Ein Dorf feiert sein Jugendteam
Autor: Udo Schilling
Michelau, Dienstag, 30. Juni 2020
Im Jahr 1970 qualifiziert sich die A-Jugend des FC Michelau für die bayerische Meisterschaft. Der Finaleinzug wird knapp verpasst. Die jungen Männer werden von der Euphorie ihrer Fans getragen. Platz 3 wird wie der Titelgewinn gefeiert.
Eingeschworene Gemeinschaften, über Jahre gewachsene Mannschaften, Spieler, die alle aus einem Dorf kommen - das gibt es in der heutigen Zeit kaum mehr. Kommt dann noch eine Portion Talent und Euphorie dazu, kann etwas Großes entstehen. So passierte es in den 60er Jahren in der oberfränkischen Korbmachergemeinde Michelau. Die Cinderella-Story endete 1970, als die A-Jugend-Fußballer des FC Michelau an der bayerischen Meisterschaft teilnahmen und dort den dritten Platz belegten.
Die Kicker aus dem 4000-Seelen-Ort trafen damals im Halbfinale auf den TSV 1860 München. Bayerischer Meister wurde der 1. FC Nürnberg.
Treffen des Erfolgsteams vertagt
Dieses Ereignis hat sich dieser Tage zum 50. Mal gejährt. Bernd Rosenbauer, damals der Jüngste im Team, hätte gerne seine damalige Mannschaft versammelt, doch die Corona-Pandemie lässt ein Treffen zurzeit nicht zu. "Vielleicht gelingt es uns ja in den nächsten Monaten, wenn es die Hygiene-Vorschriften zulassen, einen Termin zu finden", sagt der noch immer in Michelau wohnende Rosenbauer. Zwei Teamkollegen sind inzwischen verstorben, doch die meisten seien an einem Revival interessiert, sagt er.
Die Geschichte der Michelauer A-Jugend beginnt schon Jahre vor 1970. Die Jungs gingen fast alle gemeinsam in die Schule und trafen sich nachmittags zum Kicken. "Wir waren echte Straßenfußballer, die sich irgendwann beim FC Michelau zusammentaten und -wuchsen."
Ein Übriges tat damals der Trainer der Michelauer Männermannschaft dazu. Jackl Müller, der als Spieler deutscher Meister mit Mannheim geworden war und bereits als Trainer in Bamberg wirkte. Er nahm auch die A-Jugend unter seine Fittiche. "Ein harter Hund, der keinen Widerspruch duldete und die Mannschaft schliff", beschreibt Rosenbauer den Trainer, der den Ehrgeiz der Jungs geweckt hat. "Der Siegeswillen war da, wir haben nicht mehr nur zum Spaß gespielt." Der Vorsitzende Martin Backert sagte damals: "Ich kann mich nicht erinnern, dass ein Spieler in der Saison einmal beim Training ohne triftigen Grund gefehlt hat."
In der Saison 1968/69 wurde die Mannschaft bereits Meister in der Bezirksliga Oberfranken West, unterlag damals aber im Bezirksfinale dem Ost-Meister ATS Kulmbach mit 0:3. Bis auf einen Spieler trat das Team auch im folgenden Jahr wieder in der A-Jugend an und wurde dank starker Offensive (95 Tore in 22 Spielen) erneut West-Meister in Oberfranken mit zwei Punkten Vorsprung vor dem ruhmreichen 1. FC Bamberg. So knapp wurde es aber nur, weil das Team bereits als Meister feststehend seine letzte Partie beim FC Bischberg mit 0:1 verlor. "Das war unser schlechtestes Spiel in diesen zwei Jahren", erinnert sich Rosenbauer, der von Halbstürmer auf Sonderbewacher umgeschult wurde, 50 Jahre später.
Die Begeisterung in der Korbmachergemeinde war zu diesem Zeitpunkt schon riesig. Der Nachwuchs hatte oft mehr Zuschauer als das Herrenteam. Und die Euphorie stieg noch mehr. Zum Bezirksfinale gegen den FC Bayreuth pilgerten 700 Zuschauer nach Burgkunstadt, 400 davon waren Michelauer. Innerhalb von 13 Minuten schenkten die Michelauer den Bayreuthern vor der Pause vier Tore ein und zogen mit dem 4:1 ins Viertelfinale ein.