Partnerschaft ohne Begegnung
Autor: Ramona Popp
Lichtenfels, Donnerstag, 14. Januar 2021
Die Verbindungen nach Ariccia, Cournon, Prestwick und Vandalia werden in der Pandemie vor allem durch das Internet gehalten. Die bestehenden Freundschaften tragen gerade jetzt zu einem Blick über den Tellerrand bei.
Keine Reisen, keine persönlichen Treffen: Internationale Kontakte zu pflegen, gestaltet sich in der Corona-Pandemie schwierig. Doch das Internet ermöglicht eine neue Form der Teilhabe am Leben der anderen. Es gibt Freundschaften zwischen Lichtenfelsern und Menschen aus den Partnerstädten in Schottland, den Vereinigten Staaten, Frankreich und Italien, die bestehen schon seit Jahrzehnten. Da werden Weihnachtspäckchen hin- und hergeschickt, Neujahrswünsche geschrieben, E-Mails und WhatsApp-Nachrichten versandt. Wer sich traut, in der fremden Sprache zu telefonieren, kann ganz unmittelbar mit dem anderen verbunden sein. Stefan Gerstner, seit zehn Jahren Präsident der Vandalia-Abteilung im Städtepartnerschaftskomitee, nutzt diese Möglichkeit gern. Er steht nicht nur mit seinem amerikanischen Komitee-Kollegen Dave Starline in Verbindung, sondern pflegt persönliche Kontakte zu weiteren Familien in der Partnerstadt. Sechsmal war er schon "drüben", beruflich noch viel öfter in den Staaten. Seine Töchter hatten die Möglichkeit des Schüleraustausches genutzt.
Ob heuer ein Besuch möglich sein wird, ist fraglich. Die Region um Vandalia im Bundesstaat Ohio sei vor Weihnachten noch schlimmer als momentan von Corona betroffen gewesen, berichtet Stefan Gerstner. Jetzt setze man dort große Hoffnung auf die Impfung.
Die politische Situation in den USA ist ein sensibler Bereich. Stefan Gerstner weiß, dass in Vandalia eine eher konservative Wählerschaft und Trump-Anhänger zu finden sind. "Wir vermeiden es, über Politik zu diskutieren", sagt er. Da seien ja sogar manche Familie gespalten. Für umso wichtiger hält er die Verbindungen unter den Menschen. Sie zeigen, dass Freundschaften und friedliches Miteinander auch unter politisch Andersdenkenden möglich sind.
In Prestwick ist der Brexit gerade ein großes Thema. Beim Referendum 2016 stimmten in South Ayrshire, der Region um die Partnerstadt, 59 Prozent für den Verbleib in der EU. Die schottische Regierungschefin möchte ein neues Unabhängigkeits-Referendum auf den Weg bringen, wofür jedoch die Zustimmung der britischen Regierung benötigt wird - und Boris Johnson verweigert dies. Die Befürworter der Unabhängigkeit hoffen nun, durch einen Wahlsieg der Scottish National Party bei den Parlamentswahlen in Schottland im Mai den Druck auf die britische Regierung erhöhen zu können. Roland Dier, seit seiner Jugend erklärter Schottland-Fan, steht seit über zehn Jahren an der Spitze der entsprechenden Abteilung des Städtepartnerschaftskomitees und hält per E-Mail Verbindung zu John Park (Vorsitzender der Prestwick Town Twinning Association). "Auch wenn wir in Zukunft einen Reisepass brauchen, um unsere Freunde in Prestwick zu besuchen, wird uns dies sicher nicht abhalten", betont Dier. "Freundschaft ist nämlich ein Wert jenseits jedweder politischen Entscheidung." Diese Aussage untermauert er mit der Strophe eines Liedes des schottischen Nationaldichters Robert Burns (siehe unten).
