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Online sein ist für Jugendliche Alltag


Autor: Klaus Gagel

Michelau, Donnerstag, 30. Januar 2014

Für Jugendliche haben Handy und Computer einen anderen Stellenwert als für ihre Eltern. Das sorgt oft für Ärger. Sozialpädagogin Stephanie Weiß gab bei ihrem Vortrag in Michelau Familien Orientierungshilfe.
Sie kennen die Problematik der modernen Medien, die beiden Schülerinnen Vanessa Pöhner und Annalena Jakob im Gespräch mit ihrer Lehrerin Silke Fischer (Mitte). Fotos: Klaus Gagel


Zappen - surfen - posten: drei Begriffe, die der heutigen Elterngeneration in ihrer Jugend noch völlig fremd waren, beherrschen den Alltag von Kindern und Jugendlichen. Oft werden die modernen Medien erst dann negativ wahrgenommen, wenn es ums Geld oder um die schulischen Leistungen geht. Der Vortrag "Medien in der Familie" der Stiftung Medienpädagogik Bayern wollte eine Orientierungshilfe geben.
In vielen Familien gibt es Ärger, wenn es ums Handy, den Computer oder das Fernsehen geht. Das berichten auch die beiden Schülerinnen Annalena Jakob und Vanessa Pöhner, die zur Freude ihrer Lehrerin Silke Fischer zu dem Vortrag an der Johann-Puppert-Schule gekommen waren. "Wir wollten wissen, wie Eltern darüber denken, denn auch wir leiden darunter, wenn es Stress zuhause gibt", verraten sie auf Nachfrage.

Deshalb haben sie sich unter die Eltern aus Michelau und Schwürbitz gemischt, die aufmerksam dem Vortrag der Diplom-Sozialpädagogin Stephanie Weiß an der Johann-Puppert-Schule folgen. Die beiden Schülerinnen haben das Gefühl, dass der Medienkonsum bei Kindern und Jugendlichen überhand nimmt. Handy und Internet dienten der Unterhaltung, wenn keiner der Freunde da ist, erzählt Vanessa Pöhner, wobei sie einräumt, dass oft das direkte Gespräch miteinander durch die Kommunikation übers Handy oder das Internet ersetzt wird. "In der Klasse reden wir fast nie über irgendetwas, aber im Chat das tauschen wird uns aus. In "WhatsApp" haben wir so eine Klassengruppe gegründet, über die wir alle kommunizieren. Über vieles, was wir uns dort mitteilen, würden wir privat nie miteinander reden.

Viele regen sich in What sApp oder auf Facebook auf, und wenn man sie dann zur Rede stellt, sind sie ganz klein und die besten Freunde."
Bei manchen Erwachsenen mag dieser allgemein zu beobachtende Trend nur ein Kopfschütteln auslösen. Doch die Welt hat sich in den zurückliegenden Jahren in einem rasanten Tempo verändert. "Medien gehören zum Alltag von Kindern. Ihr Einfluss lässt sich nicht aufhalten. Medien faszinieren, insbesondere neue Inhalte werden intensiv genutzt," sagt die Sozialpädagogin Stephanie Weiß. Das Spektrum ist breit gefächert. Es reicht von den mobilen Spielwelten (Gameboy) über Fernsehprogramme wie Kika oder RTL2 bis zum Internet mit YouTube, das unzählige Videos bereitstellt. Weit verbreitet sei die Medienkonvergenz, so Weiß. Ein Medium, etwa das Fernsehen, verknüpfe sich gezielt mit dem anderen - dem Internet - wo ergänzende Inhalte zu finden sind.

Beim Handy trete die Erreichbarkeit in den Hintergrund angesichts unzähliger zum Teil kostenpflichtiger Apps.

