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Raiffeisenbank Obermain-Nord schließt Mitglieder aus


Autor: Ramona Popp

Altenkunstadt, Mittwoch, 12. November 2014

Die Raiffeisenbank Obermain-Nord will bloße Teilhaberschaft nicht länger akzeptieren. Nur wer Angebote der Genossenschaft nutzt, soll auch von der Dividende profitieren. Ein Ehepaar hat vergeblich Widerspruch eingelegt.
Die Raiffeisenbank Obermain-Nord in Altenkunstadt Foto: Stephan Stöckel


Herbert D. ist enttäuscht. Nach 25 Jahren werden er und seine Frau, die beide Genossenschaftsmitglieder der Raiffeisenbank Obermain-Nord sind, ausgeschlossen. Über diese Entscheidung von Vorstand und Aufsichtsrat wurde D. vor zwei Wochen informiert. Der Grund ist "das Nichtvorliegen einer aktiven Hauptbankverbindung in unserem Hause", wie ihm schriftlich mitgeteilt wurde. Den Vorstand störe es wohl hauptsächlich, meint D., dass er und seine Frau die vier Prozent Dividende auf ihre Geschäftsguthaben bekommen, ohne ein Girokonto bei der Bank in Altenkunstadt zu haben.

"Nicht zum Selbstzweck"

Damit liegt er richtig. Seitens der Bank wird aber vor allem mit dem Genossenschaftsgedanken argumentiert. "Eine Genossenschaft hat keine Umsetzung des Shareholder-Value-Gedankens im Sinn, das heißt, keine Gewinnmaximierung", so Vorstandsvorsitzender Thomas Siebenaller.

Eine Genossenschaft bestehe nicht zum Selbstzweck, sondern um Mitgliedern aus der Region zu dienen. Dies setze voraus, dass die Mitglieder die Angebote und Dienstleistungen auch nutzen. Grundsätzlich wären Herbert D. und seine Ehefrau dazu auch bereit gewesen, "wenn wir den entsprechenden Bedarf haben und die Konditionen passen", wie sie argumentierten.

Das Rödentaler Ehepaar hatte sich gut informiert und den aktuell gebotenen Zins für nicht interessant befunden. Ein Online-Girokonto hätte man eröffnet - aber nicht für drei Euro Gebühr im Monat, während dies bei einer anderen VR-Bank kostenlos sei. "Wir haben bei mehreren Genossenschaften Anteile", berichtet D. Und dass die anderen sie als langjährige Mitglieder zu schätzen wüssten, weil eine Genossenschaft ohne Mitglieder nicht existieren könne.

Herbert D. war früher in der Gegend im Außendienst tätig und hatte bei den Vorgängergenossenschaften der Altenkunstadter Raiffeisenbank Anteile gekauft. Damals sei das gerne gesehen worden, denn besonders die kleinen Genossenschaften hätten das Eigenkapital benötigt. "Somit haben beide Seiten davon profitiert, und das ist ja auch das genossenschaftliche Prinzip", findet D.

Auf der Internetseite der Raiffeisenbank Obermain-Nord steht dazu: "Was einer nicht schafft, das schaffen viele", und es werden Werte wie Respekt, Solidarität, Partnerschaftlichkeit und Verantwortung beschworen. Während das Ehepaar D. aber Solidarität darin versteht, weiterhin Mitglied bleiben zu wollen, hat der Vorstand hier eine höhere Erwartung. Es könne nicht sein, dass jemand die überdurchschnittliche Dividende gerne vereinnahmt, bei der Anfrage zu einer Nutzung der Angebote der Genossenschaft aber ausführt, dass diese im Vergleich negativ abschneide.

"Wir - die Raiffeisenbank Obermain-Nord eG - erkennen hier die genossenschaftlichen Werte wie Solidarität nicht mehr", betont Vorstandsvorsitzender Siebenaller. Deshalb werde von dem genossenschaftlichen Recht Gebrauch gemacht, dieses Mitglied auszuschließen.

Erklärend führt Siebenaller aus, dass von den 11.861 Mitgliedern bei der jüngsten Durchsicht nur rund 50 als "inaktiv" aufgefallen seien. Der Bestand werde regelmäßig alle paar Jahre dahingehend überprüft. Die betreffenden Mitglieder würden dann persönlich oder schriftlich durch einen Berater gebeten, wieder in eine aktive Geschäftsbeziehung einzutreten.

In den meisten Fällen gelinge dies. Von den genannten 50 seien nur drei übrig geblieben, die tatsächlich zum Jahresende ausgeschlossen würden. Im vorliegenden Fall hätten sich Vorstand und Aufsichtsrat einstimmig für den Ausschluss entschieden.

Mitgliederwerbung geht weiter

Das Rödentaler Ehepaar konnte daran auch mit seinem Widerspruch nichts ändern. Dass es zudem über diese Zeitung den Weg an die Öffentlichkeit suchte, kam bei den Verantwortlichen der Bank offenbar gar nicht gut an. Aber nach 25 Jahren "rausgeschmissen" zu werden, wollte D. nicht einfach hinnehmen, wohl wissend, dass er "rechtlich nichts dagegen machen kann".

Offen bleibt die Frage, warum sich bei der Bank 15 Jahre keiner daran gestört hat, dass die beiden Mitglieder nur noch ihr Geschäftsguthaben dort halten. So lange ist es nach D.'s Erinnerung mindestens her, dass sein letzter Sparbrief aufgelöst wurde.
In den letzten drei Jahren hat die Raiffeisenbank Obermain-Nord nach Auskunft ihres Vorstandsvorsitzenden fast 3000 neue Mitglieder gewonnen. Und noch immer wird auf der Internetseite um weitere geworben. Noch immer geschieht das mit dem Hinweis auf das Mitbestimmungsrecht als Teilhaber und auf die attraktive Dividende. Von einer Verpflichtung zur Nutzung der Angebote ist dort nichts zu lesen.

Darauf angesprochen sagte Thomas Siebenaller, dies werde geändert. Schließlich merkte er noch an, Herbert D. könne jederzeit wieder Mitglied werden - wenn er die Genossenschaft auch nutzen wolle.