Die in Schottland aufgrund von Corona geltenden Einschränkungen des Lebens sind schon seit Längerem strenger als bei uns. Wie ernst es der schottischen Regierung damit ist, wird auch daran deutlich, dass man dem noch amtierenden amerikanischen Präsidenten Donald Trump kürzlich die Einreise nach Schottland nicht erlaubte. Denn Golfspielen, so Nicola Sturgeon (First Minister - "Erste Ministerin") sei kein notwendiger Grund... "Trump Turnberry", Hotel und Golfplatz, befinden sich 32 Kilometer südlich von Prestwick.
Aus Ariccia waren in jüngster Zeit keine guten Nachrichten zu vernehmen. Im Herbst 2020 verlor Bürgermeister Roberto di Felica seinen Kampf gegen den Krebs. Beim letzten Besuch einer Lichtenfelser Delegation in Italien 2016 war die Erkrankung bereits bekannt gewesen. Damals war noch ein fröhliches Gruppenbild entstanden, auf dem der Lichtenfelser Bürgermeister Andreas Hügerich neben di Felipe zu sehen ist, der überraschend mit einigen Stadträten beim Gemeinschaftsabend vorbeigeschaut hatte, wie uns Günter Reinlein, Präsident der Ariccia-Abteilung, berichtet.
Inzwischen hat die Stadt vor den Toren Roms Gianluca Staccoli zum Nachfolger gewählt. Ein Glückwunsch-Schreiben erreichte den neuen Bürgermeister auch aus Lichtenfels.
Die Pandemie hat Italien schwer getroffen und das Land immer noch fest im Griff. Es gibt zumeist härtere Maßnahmen als in Deutschland. "Die Gedanken sind oft bei den italienischen Freunden", sagt Günter Reinlein und merkt an, dass die Italiener nur davon träumen könnten, den Unternehmen viele Milliarden an Finanzspritzen zukommen zu lassen, und es um die wirtschaftlichen Verhältnisse allgemein nicht so rosig bestellt sei. Aufgrund der Coronakrise arbeitslos gewordene Bürger werden mit Lebensmitteln und Gutscheinen versorgt. Auch die Präsidentin des Städtepartnerschaftskomitees Ariccia, Anna Maria Cardillo, und ihr Mann Bruno waren an Covid-19 erkrankt, jedoch glücklicherweise nur mit mittelschweren Symptomen. Sie wurden, wie 150 andere Bewohner der Stadt, zu Hause von medizinischem Personal betreut. Schwerer Erkrankte wurden im neuen Krankenhaus von Ariccia behandelt.
Ein Besuch in Ariccia ist eigentlich für die Pfingstferien geplant, nachdem dieser im vergangenen Jahr hatte storniert werden müssen. Doch noch weiß niemand, ob die Corona-Situation diese Reise zulassen wird.
Auch die Cournon-Abteilung würde gerne mit einer Gruppe im Herbst nach Frankreich aufbrechen. "Wir vermissen unsere Freunde und die Auvergne", sagt Komitee-Präsidentin Karen Schuhmann, die diese Aufgabe von ihrer Mutter Allmut Schuhmann übernommen hatte. Sie ist mit einer französischen Lehrerin befreundet und weiß von dieser, dass Ausgangssperren im Lockdown dort sehr streng kontrolliert werden: Ohne den nötigen Passierschein zahlt man eine Strafe.
Karen Schuhmann, die in Michelau lebt, ist selbst ein Beispiel dafür, dass Landkreisbürger selbstverständlich an den Lichtenfelser Städtepartnerschaften teilhaben können. Und sie ergänzt, dass die Stadt Lichtenfels die Aktivitäten regelmäßig finanziell bezuschusst. Solche Unterstützung gibt es in den anderen Ländern nicht.
"A Man's A Man for A' That" (1795, schottisches Lied von Robert Burns)
For a' that, an' a' that,
It's coming yet for a' that,
That Man to Man, the world o'er,
Shall brothers be for a' that.
zu Deutsch:
Trotz alledem und alledem,
Es kommt dazu trotz alledem,
Daß rings der Mensch die Bruderhand
Dem Menschen reicht trotz alledem!