Nur ein bischen erpressen ist auch schon strafbar
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Mittwoch, 07. Februar 2018
Lichtenfels oder Coburg - wo lässt man eine Erpressung "lieber" verhandeln? Der Angeklagte wählte Lichtenfels und wurde zu 3200 Euro Geldstrafe verdonnert.
Der im Amtsgericht vergleichsweise seltene Tatbestand Erpressung kam am Dienstag zur Verhandlung. 150 000 Euro wollte ein Mann für sein Schweigen und hinterließ eine Notiz mit dieser Forderung. Sein Adressat sah das ganz anders und verständigte die Polizei. Was folgte, war ein Prozess eigener Art.
Es waren schon einige Minuten der Verhandlung vergangen, da wurde Richter Stefan Jäger stutzig und stellte fest, dass das Verfahren auch an einem Coburger Gericht stattfinden könnte. Grund dafür war der Tatort, gelegen im nördlichen Landkreis und sehr dicht an den Coburger Raum grenzend. So erging von Richter Stefan Jäger auch der Hinweis an den 49-jährigen Angeklagten, er könne auch wahlweise in Coburg verhandeln lassen. "Sie hätten dann einen anderen Richter, wenn Ihnen das lieber ist." Doch dem 49-Jährigen schien an einer möglichst schnellen Erledigung des Vorfalls gelegen und so antwortete er: "Ne, Sie sind mir sehr sympathisch."
Was war geschehen? Am 11. Mai 2017 legte der Endvierziger in den frühen Morgenstunden auf dem Betriebsgelände seines damaligen Chefs einen Rucksack ab. In ihm enthalten ein Brief, der den Chef aufforderte, 150 000 Euro in bar zu zahlen, da sonst gegen den im Baugewerbe tätigen Mann eine Strafanzeige wegen Steuerhinterziehung bei der Polizei eingehen würde. Doch es kam anders.
Zwar sollte aus dem Tun eine Strafanzeige erwachsen, allerdings gegen den Erpresser selbst. Befragt zu den Hintergründen seines Handelns, ließ der Handwerker kaum ein gutes Haar an seinem nun Ex-Chef. Der würde Lohngelder schwarz auszahlen und somit die Steuer prellen. Über Jahre hinweg, in allmonatlicher Regelmäßigkeit seinen Berechnungen nach in ziemlich genau der geforderten Höhe. "Seine Frau verteilt die mit Geld gefüllten Kuverts", fügte der Angeklagten unterstreichend an.
Als Motiv für seinen Erpressungsversuch nannte er einen zurückliegenden Vorfall, bei dem auf einer Baustelle ein Schaden entstand, von dem sein Ex-Chef meinte, der 49-Jährige habe ihn selbst zu verantworten und zu begleichen. So kam es zu einem schmerzlichen Lohneinbehalt und letztlich auch zu einer Kündigung.
Mit vor der Brust verschränkten Armen folgte der Beschuldigte der Verhandlung und ließ nie ein Bedauern für sein Tun erkennen. Zwar sei ihm bei seiner Rucksackaktion "klar gewesen, dass nix dabei rauskommt", aber verraucht scheint seine Wut auf seinen Ex-Chef über die Monate hinweg nicht. "Ich habe mir halt Gedanken gemacht, wie ich mit ihm weiter verfahre", erklärte 49-Jährige und schob während der Verhandlung nach, erst vor drei Tagen "auch Kontakt zur Steuerfahndung in München aufgenommen" zu haben.
Schon damals bei seinem Erpressungsversuch legte der Angeklagte dem Rucksack noch eine markante Notiz bei: den Ausdruck des Strafrahmens für Steuerhinterziehung, versehen mit farbigen Markierungen.
Würde es also zwischen Ex-Mitarbeiter und Ex-Chef während der Verhandlung zu einer Konfrontation kommen? Immerhin war es unabdingbar, dass auch der einstige Chef in den Zeugenstand zu treten hatte. Doch die beiden Männer achteten nicht weiter aufeinander, schenkten sich keinen Blick.
"Haben Sie das Schreiben ernst genommen?", wollte Jäger von dem in Arbeitskleidung erschienenen Mann wissen. Der gab zurück, dass die Polizei das damals auf der Wache auch habe wissen wollen. Zudem sei er gefragt worden, ob die Drohung nicht "ein Kasperltheater ist".
Letztlich aber habe er das schon ernst genommen, was zeigte, dass er nur eine Stunde nach Auffinden des Rucksacks auf der Wache war. Ernst genommen worden wäre der Vorfall auch auf der anderen Seite. Dazu befragt, ob er wirklich die 150 000 Euro eingesteckt hätte, gab der Angeklagte mit verschränkten Armen und leicht genüsslichem Tonfall ebenfalls ernste Absichten wieder: "Ich hätte sie genommen."
Da die Sachlage klar und die Beweisführung nicht umständlich war, konnte auch bald plädiert werden. Staatsanwältin Viktoria Bockfeld sprach sich bei diesem Fall der Erpressung, der "im Versuch steckengeblieben" ist, für eine Geldstrafe in Höhe von 3200 Euro aus. Auf genau diesen Betrag fiel das von Jäger gesprochene Urteil wegen versuchter Erpressung aus.