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Schule Michelau: Reicht die Schülerzahl für "eCn"?


Autor: Ramona Popp

Michelau, Freitag, 04. Juli 2014

Ob es ab September an der Johann-Puppert-Schule Michelau wieder eine so genannte "eCn"-Klasse geben wird, hängt von der Schülerzahl ab. Die Anmeldefrist läuft. Aus dem ganzen Landkreis können Jugendliche hier ein freiwilliges Schuljahr dranhängen. "eCn" steht für "extra Chancen nutzen" - Jakob und Tanja haben das getan.
Jakob und Tanja, beide 16 Jahre alt, haben die Prüfungen hinter sich und die Zusage für eine Lehrstelle in der Tasche. In ihrem eCn-Klassenzimmer in Michelau sitzen sie nun also ein letzten Mal über Schulbüchern. Das Lernen wird an verschiedenen Berufsschulen weitergehen. Fotos: Popp


Leichter hat es Jakob nicht gehabt, als er zum zweiten Mal die neunte Klasse besuchte. Mit der Bahn nach Michelau fahren, einen weiteren Schulweg zurücklegen. Aber jeder Schritt hat sich gelohnt. Der 16-jährige aus Bad Staffelstein hat jetzt die Prüfungen hinter sich gebracht und ist zuversichtlich, dass diesmal alles besser gelaufen ist. In zwei Brauereien konnte er ein Praktikum machen und ist sich nun sicher, dass er Brauer werden will. Bei der Bamberger Kaiserdom-Brauerei wird er am 1. September seine Ausbildung beginnen. Seine Mutter hatte ihn dazu gedrängt, ein Jahr Schule dranzuhängen. Die Einsicht darin, dass dies gut so war, ist bei ihm längst angekommen. Sein verschmitztes und auch ein bisschen verlegenes Grinsen, wenn er davon erzählt, verrät das. Es gibt sogar ein Lob für den jetzigen Klassenlehrer.

Auch für Tanja aus Lichtenfels lief die zweite Runde wesentlich besser als die erste. Schon ihr Zwischenzeugnis konnte sich sehen lassen, im August beginnt sie nun eine Ausbildung zur Verkäuferin im Textil-Einzelhandel. Die eCn-Klasse würde sie anderen, die auch am Qualifizierenden Hauptschulabschluss gescheitert sind, durchaus empfehlen. "Es hilft, Unterstützung zu bekommen", sagt sie und räumt freimütig ein, dass sie beim ersten Versuch einfach nichts gelernt habe. Auch ihr Klassenkamerad Jakob gesteht, dass an seiner alten Schule seine Aufmerksamkeit weniger dem Unterricht als den Unterhaltungen mit seinem Banknachbarn galt. Hinterher war die Enttäuschung groß. Dann galt es, die extra Chance zu nutzen. Dafür steht nämlich eCn-Klasse.

Ein besonderes Konzept

Das zuvor an Coburger Schulen erprobte Konzept überzeugte 2008 auch die Verantwortlichen im Landkreis Lichtenfels. Und seitdem erhalten auch hier Schüler, die den Quali im ersten Anlauf nicht geschafft haben, in einem freiwilligen weiteren Schuljahr auf die Kernfächer fokussierten Unterricht, eine Vorbereitung auf das Berufsleben sowie eine Begleitung und Förderung durch erfahrene Sozialpädagogen. Ein hoher Praxisanteil zeichnet das Projekt unter der Trägerschaft des Evangelischen Dekanats Michelau aus. Die Erfahrungen damit sind sehr gut. Der größte Teil der Teilnehmer schafft auf diesem Weg den ersehnten Schulabschluss, durch die gezielte Vorbereitung oft sogar mit guten Noten. Für diejenigen, die das Ziel nicht erreichen, ist es zumindest über die in den Praktika gesammelten Erfahrungen und die geknüpften Kontakte leichter, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Nicht selten wird noch in der Schulzeit ein Ausbildungsvertrag angebahnt.

Trotz dieser positiven Bilanz ist eine Fortsetzung der "eCn"-Klasse im kommenden Schuljahr noch nicht gesichert. Zehn Anmeldungen liegen laut Schulleiterin Alexandra Kober bislang vor, 14 sind erforderlich, um eine Klasse bilden zu können. Erfahrungsgemäß fallen die Entscheidungen aber erst, wenn die Ergebnisse der Abschlussprüfungen vorliegen, und das ist noch nicht der Fall.

Die entspannte Lage auf dem Ausbildungsmarkt ist ein zweischneidiges Schwert. Sie ermöglicht es aktuell sogar Schulabgängern ohne Abschluss, eine Lehre zu beginnen. Doch weil hier oft Reiferückstände mit eine Rolle spielen oder der familiäre Rückhalt fehlt und bei einer Bewerbung später im Leben das schlechte Schulzeugnis eben doch hinderlich sein kann, sollte dieser Weg nicht die erste Wahl sein.

Gegenüber einem Wiederholten der regulären neunten Klasse hat die eCn-Klasse nicht nur einen Vorteil. "An ihren bisherigen Schulen haben sie einen Stempel drauf, bei uns sind sie ein weißes Blatt", sagt Sozialpädagogin Julia Nielsen über die betroffenen Schüler. "Wir nehmen sie, wie sie sind, was davor war, ist nicht wichtig."
Wichtig ist nur, dass jemand freiwillig kommt und sich an die Regeln hält. Es wird in kleinen Gruppen und familiärer Atmosphäre gearbeitet. Die beiden Pädagoginnen Kathrin Sünkel und Luisa Weber, die sich am Nachmittag um die Jugendlichen kümmern, mit ihnen üben und sie in den Praktika begleiten, erwarten Disziplin, auch wenn sie einen lockeren Ton anschlagen. Julia Nielsen, die als Koordinatorin das Evang. Dekanat und damit den Träger des Projekts vertritt, unterstreicht: "Wir geben Hilfe zur Selbsthilfe." In Michelau hofft man darauf, diese Hilfestellung fortsetzen zu können.