Rudolf Herbst aus Neuensee ist Linedance-Weltmeister
Autor: Klaus Gagel
Neuensee, Donnerstag, 26. Sept. 2013
Rudolf Herbst aus Neuensee ist Linedancer. Nun ist er auch Weltmeister. Denn er nahm erfolgreich zusammen mit 1048 anderen Tänzern an einer Großveranstaltung in Chemnitz teil. Für den Line Dance müssen Körper und Geist sein.
"Side rock, cross, hold, weave right" - längst sind diese Kommandos den über 1000 Linedancer in Fleisch und Blut übergegangen. Mechanisch spulen sie ihre Choreografie ab, denn schließlich geht es um den Weltrekord, verbunden mit dem Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde. Mit dabei, in der dritten von 18 Reihen, ist Rudolf Herbst aus Neuensee. Es ist sein zweiter Weltrekord, den er an diesem Sonntag mit 1048 Leidensgenossen einfährt.
Eine Stunde Line Dance mit 20 Choreografien in der riesigen Chemnitz-Arena, das klingt zunächst nicht besonders aufregend für den Laien. Eine Stunde tanzen am Platz mit Schritten nach rechts und links, Gewichtsverlagerung auf den linken Fuß, mit der rechten Hacke schräg auftippen, dazu das rhythmische Klatschen in die Hände und ähnlichen Folgen fordern jedoch ihren Tribut.
Schon nach einer halben Stunde rinnt der Schweiß unter den grünen T-Shirts in Strömen.
Tänzer schwitzen, Publikum friert
Während sich die rund 2000 Zuschauer auf der Tribüne in ihre Jacken hüllen, schwitzen die Tänzer unglaublich. Zwischen den Liedern sind maximal zwei Sekunden Zeit, um die Linie wieder auszurichten, denn jeder Tanz beginnt in einer Richtung. Die Linie darf auf keinen Fall in Unordnung geraten. Acht Schiedsrichter und Kameras überwachen das Geschehen.
Egal was passiert, selbst wenn der Strom ausfällt, dürfen die Linedancer nicht stehenbleiben. Es muss immer weiter getanzt werden, bis die 20 Choreografien durch sind. Bei der Generalprobe wird deshalb einfach mal zwischendurch bei einem Lied die Musik ausgedreht, um die Teilnehmer am Weltrekord auf solche Ausfälle vorzubereiten.
Notärzte sind vor Ort. Es hat bei solchen Weltrekordversuchen schon Herzversagen gegeben. Auch in Chemnitz muss ein Teilnehmer mit dem Rettungswagen abtransportiert werden. Bitter ist das auch für die anderen, denn wenn ein Teilnehmer ausfällt, wird laut Reglement ein Prozent von der Teilnehmerzahl abgezogen. Das sind also bei 1000 Teilnehmern gleich zehn Teilnehmer weniger, die in die Wertung kommen.
Und noch eine Panne passiert. Obwohl man vorher alles überprüft hatte, werden während des Weltrekordversuchs zwei Lieder vertauscht. Die falsche Reihenfolge bringt einen weiteren Abzug. Allmählich sind die Tänzer am Ende ihrer Kräfte.
"Wenn das 20 Minuten länger gedauert hätte, dann wäre ich wohl auch umgefallen", gesteht Rudolf Herbst, der durchaus gut im Training ist. Seit 2006 ist er aktiver Linedancer, von verletzungsbedingten Pausen abgesehen: "Ein Meniskus machte bei einer "komischen Drehung" nicht mehr mit."
Die Zuschauer werden aufgefordert, die Tänzer anzufeuern. Alle sind aufgestanden. 60.000 Hände klatschen den Rhythmus. "Ich habe geschwitzt wie verrückt, aber die Gänsehaut läuft einem über den Rücken und die Haare stellen sich auf", beschreibt Rudolf Herbst sein Erlebnis.
