Obersdorfer Zauberer feilt an künftigen Shows
Autor: Markus Häggberg
Hochstadt am Main, Montag, 01. Juni 2020
Rudolf Konthur gilt als "Gentleman der Zauberkunst", aber auch ein Gentleman benötigt Einkünfte. Und gerade Künstler haben es derzeit schwer.
Am 13. März, sagt Rudolf Konthur, habe er seinen letzten Auftritt erlebt. Jetzt ist es Juni, und ohne Corona hätte er, "wenn alles normal weitergegangen wäre", bis dato 25 Auftritte absolviert.
Sein Atelier ist Kreativbude, Rückzugsort, eine Stätte des Tüftelns, des Nachsinnens und des Probens. Auf diesen knapp 50 Quadratmetern verbringt Konthur derzeit mehr Zeit als üblich. Überall gibt es Nischen, in denen Reminiszenzen zu finden sind: Das Plakat von Siegfried & Roy, der Tisch mit dem Porzellanzylinder samt Handschuhen und die Flightcases, diese stabilen Metallkisten zum sicheren Transport von Ausrüstung. Dann auch all die Fotos mit Prominenten und Persönlichkeiten. Und über dem Gebälk hängen Plakate über Plakate, in den Buffets und Vitrinen finden sich Arbeitsmittel wie bunte Bälle, Dutzende an Kartendecks oder auch Sprühkleber. An mehreren Balken hängen Scheinwerfer - blendende, gleißende Scheinwerfer.
"Proben unter realen Bedingungen", gibt Konthur zu verstehen. Und der Mann probt auch derzeit, hält sich fingerfertig und geschmeidig. "Weich bleiben" sollen die Finger durch Übungen. Wie er das erklärt, rollt er einen wie mit Samt bezogenen Wagen heran. Es ist eine Art Tisch, an dem Karten- oder Würfelkunststücke präsentiert werden. Tischzauberei nennt man das, mitunter auch Close-up-Zauberei. Dann fällt der Blick auf einen Aktenordner, der aufgeschlagen auf dem Schreibtisch liegt.
Stoisch und sogar nachsichtig
Ja, Corona hat vieles vermasselt. Aber es gibt auch glückliche Wendungen. "Bei mir ist es so gekommen, dass es sich verlagert hat", erklärt Konthur zu einem Auftrag in einem Schlosshotel. "Machen wir es im kommenden Jahr?", war eine Frage dazu, und dann musste nur noch das Datum im Vertrag geändert werden.
Konthur wirkt nicht angespannt. Es gibt Menschen, die bei solchen Gelegenheiten schimpfen und Beschwerde über die neue Zeit führen würden. Aber Konthur wirkt stoisch mit einer Prise guter Laune. Und Nachsicht: "Ein Kunde muss seine Räumlichkeiten, in denen ich auftreten soll, ja auch erst wieder frei bekommen", zeigt er sich verständnisvoll.
Vorträge und Shows überarbeiten
Doch nur weil er derzeit nicht auftreten kann, heißt das nicht, dass die Zeit verloren ist. Dabei deutet er auf den Ordner und zieht an einem Bambusrollo. Dutzende dicke Ordner kommen zum Vorschein. Übungen, Vorträge, Ideen, Seminare, Bühnenprogramme - was sich im Laufe der Jahrzehnte so ansammelte. Allein zwölf Vortragsordner sind es, und in jedem sind drei bis fünf Themen enthalten.
"Ich nehme sie mir alle vor", sagt Konthur mit Bestimmtheit. Was er damit meint, ist, dass er sie jetzt in dieser Zeit überarbeitet. Dabei im Blick hat er die Sprache: "Sie entwickelt sich im Laufe der Jahre weiter, man redet ja nicht mehr wie früher." Und er möchte sich nicht wie jemand anhören, der sich "im Laufe der Jahre selbst überlebt hat". So feilt er an neuen, besseren Begriffen und überlegt, ob sich diese auch ungezwungen anhören. Sprache fesselt, ist psychologisch, ist dramatisches Element - ohne sie wäre seine Kunst und die Nähe zum Publikum nicht denkbar.