Neuer Versuch, letzte Chance: Viktors Weg aus der Sucht
Autor: Stephan Großmann
Hochstadt am Main, Freitag, 05. Juli 2019
Viktor will raus aus der Sucht. Es ist nicht der erste Versuch, aber möglicherweise seine letzte Chance: Mit eisernem Willen und einem strukturierten Leben will er in Hochstadt seine Entwöhnung endlich erfolgreich abschließen. Wir haben ihn besucht.
ieses Mal soll alles anders werden. Viktor ist zuversichtlich, dass die Entwöhnung beim dritten Anlauf klappt. Endlich clean sein, für immer. Es klingt wahrhaftige Überzeugung in der Stimme mit, wenn er von seinen Hoffnungen und Träumen einer drogenfreien Zukunft erzählt. Von der Zeit danach. Doch bis dahin ist es für den 31-Jährigen noch ein weiter Weg.
Viktor lebt derzeit in der Suchtfachklinik Hochstadt im Landkreis Lichtenfels. Freiwillig. "Ich bin die Scheinwelt der Drogen leid und möchte keine Angst mehr im Nacken spüren", erzählt der junge Mann aus dem Nürnberger Land. Zu oft habe er schon beinahe die Schwelle zur tödlichen Überdosis überschritten. Zu oft war er am Boden. "Ich habe das Bedürfnis nach Ruhe und Geborgenheit. Drogen geben mir das nicht mehr."
Viktors Leidensweg ist lang. Geboren wurde er im russischen Sibirien, als Zehnjähriger kam er nach Mittelfranken. Das erste Mal gekifft hat er drei Jahre später, seither probierte er nahezu alles aus, was der Drogenmarkt in Franken hergab. Amphetamine, Koks und die sogenannten Legal Highs. Also jene Kräutermischungen, gegen unsere Gesetzgebung noch keine wirksame Strategie gefunden haben. "Wie ich mir die besorgt habe? Per Post. War gar kein Problem."
Nur wenig nüchterne Minuten
Wer sich mit ihm unterhält und seinen eloquent vorgetragenen Geschichten lauscht, würde auf den ersten Blick keine langjährige Drogenkarriere vermuten. "Da habe ich wohl Glück gehabt", sagt Viktor. Nüchterne Minuten hatte ich nur wenige. Wenn überhaupt, ließ der Rausch vielleicht mal nach." Auf den zweiten Blick merkt man es dann doch.
Sein Zimmer wirkt sehr ordentlich, auf dem Bücherregal finden sich Werke über Quantenphysik, philosophische Schriften von Kant und der Koran. Viktor ist wissbegierig, sehr belesen, ein super Schachspieler. Schon seine Oma sei sehr schlau gewesen, erzählt Viktor, er selbst konnte schon mit vier Jahren lesen und schreiben. Aber Intelligenz ist nicht alles, vor der Abhängigkeit hat sie ihn nicht bewahren können. "Trotz allem bin wohl noch glimpflich davon gekommen bisher", sagt er lächelnd.
Alternativer Drogen- und Suchtbericht stellt Bundesregierung schlechtes Zeugnis aus
Weniger amüsant liest sich sein Vorstrafenregister. 16 Verurteilungen finden sich darin, in der Regel hatten die Delikte mit der Sucht zu tun. "Offiziell gelte ich als Schwerverbrecher", sagt Viktor. Er verbrachte beinahe ein Viertel seines Lebens im Gefängnis. Falscher Stolz? Fehlanzeige. Ebenso wie Bedauern oder schlechtes Gewissen. Viktor möchte die Vergangenheit hinter sich lassen, lieber nach vorne blicken. "Ich will allen beweisen, dass ich es drauf habe."
Alle. Damit meint er seine ehemalige Clique, die Drogen nahm, um "Zeit tot zu schlagen". Auch seine Eltern, denen er ein guter Sohn sein möchte. Er meint seinen Opa, der ihn aufnahm, als es ihm besonders schlecht ging. Der Großvater starb in einer von Viktors drogenreichen Phasen, das nagt bis heute an ihm. Denn er konnte für seinen Opa nicht da sein, als es ihm schlecht ging. Und schließlich bedeutet "alle" auch Viktor selbst. "Ich will eine Spur in der Welt hinterlassen." Die Menschen sollen sich seiner erinnern. "Aber nicht als Drogensüchtigen."