Dann ist es geschafft. Unbändiger Jubel braust auf. Die Tänzer liegen sich in den Armen. Von den 1201 angemeldeten Teilnehmern kommen 1048 in die Wertung. Der vierte Weltrekord, der in der Disziplin Line Dance aufgestellt wurde, ist unter Dach und Fach doch die Herausforderer, die Landecker Linedancer aus Sankt Anton, geben nicht auf. Am 12. bis 14. September 2014 starten sie einen neuen Weltrekordversuch mit noch mehr Teilnehmern.
Vor allem ein Hobby von Frauen
Rund zwei Drittel aller Linedancer sind Frauen. Sie sind meist verheiratet, doch der Partner tanzt nicht. Line Dance - nicht zu verwechseln mit Square Dance - wird zwar in der Gruppe getanzt, aber jeder Tänzer tanzt für sich allein, wenn auch synchron mit den anderen.
So gesehen gehört Rudolf Herbst, der erst im April aus dem Lichten-felser Stadtteil Roth nach Neuensee gezogen ist, zu einer "Minderheit".
Was bringt ihn also dazu, mehrmals wöchentlich zu trainieren und an solchen Weltrekordversuchen teilzunehmen? "Countrymusik war schon immer meine Welt, und ich habe schon immer gern getanzt", bekennt er. Jahrelang hat er in Geiselwind den Linedancern zugeschaut. Irgendwann hat er dann selbst die ersten Schritte ausprobiert. Den letzten Ansporn setzte ein siebenjähriges Mädchen, das zu dem großgewachsenen Mann emporschaute und spottete: "Hä, du kannst des ned?" Von da an wollte er es wissen ohne zu ahnen, worauf er sich einlässt.
Es gibt ungefähr 20 000 Countrylieder. Getanzt werden etwa 18 000 Lieder. Die Choreografien, also die Schrittfolgen, kommen aus Amerika. Sobald ein neues Lied publiziert wird, wird im Internet eine entsprechende Choreografie veröffentlicht. Die längste ihm bekannte Choreografie hat 127 Schrittfolgen. Das ist Gehirntraining pur.
Die Tänze lernt Rudolf Herbst bei den "Straight Line Dancer Socks Valley" in Gestungshausen und den "Dancing Cowgirls and Friends" aus Traunstein. Er selbst beherrscht inzwischen 240 Choreografien zwischen 32 und 127 Counts (Schritte). "Wenn die Folge erst mal im Kopf drin ist, dann wissen die Füße von alleine, was sie machen sollen", sagt er.
"Flash Mob" in der Innenstadt
Besonders motivierend ist das Gemeinschaftserlebnis. Das zeigte sich auch beim Rahmenprogramm in Chemnitz. Dazu gehörte ein "Flash Mob" in der Innenstadt. Ein Mädchen fängt an zu tanzen, immer mehr Tänzer, auch Passanten, kommen hinzu und tanzen mit. Am Ende waren es rund 800 Teilnehmer.
Für Aufsehen sorgte auch der Wappentanz, bei dem sich die Teilnehmer in Form des Sachsenwappens mit ihren T-Shirts in den Farben Weiß und Grün aufstellten.
Linedancer verstehen sich ohne Worte. Gern erinnert sich Rudolf Herbst an einen Urlaub auf Teneriffa mit ausländischen Teilnehmern. Auch ohne dass man die Sprache der anderen kennt, weiß jeder, wie die Choreografie abläuft, wenn er sie im Internet schon gesehen hat.
Das Internet bildet übrigens das große Kommunikationsforum für Linedancer. Dort kann man sich auch die Videos vom Weltrekord in Chemnitz ansehen oder mit anderen Gruppen in Kontakt treten.
Die nächste größere Party in der Region findet am 23. November in Mitwitz, im Saal des Hotels Wasserschloss, statt. Zu dieser Linedance-Party werden ca. 150 Leute erwartet. Der Eintritt ist für Zuschauer gratis.