Bambergerin in Paris: Stadionbesuch wird zum Alptraum
Autor: Martin Kreklau
Bamberg, Montag, 23. November 2015
Eigentlich wollte eine 26-jährige Bambergerin gemeinsam mit Freunden und ihrem Vater einen schönen Abend beim Länderspiel Frankreich gegen Deutschland im Stade de France verbringen - doch was sie erlebte, raubt ihr noch immer den Schlaf.
Es ist zwar schon eineinhalb Wochen her, doch Jana Uhl schläft nach ihren Erlebnissen in Paris noch immer schlecht. Das Einschlafen fällt ihr schwer, manchmal schreckt sie mitten in der Nacht hoch. Dabei sollte es eine schöne Reise werden, wie jedes Jahr, wenn sie gemeinsam mit ihrem Vater Bekannte in der französischen Hauptstadt besucht.
Es war der Morgen des Freitags, dem 13. November, als Jana mit einer Freundin durch die Pariser Straßen schlenderte. Zu diesem Zeitpunkt kam ihr noch alles normal vor, es herrschte geschäftiges Treiben. "Das einzige, was mir aufgefallen ist, war, dass vor vielen Gebäuden Polizisten mit Maschinenpistolen standen. Ich habe mir aber nichts weiter dabei gedacht. Ich hatte vorher gelesen, dass ein Staatsoberhaupt aus dem Nahen Osten in Paris zu Gast sein sollte", sagt Jana.
Abends ging es dann in Richtung Stadion. Die Anfahrt dauerte länger als geplant, und so stiegen die Mädchen vor dem Stadion aus, um noch rechtzeitig am Platz zu sein, während sich Janas Vater und ein Bekannter auf die Suche nach einem Parkplatz machten. Die beiden erreichten ihre Plätze im Stade de France erst ein paar Minuten nach Anpfiff. "Sie saßen gerade erst einen Moment, da war im Stadion ein lauter Knall zu hören", berichtet Jana, "wir haben dann noch Witze gemacht, dass es klingt wie auf dem Jahrmarkt."
"Wir sind wohl im Krieg"
Als die zweite Detonation zu hören war, sei ein französischer Spieler auf dem Feld für alle sichtbar erschrocken zusammengezuckt. "Wir haben uns zu diesem Zeitpunkt aber noch nichts weiter dabei gedacht. Mein Vater sagte noch ,Wir sind wohl im Krieg'", sagt Jana. Die Tragweite seiner Worte sollten ihm erst wenige Stunden später bewusst werden. Den dritten Knall ignorierten die meisten und konzentrierten sich auf das Fußballspiel. "Wir saßen im französischen Block, vor uns waren Araber, hinter uns Franzosen. Die haben sich amüsiert, dass wir uns für die andere Mannschaft gefreut haben", erzählt Jana. Ein normales Fußballspiel also. Doch ab der 80. Minute sahen die Bamberger, wie sich die Oberränge auf der gegenüberliegenden Seite langsam leerten. Auf der Videowand sei dann angezeigt worden, dass es auf einem Parkdeck zu einem "Zwischenfall" gekommen sei und die betroffenen Zuschauer - darunter auch Jana und ihre Gruppe - einen anderen Ausgang nehmen sollten. Weitere Informationen gab es nicht. Auch nicht über das Smartphone, denn das Netz war überlastet.
"Das Spiel lief inzwischen schon deutlich länger als 90 Minuten, aber es wurde keine Nachspielzeit angezeigt. Langsam dämmerte uns, dass da irgendetwas nicht stimmt", sagt Jana. Sie gingen Richtung Ausgang und konnten auf dem Weg von oben einen Blick auf die Straßen werfen. Was sie sahen, war schockierend: "Es war eine große Straße, breiter als der Berliner-Ring in Bamberg - und überall waren Menschen. Viele haben geweint oder geschrien, manche sind weggerannt. Wir haben dann gesehen, dass die Leute auch nicht aus dem Stadion rausgegangen sind, sondern zurück nach innen auf das Feld."
Als eine SMS aus Deutschland ankam, die die Worte Anschlag, Schüsse und Tote beinhaltete, machte sich Angst breit. "Wir sind gelaufen wie jemand, der auf der Flucht ist, aber nicht will, dass es jemand merkt." Schließlich wurden Jana und die anderen zu einem Ausgang hinausgelassen und erreichten über die Katakomben ihr Auto.
Als sie zurück in Sicherheit waren und über Fernsehen und Internet erste Informationen bekamen, was sich eigentlich abgespielt hatte, stellte sich bei Jana das Gefühl ein, großes Glück gehabt zu haben: "Wenn mein Vater nur noch eine Minute später gekommen wäre, wäre er direkt neben einem der Attentäter gestanden." Eine Situation, die sie sich lieber nicht vorstellen möchte. Es dauerte nicht lange, da erreichten sie viele Nachrichten aus Deutschland, auch Janas beste Freundin rief unter Tränen an.
Ein Schatten über Paris
Am nächsten Tag war Paris eine andere Stadt. Die 26-Jährige fuhr mit ihrer Freundin zum Einkaufen. "Es ist schwer zu beschreiben", sagt Jana und blickt gedankenverloren in die Luft. Die Menschen seien sehr ruhig gewesen, die Stimmung gedrückt - als hinge ein Schatten über allen. Eigentlich wollten Jana und ihr Vater am Abend noch zu einem Konzert, doch das wurde aufgrund des Ausnahmezustands abgesagt. Sie harrten also bei den Bekannten aus und machten sich erst am Sonntag auf den Heimweg nach Deutschland.Ob Jana Konsequenzen aus ihren Erlebnissen zieht und künftig Großveranstaltungen meiden wird? "Nein", sagt die Studentin. Sie wolle etwas vom Leben haben und sich nicht bis sie 90 Jahre alt ist zu Hause einschließen. "Man darf sich nicht einschüchtern lassen, sonst haben die ihr Ziel erreicht."