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Scherer und Trier aus Michelau ist gerettet


Autor: Tobias Kindermann

Michelau, Montag, 15. Dezember 2014

Das insolvente Unternehmen Scherer und Trier aus Michelau wird von einem indischen Konzern übernommen. Am Dienstag werden die Mitarbeiter informiert.
Scherer und Trier hat einen neuen Besitzer. Damit geht die neunmonatige Insolvenz zu Ende. Foto: Ramona Popp


Weihnachten wolle er nicht mehr im Landkreis feiern, sagte Insolvenzverwalter Joachim Exner. So gesehen wurde die Zeit am Ende knapp. Am Dienstagvormittag werden die Mitarbeiter von Scherer und Trier in einer Betriebsversammlung darüber informiert, wer das insolvente Unternehmen übernimmt. Es ist die Samvardhana Motherson Group, ein indischer Konzern, der in Deutschland bereits Werke an neun Standorten besitzt. Für die über 2000 Beschäftigten geht damit eine lange Zeit des Wartens zu Ende. Am 10. März hatte das Unternehmen einen Eigenantrag auf vorläufige Insolvenz beim Insolvenzgericht in Coburg gestellt. Motherson übernimmt alle Beschäftigten und den gesamten Geschäftsbetrieb.

Zwar machte sich bald nach dieser Nachricht schon im April wieder vorsichtiger Optimismus breit, als Insolvenzverwalter Joachim Exner bei einem Besuch der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) im Landratsamt betonte, man werde ohne Hilfe die kommenden Monate überstehen und sei nicht auf Unterstützung angewiesen. "Wir hatten Grund, optimistisch zu sein, aber man kann nie absehen, was trotzdem noch für Probleme auftauchen können", sagte Landrat Christian Meißner (CSU) infranken.de.

"Mit Motherson hat Scherer und Trier den idealen strategischen Partner gefunden", betonte Insolvenzverwalter Joachim Exner, Partner der Kanzlei Beck& Partner in Nürnberg, nach der Unterzeichnung des Kaufvertrags, in einer Mitteilung. "Beide Unternehmen ergänzen sich perfekt in Produktportfolio, internationaler Ausrichtung und Kunden. Besonders freut mich, dass kein Scherer und Trier-Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz verlieren muss."
Der Michelauer Bürgermeister Helmut Fischer (CSU) erfuhr von dem Verkauf aus gut informierten Quellen erst kurz, bevor die offizielle Mitteilung von Exner herausging. "Die zugesagte offene Kommunikation des Insolvenzverwalters hat nie erfolgt. Ich hätte schon erwartet, dass man zumindest einen kleinen Hinweis bekommt", beklagt er. "Ich hoffe natürlich, dass dauerhaft alle Arbeitsplätze erhalten bleiben."

Der Standort Michelau soll sogar noch ausgebaut werden

In dieser Beziehung scheint es gut auszusehen. Exner sagte, dass der Standort Michelau sogar noch ausgebaut werden solle.

Motherson plane nicht nur alle Mitarbeiter zu übernehmen, sondern den Standort Michelau zum Entwicklungszentrum auch für andere Geschäftsbereiche der Gruppe auszubauen. Die Grundlage dafür bilde das "Technikum", in dem Scherer und Trier seine Produkte und Werkzeuge selbst entwickele.

Motherson soll Scherer und Trier zum Januar 2015 übernehmen. Der Konzern wurde schon länger als möglicher Investor gehandelt (wir berichteten bereits am 23. Oktober). Die Gläubiger hätten dem Verkauf bereits zugestimmt, die Genehmigung durch die Kartellbehörden sei beantragt.

Was der Konzern für den Michelauer Kunststoffspezialisten gezahlt hat, wurde nicht bekannt. Die Gläubiger könnten aber mit einer weit überdurchschnittlichen Quote im zweistelligen Prozentbereich rechnen, betonte Exner.

Scherer und Trier hatte am 10. März trotz guter Auftragslage Insolvenz anmelden müssen. Gespräche über eine Verlängerung von Krediten waren gescheitert.

Keine Produktionsunterbrechungen oder Kündigungen

Exner hielt Kunden und Lieferanten bei der Stange und führte den Geschäftsbetrieb in vollem Umfang fort. Dass das Unternehmen nicht schlecht dastand, zeigte sich im Juni: Da lief das Insolvenzgeld aus, das der Staat den Beschäftigten zahlte, Scherer und Trier musste aus eigener Kraft bestehen. Auch hier gab es keine Produktionsunterbrechungen oder Kündigungen.

Doch intern scheint erheblicher Handlungsbedarf bestanden zu haben. Mit Rolf Graf holte man im April einen Sanierungsexperten ins Haus, dessen erfolgreiche Arbeit Exner besonders hervorhebt: Man habe hohe Effizienz- und Produktivitätssteigerungen erreicht.

Die Situation von Scherer und Trier hatte sich in den letzten Monaten deutlich verbessert. In den vergangenen Wochen konnte das Unternehmen Neuaufträge mit einem Gesamtumsatz in Höhe von 110 Millionen Euro sowie Entwicklungsaufträge mit einem Umsatzvolumen von weiteren 150 bis 200 Millionen Euro akquirieren, unterstreicht Exner "Das ist angesichts des laufenden Insolvenzverfahrens ein phänomenaler Erfolg, der aber nur möglich wurde, weil alle Verfahrensbeteiligte die Sanierung des Unternehmens von Anfang an unterstützt haben."

Die Beschäftigten und der Betriebsrat hätten zum Erfolg beigetragen, betont Landrat Meißner. "Ich freue mich sehr, dass für Scherer & Trier eine zukunftsfähige Lösung gefunden wurde. Gerade bei einem so großen Arbeitgeber - Scherer & Trier ist nach Baur der zweitwichtigste Arbeitgeber im Landkreis, ist es wichtig, eine gute Lösung zu finden. Tatsächlich hören sich die Pläne vielversprechend an, schließlich soll der Standort Michelau nicht nur erhalten, sondern sogar ausgebaut werden", sagt Wilhelm Wasikowski, Vorsitzender des IHK-Gremiums Lichtenfels.

Scherer und Trier entwickelt und fertigt thermoplastische Formteile für die Automobilindustrie. Zu den Kunden zählen BMW, Daimler und der VW-Konzern. Der Hauptsitz des Unternehmens befindet sich in Michelau, wo auch der größte Teil der Mitarbeiter beschäftigt ist. Daneben unterhält das Unternehmen Standorte in den USA und Mexiko. Der Umsatz der Scherer und Trier-Gruppe betrug im Jahr 2013 rund 240 Millionen Euro.