Olympischer Traum für Lichtenfelser
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Montag, 07. Mai 2018
In knapp zwei Wochen beginnen in Kiel die Bundesspiele der Special Olympics. Junge Athleten aus Lichtenfels werden dabei sein.
Lukas Grund (18) macht es immer wieder. Er streicht sich durchs Haar, nimmt den kommenden Ball ins Visier, springt hoch über die Netzkante und schmettert, schmettert und schmettert. "Smashen" heißt das im Fachjargon und smashen wollen er und weitere junge Menschen aus der Korbstadt demnächst auch in Kiel. Denn sie sind Olympioniken, das räumt ihnen auch das IOC (Internationales Olympisches Komitee) ein.
Mittwoch, 2. Mai 2018: nur noch zwölf Tage bis Kiel. In der Turnhalle der Maximilian-Kolbe-Schule werden gegen 17.39 Uhr vier Netze gespannt. Der Sport, der jetzt hier ansteht, ist auf seine Weise der schnellste der Welt. Kein Ball, das haben Messungen ergeben, fliegt zumindest für eine gewisse Streckenlänge so schnell wie ein Federball. Nicht, wenn er von jemandem wie Lukas gesmasht wird.
Der Traum, den sich der 18-Jährige hier mit Jessica Wohlfahrt, Nathalie Liebert, Maria Gascha, Daniel Gertloff und noch weiteren jungen Menschen der Sportgruppe des St.-Michael-Wohnheims teilt, ist die Teilnahme an den Special Olympics, der weltweit größten Sportbewegung für Menschen mit geistiger Behinderung und Mehrfachbehinderung. Von den Paralympics unterscheiden sich diese Spiele dadurch, dass bei den Paralympics in allerlei Disziplinen Menschen mit Körperbehinderung teilnehmen.
Für den Traum von Kiel treffen sich die Athleten aus Lichtenfels einmal pro Woche, machen sich warm, dehnen sich, üben Aufschläge, Beinarbeit oder das Schmettern. Kiel, das ist hier in den Köpfen der jungen Menschen zwischen 14 und 23 Jahren verankert. Die Stadt an der Ostsee besitzt Strahlkraft, denn vom 14. bis 18. Mai herrscht dort olympisches Flair, begegnen sich junge Menschen aus ganz Deutschland. Von 4000 Athletinnen und Athleten ist die Rede und wer weiß, vielleicht gelänge über diese Bundesspiele auch die Qualifikation für Abu Dhabi (Vereinigte Arabische Emirate), den Ort der Internationalen Special Olympics.
Zukunftsmusik Sommerspiele 2019, weit jenseits des kommenden 14. Mai. Ludwig Müller spielt Bälle zu. Im wirklichen wie im übertragenen Sinn. Er erfuhr vor einem Jahr davon, dass das Heilpädagogische Zentrum (HPZ) der Caritas eine Gruppe für den Sport hat, dem er selbst so nahe steht. Verwickelt man Müller in ein Gespräch über Taktiken im Badminton, erfährt man jede Menge über die Unterschiede zum Tennis. 14 Millionen organisierte Spieler soll es weltweit geben, denen ihr Sport Reflexe, Grundschnelligkeit und Kondition abverlangt.
Müller ist Bindeglied zwischen dem Badminton Club Staffelstein (BCS), der hier in der Halle die Netze zur Verfügung stellt, und den Rotariern vom Obermain, deren Schatzmeister er ist. Der Serviceclub will mit finanziellen Mitteln den Traum von Kiel befeuern. Schon in der Vergangenheit kümmerten sich die Rotarier um die Team-Ausstattung, um Schläger oder einen einheitlichen Dress.
"Immer nur gewinnen will ich", sagt Maria Gascha aus Lichtenfels. Die 14-Jährige wirkt da resolut. Und auch der neun Jahre ältere Daniel Gertloff macht eine klare Ansage: "Ich spiele gut, ich will eine Medaille holen."
So geht es auch Lucas Grund, dem 18-Jährigen, der in einem Moment viel Leidenschaft in sein Spiel legen kann, dann wiederum wie Bruder Leichtfuß wirkt und wie so viele seines Alters von einer ganz bestimmten Automarke schwärmt und darauf achtet, ob er beim Gruppenfoto eine gute Figur macht. Eine Lehrstelle winkt dem jungen Mann derzeit, er ist beflügelt.
Beflügelt ist auch Ergotherapeut, Betreuer und Erzieher Michael Schweiger. Er und seine Kollegin Karina Hübner leiten das Training, sehen Fortschritte, motivieren, bauen auf oder trösten auch mal. Schweiger, selbst das Racket schwingend, erklärt aus seiner Sicht den Wert einer Teilnahme seiner Lichtenfelser Gruppe: "Absolut ist das wertvoll, weil sie auf andere Leute aus ganz Deutschland treffen, mitunter sind sogar Delegationen aus anderen Ländern da. So entstehen Bekanntschaften an spielfreien Tagen. Dass das eine große Sache ist, wissen sie, und die Eröffnungs- und Abschiedsfeiern sind ja bombastisch."
Eine Qualifikation für die Bundesspiele in Kiel hat es im Rahmen bayerischer Spiele schon gegeben und manch einer hier im Team war schon einmal bei Bundesspielen. Die Vorbereitung läuft und einen neckischen Dress gibt es auch schon. "Badminions" (in Anlehnung an den Kinoerfolg von den Minions) und "schlagfertig" nebst "HPZ" steht dort auf grauem Textil aufgedruckt. Ein Dress so einzigartig wie der Traum von einer Teilnahme bei Olympia.