"Politik ist immer spannend"
Autor: Markus Häggberg
Schney, Sonntag, 10. Mai 2015
Rudi Breunig ist seit 50 Jahren Mitglied der SPD, Kathrin Bergmann seit zehn. Die beiden sprechen über die Gründe für ihr Engagement und was sich in den Jahren geändert hat.
50 Jahre SPD-Mitgliedschaft - Stadtrat und Pensionär Rudi Breunig (68) darf auf ein solches halbes Jahrhundert zurückblicken. Kathrin Bergmann (24) hat da noch einen weiten Weg vor sich. Die junge stellvertretende Ortsvorsitzende der Schneyer SPD ist Bankkauffrau und erst zehn Jahre dabei.
Eine andere Generation, eine andere Zeit und eine Gegenüberstellung.
Welcher politische Geist herrschte vor 50 Jahren in Deutschland und welcher herrscht heute?
Rudi Breunig: Die Zeit der Hochkonjunktur der Konservativen - Erhard, Strauß usw. Die Arbeitnehmerschaft hat sich nicht so richtig vertreten gefühlt.
Kathrin Bergmann: Ich glaube, es hat sich nicht viel verändert. Es ist nicht mehr ganz so leicht, neue Mitglieder zu begeistern.
Welcher politische Geist herrschte vor 50 Jahren im Lokalen und welcher herrscht heute?
Breunig: Wir waren kämpferisch eingestellt, wir wollten verändern. Das geht nur über starke Ortsvereine und die Schney war stark. In der Schney wusste man noch (schmerzlich), dass sich Unterschichten einst Bürgerrechte erkaufen mussten - Stichwort "Nickelbürger".
Bergmann: Heute gibt es unter Jugendlichen eine Ist-mir-egal-Mentalität. Warum soll ich Zeit opfern, wenn ich eh nicht die Möglichkeit habe, was zu bewegen.
Was waren die Gründe für Ihren Beitritt?
Breunig: Eine schwierige Frage, weil es ja nicht nur ein Grund war. Ich hatte das Gefühl, dass die SPD die einzige Gruppierung war, die Widerstand gegen die Wirtschaft leisten konnte. Und ich fand, dass man entweder schweigen und akzeptieren oder beitreten und verändern sollte.
Bergmann: Ich bin im positiven Sinn durch die Eltern vorbelastet. Ich habe Programme (auch anderer Parteien) verglichen...und außerdem ist Rot eine schöne Farbe (lächelt).
War Politik früher spannender oder ist sie es heute?
Breunig: Was ist schon spannend? Politik ist immer spannend, zu jeder Zeit. Vielleicht fehlt mir ein wenig mehr Streitkultur, Köpfe wie Wehner, Strauß oder Schmidt. Die (Politiker) sind heute vielleicht zu angepasst.
Bergmann: Politik im Heute spannend? Ich finde schon! Vor allem die Umweltpolitik und der Atomausstieg - ein richtig wichtiges Thema. Es ist spannend, wenn man sich damit auseinandersetzt.
Worauf sind Sie persönlich stolz?
Breunig: Da wüsste ich spontan nix. Aber vielleicht, dass man mir 22 Jahre lang das Vertrauen als Ortsvorsitzenden geschenkt hat.
Bergmann: Ich bin stolz darauf, dass der Ortsverein so gut dasteht. Ich hab´ ja nicht so die Lebenserfahrung, trotzdem steht der Ortsverein hinter mir.
Momente der Reue?
Breunig: Gibt es keine.
Bergmann: Auf Bundesebene gibt es Entscheidungen, die einem nicht gefallen, ist ja klar. Aber so weit zu gehen, die Partei zu verlassen...nein.
Enttäuschungen in 50 bzw. 10 Jahren?
Breunig: Viele Fehler hat sich die SPD auch selber zuzuschreiben. Vielleicht war das Fallenlassen Helmut Schmidts der größte.
Bergmnn: Vielleicht, dass wir der Großen Koalition zugestimmt haben.
Mit der SPD-Geschichte befasst?
Breunig: Zwangsläufig. Als Vorsitzender kriegt man ja Unterlagen, Chroniken und Festschriften.
Bergmann: Nein, wirklich nicht.
Lieblings-SPD-Lied?
Breunig: Na was wohl? Brüder, zur Sonne, zur Freiheit.
Bergmann: Brüder, zur Sonne, zur Freiheit - das ist das einzige, das ich kenne.
Textsicher?
Breunig: Es wäre schlimm, wenn ich es nach 50 Jahren immer noch nicht kennen würde.
Bergmnn: Nein. Ich schaue immer auf den Spickzettel.
Ein Rat an die Jugend bzw. an das Alter?
Breunig: Meinen Wahlspruch: Ehrlichkeit, Glaubwürdigkeit und Solidarität - damit ist man auf dem richtigen Weg.
Bergmann: Dass sie jungen Mitgliedern mit Rat zur Seite stehen, das aber nicht belehrend und nicht mit den Worten "damals haben wir es so und so gemacht".
Das Gespräch führte
Markus Häggberg