn es kalt wird. Es ist aber immer auch vom Wetter abhängig. Immer dabei sind Stöcke, da sie bergauf und -ab die Beine entlasten. Vom Veranstalter ist zudem eine Pflichtausrüstung vorgeschrieben: eine wasserdichte Jacke, einen langen Pullover und eine lange Hose, Mütze, Handschuhe, Verbandszeug sowie eine Rettungsdecke. Zudem kann man bis zu eineinhalb Liter Flüssigkeit mit sich führen. Insgesamt hat die Ausrüstung ein Gewicht von drei bis fünf Kilo. Aber da wird natürlich um jedes Gramm gefeilscht. Wenn der Veranstalter vorschreibt, dass der Pullover mindestens 180 Gramm wiegen muss, dann sucht man keinen der 190 Gramm wiegt. Und beim Rennen merkt man den Unterschied tatsächlich.
Für einen solchen Lauf brauchen Sie knapp 30 Stunden - wie halten Sie das durch?
Man muss es wollen, das ist schon sehr viel Kopfsache. Und ich glaube man muss auch viel Spaß dabei haben - das ist bei mir der Fall. Es ist aber auch eine Motivationsfrage. Ich habe einmal bei einem 200-Kilometer-Lauf mitgemacht und hatte bereits vorher keine rechte Lust. Vor Ort habe ich mich dann mit einem Münchner zusammengetan, der ähnlich wenig motiviert war wie ich. Nach 120 Kilometern haben wir beschlossen, noch bis zur nächsten Station zu laufen, unsere Nummern abzugeben und wieder nach Hause zu fahren. Das haben wir dann auch gemacht - und es ärgert mich bis heute. Weil es war keine wirkliche Not, es war nur Lustlosigkeit. Aber da tut man sich dann wirklich schwer. Auf der anderen Seite merkt man sich das für das nächste Mal, und das hilft einem dann auch über einen solchen Punkt hinweg.
Was war ihr längster Lauf bisher?
Über die Jahre habe ich mehrere solcher Strecken zwischen 100 und 160 Kilometer gemacht. Aber es gibt eben immer noch eine Veranstaltung, die noch länger ist. Ich habe dann von einem Lauf im Aosta-Tal erfahren, dem "Tor des Géants" (Tour der Giganten, Anm. d. Red.), der über fünf Tage, 330 Kilometer und 24 000 Höhenmeter geht. Im ersten Moment dachte ich: Das machen doch nur Spinner. Ein Jahr später habe ich mich dann angemeldet.
Bei fünf Tagen sind doch aber hoffentlich Schlafpausen eingeplant?
Ja, natürlich. Bei dem Lauf gibt es sechs große Stationen. Dort sind Feldbetten und Zelte aufgebaut, wo man eine Decke bekommt und schlafen kann. Es gibt eine Zeitvorgabe von 146 Stunden und sogenannte Cut-off-Zeiten, also die Zeit, in der man die nächste Station erreicht haben muss. Dazwischen kann man sich alles frei einteilen. Ich war 128 Stunden unterwegs, in den Stationen habe ich davon insgesamt etwa 24 Stunden verbracht. Davon entfällt aber nicht alles aufs Schlafen. Man isst, duscht sich, lässt sich behandeln - und unterhält sich natürlich auch mit anderen Läufern.
Wie oft und intensiv muss man trainieren, um solche langen Strecken zu schaffen?
Als ich das erste Mal am Mont Blanc dabei war, hatte ich einen riesigen Respekt und habe wie ein Wahnsinniger trainiert - da bin ich an vier Tagen in der Woche von Lichtenfels nach Coburg und zurück gelaufen. Am Wochenende bin ich dann ab und zu einfach so einen Marathon gelaufen. Vor dem Tor de Géants war ich verletzt und konnte nicht richtig trainieren, bin aber trotzdem angekommen - natürlich am unteren Ende der Rangliste. Inzwischen habe ich das Training wieder ein wenig reduziert.
In der nächsten Folge geht es um Nachwuchs-Leichtathletin Sophia Franz.