Sie klären die Schicksale Vermisster
Autor: Matthias Einwag
Lichtenfels, Montag, 02. Dezember 2013
Das Kreisauskunftsbüro Lichtenfels des Roten Kreuzes nimmt dann seine Arbeit auf, wenn viele Menschen von einem Naturereignis oder Krieg betroffen sind. Seine Aufgabe ist es, Angehörigen Auskünfte zu geben.
Katastrophen treten plötzlich ein. Die Heftigkeit des Taifuns auf den Philippinen war für die Menschen ebenso unvorhersehbar wie die schweren Regenfälle, die Sardinien trafen. Katastrophenschützer müssen vorbereitet sein auf alle möglichen Szenarien, seien es Großschadens ereignisse mit Schienen-, Straßen- oder Luftfahrzeugen, unvorhersehbare Naturereignisse oder kriegerische Konflikte.
Wenn eine Katastrophenschutz-Einrichtung relativ unbekannt ist - umso besser, denn dann musste sie lange nicht mehr eingreifen. Das Kreisauskunftsbüro des Roten Kreuzes ist so eine Dienststelle, die kaum öffentlich wahrgenommen wird. Erst wenn die Folgen einer Katastrophe oder gar eines Krieges zu bewältigen sind, wird sie aktiv.
Seit zwei Jahren leitet Doris Kleiner das Team, das aus 18 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen besteht.
Sammeln von Daten und Fakten
Ein wesentlicher Teil ihrer Arbeit erstreckt sich dann auf das Sammeln von Daten und Fakten: Wie viele Verletzte oder Tote gibt es? In welches Krankenhaus wurden die Verletzten gebracht? Wo sind Menschen aus evakuierten Orten untergebracht? Sind Einsatzkräfte unter den Opfern?
Die Daten werden erfasst, geordnet und überprüft. "Wir sammeln die Informationen von der Polizei und den Einsatzgruppen, die vor Ort sind", sagt Doris Kleiner, "doch unsere Hauptarbeit wird sicherlich die Arbeit mit Betroffenen sein". Für diese Aufgabe seien die Mitarbeiterinnen gründlich geschult, fährt die 54-Jährige fort. Die Grundlagen der Suchdienstarbeit würden ihnen ebenso vermittelt wie das Erfassen und Archivieren der Daten. Das geschieht zunächst auf Papier, erst nachrangig per PC. Der Umgang mit Betroffenen ist ein wichtiges Element bei der Ausbildung.
Vorbereitung aufs nicht Planbare
Doris Kleiner weiß, dass man den Ablauf der erforderlichen Arbeitsabläufe planen und üben muss; sie weiß aber auch, dass eine Katastrophe in der Regel eine Eigendynamik entwickelt, die nicht berechenbar ist. Wenn sich das Kreisauskunftsbüro im Katastrophenfall in einer Schule oder Turnhalle eingerichtet hat, wenn die logistischen Voraussetzungen geschaffen sind, beginnt die eigentliche Arbeit. Über die Service-Hotline, die von Radiosendern publik gemacht wird, ist das Auskunftsbüro dann zu erreichen. Telefone klingeln, aufgeregte Anrufer verlangen Auskunft, dringend benötigte Daten liegen jedoch noch nicht vor- eine Stresssituation.
Genau auf dieses Szenario bereiten sich die Frauen bei ihren Treffen vor. Sie spielen durch, wie Formblätter ausgefüllt werden, welche Quellen angezapft und welche Informationen herausgegeben werden dürfen und auch wie Daten aktiv gesammelt werden können, wenn die Hilfskräfte vor Ort am Limit sind und Wichtigeres zu tun haben.
Sie bereiten sich jedoch auch darauf vor, dass die Telekommunikation zusammenbricht und auf elektronischem Weg nichts mehr geht. Aus diesem Grund wird alles zunächst auf Papier geschrieben, denn bei Stromausfall droht Datenverlust, verließe man sich auf den PC.
Helga Ortmann findet dieses Vorgehen voll in Ordnung. Die 74-Jährige leitete das Kreisauskunftsbüro 13 Jahre. Auch sie sagt, dass die Gespräche mit den Angehörigen den Kern dieser Arbeit bilden. Nicht jeder Mensch sei für diesen Dienst geeignet. Es gelte ruhig zu bleiben, wenn ein aufgeregter Anrufer an der Strippe sei, und die Antworten müssten verbindlich sein.
Claudia Schnapp sagt, sie habe sich zu diesem ehrenamtlichen Dienst entschlossen, weil sie jenen Menschen helfen möchte, die beunruhigt seien, weil das Schicksal eines Angehörigen unklar ist. Hier könne sie einen sinnvollen ehrenamtlichen Dienst leisten, ergänzt die 46-jährige Verwaltungsangestellte, wobei sich der zeitliche Aufwand in Grenzen halte und man nicht zu sehr eingespannt werde. "Aber wenn es zum Ernstfall kommt, ist das eine sehr wichtige Arbeit", fährt sie fort. Wer wollte da widersprechen? Es ist überflüssig zu erklären, wie essenziell es sein kann, das Schicksal eines Vermissten zu klären.
Das Kreisauskunftsbüro des Roten Kreuzes
Tätigkeit Das Kreisauskunftsbüro ist eine Einrichtung des DRK-Suchdienstes. Ein Arbeitskreis ehrenamtlicher Mitarbeiter leistet im Bedarfsfall humanitäre Hilfe. Wenn es zu einer Katastrophe gekommen ist, haben viele Menschen den dringenden Wunsch zu erfahren, ob Angehörige oder Freunde betroffen sind und wo sich diese befinden. Im Fall eines Konflikts im In- oder Ausland werden Kontaktmöglichkeiten aufgebaut und Leistungen für die eigene Bevölkerung sowie alle Zielgruppen der Genfer Abkommen sichergestellt.
Aufgaben Das Kreisauskunftsbüro nimmt Daten auf und ordnet diese, sammelt Informationen aus allen möglichen Quellen, prüft sie nach und wertet sie aus, informiert Betroffene und Beteiligte, dokumentiert die Aktivitäten und recherchiert Informationen über Betroffene und auch über Einsatzkräfte.
Arbeitsweise Fast 400 Kreisauskunftsbüros stehen in der Bundesrepublik bereit, um im Bedarfsfall Suchdienstarbeit leisten zu können. Grundlage ist ein Registrierungssystem, das bei jeder Hilfeleistung angewendet wird. Ziel ist es, Personen zu suchen, Schicksale zu klären und Menschen im Fall einer Katastrophe oder eines Konflikts wieder zusammenzuführen.
Kontakt Wer sich für die Mitarbeit interessiert (gern auch Menschen mit Fremdsprachenkenntnissen), kann sich an Doris Kleiner (09571/959029) wenden oder sich im Internet auf der Seite des BRK Lichtenfels www.kvlichtenfels.brk.de informieren.