Siegen ein gutes Pflaster für Burgkunstadter "Klangfeder"
Autor: Markus Häggberg
Burgkunstadt, Montag, 11. Dezember 2017
Würde Udo Langers "Klangfeder" einen neuerlichen Erfolg beim Deutschen Rock- und Pop-Preis erringen können?
Der Burgkunstadter, der 2016 mit dem Preis für das beste Album des Jahres gekürt wurde, reiste am Samstagmorgen mitsamt Band "Klangfeder" nach Siegen. 21 Stunden zwischen Odyssee, surrealen Momenten und Einblicken in das Musikbusiness.
Wenn Siegens Bürgermeister Steffen Mues zur Begrüßung der Festivalteilnehmer um 13 Uhr in der berühmten Siegerlandhalle etwas zu sagen gehabt haben sollte, dann hat das bei "Klangfeder" niemand mitbekommen. Um diese Zeit fuhr man seit fünf Stunden mit dem gesponserten Kleinbus gegen die Befürchtung an, sich zu verspäten. Schneefall, Stau und Autofahrer, die keine Rettungsgassen bilden mochten, umgaben den Traum von einer Prämierung für geraume Zeit. Doch die Stimmung in dem Bus mit den von außen nicht einsehbaren Scheiben war gut, drei Kästen Bier standen auf dem Boden, über ihnen fand sogar noch eine kleine Bandprobe statt und Drummer Andi Herold fand dabei launig heraus, dass auch Polster rhythmisch Klang ergeben.
Es war der zweite Anlauf der Band hinüber ins nordrhein-westfälische Siegen und in einen Traum, der wohl auf halbem Wege zwischen Ernsthaftigkeit und Freizeitvergnügen liegt. Dann ein Anruf aus der Siegerlandhalle zwecks Erkundigung, wo man denn bleibe und ob man es bis zum ersten anberaumten Auftritt um 16.20 Uhr schaffen würde. Und inmitten all des Geschehens auch Martha Renner, eine 78-jährige Frau aus Erlangen, ein mitreisender Fan, der sich im Frühjahr über Internet für "Klangfeder" begeisterte und jetzt Maskottchen war. Auch sie brachte einen Kasten Bier mit, "weil Kekse bröseln", wie sie erklärte. Um diese Uhrzeit sollte man doch schon eingetroffen sein.
Im Foyer der Halle, in welchem die 35. Ausgabe der Verleihung des Deutschen Rock- & Pop-Preises des gleichnamigen Musikverbandes erfolgen sollte, tummelten sich Nachwuchskünstler allen Alters und aus allen Bundesländern. Dutzende in Dutzenden an Kategorien zwischen Singer/Songwriter, Country, Hardrock, Jazzrock, Fusion und was es sonst noch gibt. Auch ein bestes Tonstudio sollte gekürt werden. "Klangfeder", im vergangenen Jahr u. a. für das beste Album ausgezeichnet, war für das Finale Singer/Songwriter nominiert, zudem auch für die beste Filmmusik. Langer schuf unlängst einen 20-minütigen filmischen Rohschnitt, zu dessen Inhalt er Angaben beim Musikverband machte.
Es sind Träumer und Träumerinnen auf der Bühne. Von 13 bis 24 Uhr, so der durchgetaktete und doch verschobene Zeitplan. Manche träumen zu Recht von einer Musikerkarriere, andere haben zwar auch etwas zu sagen, nur wie sie es tun, ist mitunter unbedarft bis verstörend. So wie bei der Frau, die singend Nabelschau zu sich und dem Phänomen Leben betrieb, dabei aber eine Textzeile produzierte, wie sie in an Bahnhöfen erhältlichen Kontaktmagazinen nicht unmissverständlicher zu lesen stehen: "Die ganze Zeit bin ich bereit - ohne Anlaufzeit." Lichtgestalten und Schattengewächse in Scheinwerferkegeln, 91 Auftritte á fünf Minuten samt kurzer Vorstellung durch Moderatoren. Und hinten, am Ende der Zuschauertribüne in einer Reihe zwischen Kaffeekannen und gedimmtem Licht sitzend: die Jury des Abends. Aus rund 900 Einsendungen hatte schon eine andere Jury eine Vorauswahl für diese als bedeutendsten deutschen Musikpreis gehandelte Auszeichnung zu treffen. Ein Gesicht der Jury gehörte Jule Neigel, die sich jetzt Julia Neigel nennt und 1988 einen Ohrwurm mit "Schatten an der Wand" landete. ARD und ZDF sind nicht da, "weil kein Prominenter auf der Bühne steht, nur Nachwuchs", so Hinrich Vogt mit dem Unterton des Bedauerns. Der Mann vom Organisationsteam erklärt auch finanzielle Abwicklungen des Geschehens."Musiker zahlen Abhörgebühr (bei Einreichen von Hörproben) und eine Gebühr für den Auftritt, denn es gibt keine staatlichen Fördermittel mehr."
Im Finale der Kategorie Singer/Songwriter und im Finale Singer sollten Klangfeder mit "Was ist Zeit?" und "Sag warum" auftreten. Da aber räumten die Mitbewerber Schraubenyeti und Stefanie Black ab. Doch der Erfolg sollte noch kommen: "Klangfeder " erhielt den dritten Preis für die beste Filmmusik des Jahres. Jubel, ein neuerlicher Erfolg und einer, der nach Langers Worten so viel zählt wie der Erfolg im Vorjahr. "Die Veranstaltung selbst habe ich mehr genossen als im Vorjahr. Wenn du das erste Mal wo dabei bist, ist alles neu. Dieses Mal konnte ich mit einer gewissen Routine rangehen." Dann war Schluss, irgendwann in der Nacht. Allzu viel Schlaf gab es bei der Heimfahrt nicht. 2018 wird Siegen erneut ins Auge gefasst - ein gutes Pflaster für "Klangfeder".