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Schwesternhaus-Baustelle voller Überraschungen


Autor: Ramona Popp

Lichtenfels, Dienstag, 05. August 2014

Behinderte Menschen werden im ehemaligen Lichtenfelser Schwesternhaus eine Heimstatt bekommen. Das Gebäude am Kirchplatz 3 stellte den Planer allerdings vor ungeahnte Herausforderungen. Wie hoch die Mehrkosten sein werden, ist noch unklar.
Eng geht es wegen der Baustelle Schwesternhaus derzeit hinter der Stadtpfarrkirche zu. Der Kran soll bis zum Korbmarkt verschwunden sein.


Architekt Michael Ronalter aus Breitengüßbach ist jeden Tag auf der Baustelle hinter der Stadtpfarrkirche. Langweilig ist es ihm seit Baubeginn im vergangenen November noch nicht geworden. Unwägbarkeiten beim Umbau eines alten Hauses sind ja nichts Ungewöhnliches, aber hier habe man "zum Teil spektakuläre Überraschungen erlebt", wie er berichtet. Das Gebäude Kirchplatz 3 beherbergte von 1889 bis 2009 Frauen vom Orden der Armen Schulschwestern, war zuvor Schulgebäude und wurde in der Chronik von Heinrich Meyer zunächst als "ehemaliger Mönchshof" erwähnt. Man ging von einem Alter von 200 Jahren aus. Die Ansicht, die das stattliche Haus zuletzt zeigte, rührte von einem Umbau im Jahr 1926.

Maria Wiehle, die Gesamtleiterin des Heilpädagogischen Zentrums der Caritas, hatte bei einer Besichtigung vor Baubeginn den Eindruck, dass gar keine erheblichen Eingriffe erforderlich sein würden, um dort Wohnraum für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Heute räumt sie ein: "Das war ein Irrglaube."

Teil des Gebäudes viel älter

Aufgrund der vorgefundenen Eichenbalken und Lehmwände sei davon auszugehen, dass ein Teil des Gebäudes wesentlich älter als 200 Jahre ist. Der Eingang dürfte einst unterhalb der Treppe neben dem Pfarrgarten gewesen sein, das Dach kaum über Kirchplatzniveau herausge schaut haben. Einen Teil der vorgefundenen Fachwerkwände will man für die Nachwelt sichtbar erhalten, hinter Glas. Das Gebälk jedoch musste man laut Ronalter erneuern, weil ein Umbau der bestehenden Konstruktion so aufwendig, dass wirtschaftlich nicht mehr zu vertreten gewesen wäre. Er beschreibt ferner Wände in desolatem Zustand. "Wenn ein Elektriker einen Schlitz geklopft hat, sind vier Quadratmeter Putz runtergekommen." Neben den statischen Anforderungen und der gewünschten Barrierefreiheit musste beim Umbau den aktuellen Anforderungen an den Brandschutz Rechnung getragen werden. Jetzt wurde das Gebäude quasi für die nächsten Generationen ertüchtigt, doch über die Kosten herrscht noch keine Klarheit. Vor drei Jahren, als der Diözesan-Caritasverband den Umbau beantragt hatte, war man von einer Investition von 2,2 Millionen Euro ausgegangen. Derzeit ist von 2,5 Mio. die Rede, doch dies ist allein der allgemeinen Preiserhöhung und der umplanerischer Mehrarbeit geschuldet. "Es wird sicher teurer", sagt Maria Wiehle, doch sie habe die Hoffnung, "dass es überschaubar bleibt". Eine exakte Bilanz steht aus, und vor Mitte August, wo noch wichtige Auftragsabschlüsse anstehen, will sich der Architekt nicht festlegen. Förderzusagen gibt es derzeit über rund 1,26 Mio. Euro. Auf manchen Antrag gab es bislang keine Rückmeldung.

"Es wird wunderschön"

"Wenn ich das gewusst hätte, was ich heute weiß, hätte ich der Caritas damals abraten müssen", sagt Michael Ronalter. Jetzt will er den Umbau so gut wie möglich zu Ende bringen. Maria Wiehle unterstreicht, dass sie sich auch mit dem Wissen von heute für die Nutzung dieses Hauses ausgesprochen hätte, weil der Standort durch nichts zu ersetzen sei. Sie ist überzeugt, dass dies ein "wunderschönes Gebäude" wird. Sie weiß, dass die künftigen Bewohner, junge Erwachsene und ältere, die allesamt schon feststehen, dem Einzug - wohl im Januar - entgegenfiebern. Entgegen der ursprünglichen Absicht, eine betreute Wohngemeinschaft für zwölf Leute und einen Wohnheimbereich für sechs weitere, die intensivere Betreuung brauchen, zu schaffen, hat sich das Verhältnis nahezu umgekehrt. Den Ausschlag gab die zu erwartende Förderung. "Stationäre Wohnplätze werden beim Bau besser gefördert, auch wenn der Betrieb personell teurer ist", erklärt Wiehle. Es wird nun eine Wohngruppe mit Heimcharakter für zwölf geschaffen. Daneben entstehen drei kleine Wohnungen für vier Personen.
Doch auch mit dieser neuen Einrichtung wird die Wohnsituation für erwachsene Menschen mit Behinderung nicht zufriedenstellend sein, wie Maria Wiehle betont - auch wenn eine Bedarfsermittlung des Bezirks zu einem anderen Ergebnis kam. "Wir bekommen täglich Anfragen, und unsere Einrichtungen sind voll. Die von Regens Wagner auch." Da helfe nur Vorsprechen bei den Entscheidungsträgern. Bedarf sieht Wiehle auch im Seniorenbereich. Für ihre Ideen hofft sie auf Unterstützung, nicht nur finanzieller Art. Inklusion, das Miteinander in der Gesellschaft, ist ihr wichtig. Der im ehemaligen Schwesternhaus neu geschaffene Dachgeschossraum erscheint ihr ideal für Gemeinschaftsveranstaltungen, auch mit jungen Leuten in Lichtenfels - "wenn sie sich einladen lassen".