Druckartikel: Andreas Dreitz erfüllt sich einen Traum

Andreas Dreitz erfüllt sich einen Traum


Autor: Udo Schilling

Michelau, Montag, 08. Juli 2019

Der Michelauer freut sich nach seinem Coup in Roth auf eine Woche Urlaub in Norwegen. Bis kurz vor dem Ziel zweifelte der 30-Jährige noch am Sieg - ein Interview.
Ein Kameramotorrad vor der Nase und einen Kampfrichter im Nacken läuft Andreas Dreitz durch den Kanal-Hafen von Roth.


Am Tag der Franken triumphiert ein Oberfranke beim größten Triathlonfest im mittelfränkischen Roth. Andreas Dreitz hat dies geschafft. Der 30-Jährige aus Michelau (Lkr. Lichtenfels) hat bei seinem erst sechsten Rennen über die lange Distanz von 3,8 Kilometern Schwimmen, 180 Kilometern Radfahren und 42,195 Kilometern Laufen seinen zweiten Sieg eingefahren. Die Bedeutung von Roth ist aber bei Weitem höher als bei seinem ersten Sieg beim Ironman Italy im Herbst 2017.

Roth gilt neben der Ironman-WM auf Hawaii als die größte Triathlon-Veranstaltung weltweit. Die rund 260 000 Zuschauer und die 7500 Helfer aus dem gesamten Landkreis machen das Rennen gleichsam sowohl gigantisch als auch familiär. Dass das bayerische Fernsehen das Rennen mit den fränkischen Moderatoren Markus Othmer, Julia Büchler und Florian Weber erstmals live übertrug, rundet den Triumph von Dreitz passend ab.

