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Seubersdorfer Scheunafestival: Abflug in der Scheune


Autor: Stephan Stöckel

Seubersdorf, Sonntag, 17. Mai 2015

Die Kulmbacher Musikszene hatte zum Seubersdorfer Scheunafestival eingeladen, und die Fans strömten in großer Zahl ins Lichtenfelser Land. Sie erlebten Premieren, Bewährtes und sogar ein Revival, das sich gewaschen hat.
Eintauchen und abheben: Die Stagediver waren beim Seubersdorfer Scheunafestival in ihrem Element.  Fotos: Stephan Stöckel


Am Samstagabend hatte Weismain, das Tor zum Jura, für ein paar Stunden seinen eigenen Flugplatz. Der idyllische Feuerwehrstadel in Seubersdorf wurde zum Start- und Landeplatz für die Stagediver aus nah und fern.
Die Fans stiegen auf die Bühne und sprangen mit weit ausladenden Armen, so als glichen diese den Flügeln von Ikarus, in die Menschenmenge, um sich auf dem Rücken liegend über die Woge der Begeisterung hinweg tragen zu lassen.

Erstklassiges Hardcore-Konzert

Dass die Reise ins gelobte Hardcore-Land ohne Turbulenzen über die Bühne ging, dafür sorgte eine vierköpfige Crew vom Jura namens "Cycoside", die die Besucher aus dem Kulmbacher und Lichtenfelser Raum bei der Zugabe sogar ins Cockpit ließ: Voller Inbrunst sang ein vielstimmiger Fan-Chor auf der Bühne den "Agnostic Front"-Klassiker "Gotta Go" mit, der zum Schluss- und Höhepunkt eines erstklassigen Hardcore-Konzertes aus Intelligenz und Leidenschaft geworden war.

Organisiert hatte die Flugschau die Kulmbacher Musikszene mit dem Peestener Urgestein Brandy Schäck an der Spitze, die von vielen Freiwilligen unterstützt wurden.

André Müller von der Gruppe "Cycoside" hielt an diesem Abend nicht nur seine Gitarre in der Hand, sondern voller Stolz auch die erste acht Stücke umfassende CD der Band, die die Musiker aus den Landkreisen Kulmbach, Lichtenfels und Bayreuth sowie der Oberpfalz auf den Namen "Let The Riot Begin" getauft hatten.

Alte Recken in alter Form

Wer jetzt meint, dabei handele es sich um den Gewinn des Kulmbacher Bandcontests, der ist schief gewickelt: "Das Album war zum Zeitpunkt des Musikwettbewerbs schon so gut wie im Kasten. Und so kommen die Fans im Herbst noch einmal in den Genuss eines Silberlings", klärte Müller auf.

Für viele Fans war es aber auch ein Wiedersehen mit der Kultband "Arrested Mind", die vor 16 Jahren in Seubersdorf ihr bislang letztes Konzert gegeben hatte. Voller Neugierde fieberten die Fans der Wiederauferstehung ihrer Idole, die in Altenkunstadt, Kulmbach und Berlin leben, entgegen. Wie würden sich die Recken schlagen?, war die Frage aller Fragen. Lars Bischoff (Gitarre), Bernd Walter (Bass), Simon Ries (Schlagzeug), Michael Thienel und Sascha Nießner (Gesang) taten es mit Bravour. Sie entfachten, wie es Schäck nicht besser hätte formulieren können "einen Hardcore-Orkan", der so gut wie jeden vor Begeisterung umhaute.

Wie fühlt es sich an, nach so langer Zeit wieder Musik zu machen? "Grandios. Auch wenn er hart ist, der Hardcore ist wie Honig für meine Seele. Mein Psychiater, der seit 16 Jahren meine seelische Erkrankung behandelt, begrüßt es, dass ich wieder musiziere", machte Nießner aus seinem Herzen keine Mördergrube. Für den einstigen Kulmbacher, der in Berlin eine zweite Heimat gefunden hat, hat das Festival auf dem Jura aber noch eine andere Bedeutung: "Es ist die Rückkehr in eine große Rock'n'Roll-Familie, in der jeder jeden kennt."

Stimmige Klassiker

Obgleich die zwei Hardcore-Bands die meiste Begeisterung an diesem Abend auslösten, die anderen Gruppen sollte man nicht unter den Tisch kehren. Die Kulmbach-Bamberger Formation "Evidence 399" war mit ihrem melodiösen, schnörkellosen Punk-Rock das laue Lüftchen vor den zwei Hardcore-Tornados. Das i-Tüpfelchen auf ihren erstklassigen Auftritt war der Song "Goodbye", in dem sie äußerst stimmig Klassiker der deutschen Rockmusik wie "Verdamp lang her" von "Bap" und "Westerland" von den "Ärzten" einbauten.

Doch damit nicht genug: Die Oberpfälzer Band "Theory Of Mind" aus Pressath tauchte die Fans nach den aufwühlenden Hardcoretönen in ein fast schon entspannendes Klangbad. Manfred Riedl (Gesang und Bass), Peter Wiesenbacher (Gitarre), Georg Weyh (Gitarre) und Andreas Hampel (Schlagzeug) erschufen einen wuchtigen Stoner-Rock, der an atmosphärischer Dichte nichts zu wünschen übrig gelassen hatte.