Datensammeln via WhatsApp und Facebook
Bei Jugendlichen ist dabei "What sApp" beliebt, das die kostenpflichtigen SMS mehr und mehr verdränge. Doch auch hier müsse man sich darüber im Klaren sein, dass nichts kostenlos ist. Über WhatsApp finde, ähnlich wie bei Facebook, ein indirekter Datenklau statt. Beide Plattformen sammelten begierig Daten über ihre Nutzer. Unter dem Mantel "Spaß am Lernen" wird Lernsoftware angeboten, wobei der Unterhaltungswert oft den Lerneffekt übersteigt, wie die Referentin ausführt. Es liege ihr fern, diese Mediennutzung in Bausch und Bogen zu verdammen, betont sie, vielmehr plädiere sie für einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit den neuen Medien, denn diese haben zweifellos auch ihre guten Seiten.


Hinsichtlich der Mediennutzung steht das Fernsehen mit Abstand an erster Stelle, Computerspiele belegen Rang drei, fast 50 Prozent nutzen nahezu täglich das Handy. Bücherlesen steht immerhin bei 48 Prozent vor allem bei Mädchen hoch im Kurs. Weniger als zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen lesen regelmäßig die Zeitung.
Die Verantwortung für die Mediennutzung liegt eindeutig bei den Eltern, auch wenn eine Vielzahl von Einflussfaktoren (Freunde, Angebot des Medienmarktes) ebenfalls eine Rolle spielen. Wichtig sind hier die Vorbildfunktion der Eltern, der ständige Kontakt mit den Kindern sowie der Dialog über die Inhalte der Medien.
Problematisch wird es, wenn die Leistungen in der Schule nachlassen, andere Freizeitaktivitäten vernachlässigt werden, das Familienleben leidet oder reale Schwierigkeiten mit dem Medienkonsum kompensiert werden. Oft verändern sich Kinder auch seelisch und körperlich.

Deshalb, so Weiß, gehören Bildschirme nicht ins Kinderzimmer, wo die Heranwachsenden unkontrolliert Medien nutzen können.
Thematisiert wurde auch die versteckte Werbung, der sich Kinder nur schwer entziehen können. Notwendig ist es deshalb, die Absichten der Werbeindustrie den Kindern gegenüber zu thematisieren. Dies gilt erst recht für hoch problematische Inhalte wie Gewalt gegen Kinder, Pornografie, Horrorfilme, Tod und Sex. "Es sind die Bilder, die im Kopf bleiben", machte die Referentin die Problematik bewusst und zog damit einen Trennstrich zu den erzählten Märchen, die ebenfalls nicht frei von Gewaltdarstellungen sind. Eltern sollten die Jugendschutzbestimmungen (USK für Computerspiele, FSK für Filme) sehr ernst nehmen.

Anwesende Eltern kritisierten die großen Altersspannen, zum Beispiel "6 bis 12 Jahre", ebenso wie die großzügige Auslegung.
Am Ende gab es eine Reihe nützlicher Tipps: Für jüngere Kinder empfiehlt es sich, eine Kindersuchmaschine (www.blinde-kuh.de,www.frag-finn.de, www.helles-koepfchen.de) als Startseite fürs Internet einzurichten. Die Broschüre "Flimmo", abrufbar auch unter www.flimmo.de, enthält eine Programmberatung für Fernsehsendungen, an der sich sowohl Eltern als auch Kinder orientieren können. Drei Farben informieren auf einen Blick über die Eignung der einzelnen Sendungen.

Grundsätzlich gilt: Es gibt keine Patentrezepte zur Medienerziehung, denn wie jede Erziehung ist sie vom ständigen Dialog geprägt.

Weder Belohnung noch Strafe
Medien sollten weder zur Belohnung noch zur Strafe und erst recht nicht als Babysitter eingesetzt werden. Eltern sollten sich auch mit ihrem Kind auf Regeln des Medienumgangs verständigen. Die Mediennutzung sollte gemeinsam festgelegt und verbindlich vereinbart werden. Die Grenzen sind einzuhalten. Nur dadurch erwerben die Kinder die lebenswichtige Medienkompetenz.