Einen Tag nach seinem "grandiosen Rennen" und der "Erfüllung eines Traums" haben wir mit dem Michelauer vor der offiziellen Siegerehrung am Montagvormittag und der Helferparty am Abend, zu der die Profis kommen, um den Freiwilligen die Wertschätzung zu erweisen, folgendes Gespräch geführt. Wie war die Nacht von Sonntag auf Montag? Andreas Dreitz: Kurz. Da die Sieger traditionell die Letzten, die ins Ziel kommen empfangen und es dann um 11 Uhr das Abschlussfeuerwerk im Stadion gibt, dauert es, bis man im Bett ist. Ich lag dann noch lange wach, bin dann aber schon um 6 Uhr aufgestanden und mit dem Rad einmal um den Rothsee gefahren, um die Beine zu lockern. Im Gegensatz zum letzten Jahr musste mir diesmal nicht meine Freundin das Rad hinuntertragen und ich bin auch alleine aufs Rad gekommen. Sie mussten sich beim Absteigen vom Treppchen nach der Siegerehrung auf die Schampus-Flasche abstützen. Oh ja, da war ich völlig kaputt und konnte mich gar nicht bewegen. Vor der Flower-Ceremony lag ich ja schon vor dem Podest und gab mein erstes Interview im Sitzen. Konnten Sie das Rennen noch einmal Revue passieren lassen. Wann haben Sie an den Sieg geglaubt? Eigentlich erst als ich ins Stadion kam. Denn ich hatte viele Höhen und Tiefen. Schon beim Schwimmen ging's los, als ich den Anschluss verloren habe. Doch im zweiten Drittel habe ich wieder eine Gruppe gesehen und bin an denen vorbeigeschwommen. Andreas Böcherer, eigentlich ein deutlich besserer Schwimmer als ich, war auch darunter. Vielleicht haben sich da schon einige verzockt und sind zu schnell angegangen. Den führenden Jesper Svensson hatte ich schon auf dem Schirm und wusste, dass er ein super Schwimmer ist und auch gut Rad fährt. Svensson haben Andi Böcherer, Andy Potts und ich schnell eingeholt. Ich bin dann als Erster über den Solarer Berg. Ein unglaubliches Gefühl. Dafür lebt man als Sportler. Potts musste in der letzten halben Stunde auf dem Rad, die oft völlig anders ist, als die Zeit davor, etwas abreißen lassen. Mit Böcherer bin ich dann auf die Laufstrecke. Ich wusste vom letzten Jahr, wie ich den Marathon angehen kann. Ich hatte gute Beine und bin zügig losgelaufen, musste mich eher etwas bremsen. Zwischen Kilometer 10 und 15 hatte ich ein Tief, dann kam drei Kilometer vor dem Wendepunkt auch noch Gegenwind dazu. Da habe ich schon gedacht, jetzt schnappen sie mich. Den Wind hatte ich zum Glück aber nicht so lange wie meine Verfolger. Danach lief es richtig gut. Dass Svensson und Wurf so stark laufen, war für mich überraschend. Ebenso, dass Aernouts und die anderen nicht so stark waren. Das zeigt aber, dass der Radpart durch den Wind doch deutlich anspruchsvoller war und sie dort einige Körner haben liegen lassen. Kommen einem im Rennen Bilder wie vom vergangenen Wochenende in den Kopf, als beim Ironman in Frankfurt die führende Sarah True 700 Meter vor dem Ziel kollabiert ist? Daran habe ich oft gedacht, zumal ich am Ende schon ein Energiedefizit gespürt habe. Am Ende vom Marktplatz in Roth bis ins Ziel haben mich dann aber die Zuschauer getragen. Das ist der Wahnsinn. Wer das noch nicht erlebt hat, sollte mal nach Roth kommen. Andreas Böcherer, mit dem Sie lange zusammen das Rennen auf dem Rad angeführt hatten, kam Ihnen kurz vor Schluss entgegen, blieb stehen und zog den Hut. Wie haben Sie diese Szene erlebt? Das war eine großartige Geste von ihm und eine schöne Anerkennung. Wir hatten schon einige interessante Duelle. Es macht Spaß, mit ihm zu racen. Ich erinnere mich da an die 70.3-WM in Zell am See 2015, als wir beide überpaced haben. Wenn man ganz vorne landen will, bewegt man sich an der Grenze, an der man auch straucheln kann. Ihm ging es so am Sonntag (Anmerkung der Redaktion: Böcherer kam erst nach 9:35:40 Stunden auf Rang 199 ins Ziel). Manche Sportler belohnen sich nach einem großen Erfolg selbst. Andrea Trinchieri, Ex-Trainer von Brose Bamberg, hat sich nach einem Titelgewinn stets eine neue Uhr gegönnt. Wie belohnt sich Andreas Dreitz? Doch nicht nur mit einem Schäuferla, wie Sie es im TV-Interview gesagt haben? Etwas Spezielles habe ich nicht. Ich belohne mich mit einer Woche Urlaub in Norwegen mit meiner Freundin. Ich bin ein Skandinavien-Fan, genieße die Ruhe und die Natur, die Berge und die kalten Seen. Vor allem, dass meine Freundin etwas länger Zeit hat als im Vorjahr, als wir nur einen Tag im Fichtelgebirge entspannt haben, ist sehr schön. Sie haben sich nun in die Liste der Roth-Sieger wie Jürgen Zäck, Lothar Leder, Chris McCormack, Andreas Raelert, Timo Bracht, Jan Frodeno oder Sebastian Kienle eingetragen und stehen - bisher in den Medien eher unbekannt - nun im Mittelpunkt. Wie gehen Sie damit um? Der Medienaufwand in diesem Jahr war schon im Vorfeld extrem. Nach der Pressekonferenz am Donnerstag bin ich als Letzter rausgekommen. Mit den Moderatoren des Bayerischen Fernsehens habe ich lange Gespräche geführt. Ich sehe das als Ehre an. Da wir in Deutschland in der Breite so gut vertreten sind, werden auf Hawaii aber wieder andere im Fokus stehen. Auf Hawaii werden Sie aber nicht mehr der Außenseiter sein... Doch schon, aber diesmal ein ernsthafter Außenseiter.