Schlafmittel nur in Ausnahmefällen
Autor: Christoph Hägele
Ebensfeld, Mittwoch, 12. August 2020
Schlafstörungen können psychische und organische Ursachen haben. Nach spätestens zwei Monaten sollte ein Arzt aufgesucht werden.
Nedal Al-Khatib ist Chefarzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Bezirksklinikum Obermain. Im Interview mit dem Fränkischen Tag spricht er darüber, was die häufigsten Ursachen für psychisch bedingte Schlafstörungen sind, wie sich jeder selbst helfen kann und ab wann ein Arzt aufgesucht werden sollte. Was sind die häufigsten Ursachen für Schlafstörungen, die psychisch bedingt sind? Nedal Al-Khatib: In der Regel stellen psychische Störungen, wie akute Belastungsreaktionen, Anpassungsstörungen, Angststörungen, Depressionen oder posttraumatische Belastungsstörungen eine der Hauptursachen für Schlafstörungen dar. Akute Belastungsreaktionen treten meist wenige Augenblicke nach einem traumatisierenden Ereignis, wie beispielsweise nach einem schweren Unfall oder dem unvermittelten Tod eines nahen Angehörigen auf. Der Mensch befindet sich von jetzt auf gleich in einem Ausnahmezustand und ist nicht mehr er selbst. Solche inneren und äußeren Konflikte können nicht mit den uns allen normalerweise zur Verfügung stehenden Bewältigungsstrategien, im Fachjargon auch Copingstrategien genannt, angegangen und gelöst werden. Manche Betroffene werden sehr laut, manche versinken in sich - in beiden Fällen sind sehr häufig Schlafstörungen die Folge, weil das Belastende weiterläuft. Momentan machen sich auch viele wegen der Corona-Pandemie Sorgen um ihren Job und schlafen deshalb schlecht.
Und dann gibt es natürlich noch schwerwiegendere psychische Störungen, die Schlafstörungen zur Folge haben, wie zum Beispiel bipolare Störungen, die umgangssprachlich auch als manische Depressionen bekannt sind. Bei dieser organisch bedingten Störung geht die Wissenschaft heutzutage von einer neuronalen Netzwerkstörung aus, in dem unter anderem Neurotransmittern, so etwas wie Hormone zur Reizweiterleitung im Gehirn, eine Schlüsselrolle zugesprochen wird. Ganz vereinfacht kann man sagen, dass ein Mangel bestimmter Neurotransmitter im Gehirn eine depressive Entwicklung begünstigt, während ein "Zuviel" bestimmter Neurotransmitter in manchen Gehirnarealen zu manischen Episoden führen kann. In diesen Fällen wird ein Betroffener jedoch nicht um einen Besuch beim Facharzt umhinkommen, der eine kausale medikamentöse Behandlung einleitet und damit gleichzeitig die Schlaflosigkeit als ein Hauptsymptom behandelt.
Leiden viele Menschen unter psychisch bedingten Schlafstörungen?
Auch wenn der Großteil der Schlafstörungen psychisch bedingt ist, gibt es selbstverständlich auch organisch bedingte Schlafstörungen, wie beispielsweise das Schlaf-Apnoe-Syndrom, bei dem während des Schlafs Atemaussetzer auftreten, oder das Syndrom der unruhigen Beine, auch Restless-legs-Syndrom genannt. Doch auch hier ist eine psychische Komponente nicht wegzudenken. Menschen mit einem Schlaf-Apnoe-Syndrom klagen trotz einer Behandlung mit einem sogenannten CPAP-("continous positive airway pressure", zu deutsch "kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck")-Gerät über Schlafstörungen. Es ist davon auszugehen, dass die Psyche hier wenn nicht primär, dann sekundär mit hineinspielt. Wie merke ich, dass ich unter einer psychisch bedingten Schlafstörung leide? Jeder von uns kennt Phasen, in denen er schlechter schläft, wie beispielsweise Eltern, die ein kleines Kind haben oder wenn eine wichtige Prüfung immer näher rückt. Das ist alles erklärbar und zu Beginn sollte nicht gleich von einer manifesten Schlafstörung gesprochen werden. Überhaupt sind Schlafstörungen klinisch so definiert, dass es über einen Zeitraum von ein bis drei Monaten mindestens dreimal pro Woche zu Ein- und/oder Durchschlafstörungen oder frühmorgendlichem Erwachen kommt.
Spätestens wenn diese Kriterien erfüllt und alle äußeren Faktoren geklärt sind, stimmt etwas nicht. Manche Menschen versuchen, in dieser Situation im Sinne eine "Selbstmedikation" zu bestimmten Suchtmitteln zu greifen, um Schlaf zu finden. Hinter Schlafstörungen können auch Depressionen stecken. Es gibt Menschen, die im Alltag so gut getaktet sind, dass der Körper als letzter Ausweg durch den schlechten Schlaf darauf hinweist, dass etwas nicht in Ordnung ist. In diesen beispielhaft aufgeführten Fällen sollte dringend ein Arzt konsultiert werden.
Was kann der Einzelne selbst gegen psychisch bedingte Schlafstörungen tun? Zunächst ist es wichtig, nicht in Panik zu verfallen. Wenn man erkennt, dass ein Problem besteht, ist das die halbe Miete. Für einen guten Schlaf ist grundsätzlich ein geregelter Tagesablauf wichtig. Sportliche Aktivitäten können den Körper müde machen. Auch bestimme Achtsamkeitsübungen, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder Yoga helfen. Darüber hinaus gibt es bestimmte Schlafhygieneregeln. So sollte beispielsweise darauf geachtet werden, vor dem Schlafen keine zu mächtige Nahrung zu sich zu nehmen. Auch aufwühlende Streitgespräche sollten nach Möglichkeit nicht vor dem Schlafengehen ausgetragen werden. Außerdem können bestimmte Rituale, wie das Hören der Lieblings-CD, oder eine festgelegte Zeit, zu der man ins Bett geht, helfen. An welchem Punkt sollte man sich Hilfe suchen?
Wenn nach ein bis zwei Monaten gar nichts hilft, wäre es sinnvoll, zunächst den Hausarzt als Lotse zu konsultieren. Er kann schauen, was dahintersteckt und ob Medikamente nötig sind. Entsprechend kann der Patient dann zum Facharzt überwiesen werden. Wie werden psychisch bedingte Schlafstörungen behandelt? Im Rahmen einer ausführlichen Anamnese, das heißt einer Erhebung der Krankheitsgeschichte, wird geschaut, ob neben einer Schlafstörung noch weitere Symptome vorliegen. Wenn jemand beispielsweise viel grübelt, antriebsarm ist und sich nicht konzentrieren kann, kann dies möglicherweise auf eine Depression hindeuten.