Nur ein Bienenvolk hat überlebt
Autor: Ramona Popp
Ebensfeld, Freitag, 03. Mai 2013
Seit 25 Jahren ist Herbert Mengesdorf Imker. Jetzt hat für den Ebensfelder der Abschied von seinem Hobby begonnen.
Der Entschluss, mit der Imkerei aufzuhören, ist erst eine Woche alt. Er fiel an dem Tag, als Herbert Mengesdorf feststellen musste, dass von seinen sechs Bienenvölkern nur eines überlebt hat. Und dabei hatte es im März für ihn noch keinen Anhaltspunkt für diesen großen Verlust gegeben. Nur ein Volk war über den Winter eingegangen, bei den anderen war augenscheinlich "alles wunderbar", will heißen: "genug Futter, relativ starke Völker". Als er sich vergangene Woche wieder seinem Bienenstand näherte, fiel ihm gleich auf, dass da wenig Aktivität vor den Fluglöchern zu sehen war. In vier Kästen war gar kein Leben mehr, in einem nur noch wenig. Es schien ihm, als wären die Bienen "auf dem Futter verhungert". Ganz anders als wenn beispielsweise die Varroamilbe ein Volk zugrunderichtete, seien auch nicht viele tote Bienen da gewesen.
Pestizide im Verdacht
Herbert Mengesdorf spricht die Vermutung aus, dass es einen Zusammenhang mit Pestiziden gibt. Erst am Montag hat die EU ein Verbot dreier Pflanzenschutzmittel erlassen, die im Verdacht stehen, das seit langem beobachtete Bienensterben mit zu verursachen. Sie werden auf Raps, Mais und Sonnenblumen eingesetzt und schädigen offenbar den sensiblen Orientierungssinn der Pollen und Nektar sammelnden Insekten.
Die Wirkstoffe, sogenannte Neo nicotinoide, sind Nervengifte. Vom 1. Dezember an dürfen mit diesen Chemikalien vorbehandelte Samen weder verkauft noch ausgesät werden, die Pestizide selbst weder auf den Boden noch auf die Pflanzen aufgebracht werden. Umweltschützern geht das zunächst auf zwei Jahre befristete Verbot von Clothianidin, Imidacloprid und Thiamethoxam indes nicht weit genug. Alle für Bienen schädlichen Pestizide müssten generell vom Markt genommen werden. Und der Chemie-Riese Bayer, der zwei der drei Gifte produziert, rechnet mit 80 Millionen Euro Umsatzeinbußen und hält die Wirkstoffe nach wie vor für "sicher, wenn sie so eingesetzt werden, wie es vorgeschrieben ist", wie es ein Unternehmenssprecher formuliert.
Grundlage für das Verbot war ein Gutachten der EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit, in dem ein "hohes, akutes Risiko" für Bienen durch die genannten Stoffe gesehen wird.
Enorme Bestäubungsleistung
Weltweit mehren sich Nachrichten über das Sterben der Bienen. Nachdem im Winter 2002/2003 die Imker in Deutschland ungewöhnlich hohe Verluste von um die 30 Prozent verzeichnet hatten, wurde 2004 das Deutsche Bienen-Monitoring-Projekt ins Leben gerufen, um Ursachenforschung zu betreiben. Das auch vor dem Hintergrund des volkswirtschaftlichen Nutzens der Bestäubungsleistung der Honigbiene, der mit rund zwei Milliarden Euro jährlich in Deutschland und 70 Milliarden US-Dollar weltweit angegeben wird und damit von immens größerer Bedeutung als ihre Honigproduktion ist.
42 verschiedene Chemikalien
Den größten Einfluss auf die Verluste hat nach den bisherigen Erkenntnissen der Befall eines Volkes mit der Varroamilbe, einem Bienenparasiten. Im Pollen, den die Bienen im Stock durch Fermentierung haltbar gemacht haben, fanden die Forscher in den Jahren 2005/06 42 verschiedene Wirkstoffe von Pflanzenschutzmitteln. Für die Untersuchung waren Bienenvölker ausgewählt worden, die besonders Rapsfelder beflogen hatten. Durch die gefundenen Pestizidrückstände ließ sich zwar konkret keine Beeinträchtigung der Überlebenschancen der Bienen im Winter nachweisen, doch merkten die Untersuchenden an, dass chronische Auswirkungen nicht erfasst wurden. Man gehe generell davon aus, dass eine gleichzeitige Verunreinigung des Pollens durch verschiedene agrochemische Wirkstoffe Larven oder Ammenbienen, die diesen in hohem Maße belasteten Pollen aufnehmen, schädigt. Es müssten hierzu noch weitere Untersuchungen mit verbesserten Methoden durchgeführt werden.
Es ist wohl davon auszugehen, dass es eine Summe von Faktoren für das Bienensterben gibt. Herbert Mengesdorf jedenfalls hat es heuer so schlimm getroffen wie noch niemals zuvor in 25 Jahren als Hobby-Imker.
Ja, sagt der 71-Jährige, er hätte schon darüber nachgedacht, kürzerzutreten, nun aber sei das schneller gekommen, als er wollte. Das eine Volk, das ihm geblieben ist, werde er noch weiter versorgen, versichert er. Über die künftige Nutzung seiner Imker-Utensilien und des Bienenstandes hat er sich Gedanken gemacht. Ihm liegt etwas am Imkern. Er erzählt auch von jungen Leuten, die einen Lehrgang an der Mitwitzer Imkerschule besucht haben und die hoffentlich dabeibleiben werden. Und davon, was demnächst zu tun ist am Bienenstand. Das will er noch tun, an seinem einen, letzten Volk.
(weitere Quellen: dpa; Deutsches Bienenmonitoring-Projekt; www.morethanhoney.senator.de; Deutscher Imkerbund)