Nach Tötungsdelikt in Trieb muss Rentner in Psychiatrie
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Mittwoch, 15. Juli 2015
Richter Gerhard Amend ordnete an, dass ein Trieber in der Psychiatrie untergebracht wird. Der Täter aus dem Kreis Lichtenfels ist weder schuldfähig noch -einsichtig. Er hatte vergangenen Herbst drei Schüsse auf einen 47-Jährigen abgegeben und ihn schwer verletzt. Jetzt fiel das Urteil in Coburg.
Am 23. Oktober 2014 erschütterte ein Vorfall den Lichtenfelser Stadtteil Trieb. Gestern fiel am Landgericht dazu das Urteil gegen einen 73-Jährigen, der seinem Nachbarn auflauerte und drei Kugeln auf ihn abfeuerte: Der Täter wird in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht.
Ruhig wirkte der 73-jährige wegen versuchten Mords angeklagte Trieber während der Verhandlung. Wohl auch, weil er medikamentös eingestellt war. Aber direkt angesprochen erwies sich, dass der Senior der Verhandlung unter Vorsitz von Richter Gerhard Amend durchaus zu folgen imstande war. Es zeigte sich aber auch, dass er von Läuterung weit entfernt war.
"Bis heute gibt es keine Krankheitseinsicht", so Klaus Leipziger, Facharzt für Psychiatrie. Eine paranoide Schizophrenie habe dazu geführt, dass der Täter in den frühen Morgenstunden des 23. Oktober seinem 47-jährigen Nachbarn auflauerte und ihn mit den Worten "Stasi, du hast meinen ganzen Organismus kaputtgemacht und mein ganzes Leben" niederstreckte. Zwei Bauchschüsse und ein Schuss in den Arm waren das lebensgefährliche Ergebnis.
Unbelehrbar
Noch heute zeige er sich davon überzeugt, dass sein Nachbar ihm Böses wollte. Wie sein Facharzt ausführte, habe der Mann nun auch das Krankenhauspersonal im Verdacht, ihn vergiften zu wollen. Als "wahnhaft und unkorrigierbar" bezeichnete Leipziger den Rentner, der bei seiner "paranoiden Schizophrenie" auch "keine Krankheitseinsicht" zeige.
Einen Beweis dafür lieferte der 73-jährige noch im Gerichtssaal, als er einmal in Bezug auf das Überleben seines schwerverletzten Opfers von "leider" sprach. Maßgeblich dürfte auch die Aussage eines Kriminalkommissars gewesen sein, der davon berichtete, dass der Rentner bei der Vernehmung einen gefassten Eindruck machte, aber auch davon ausging, dass sein Nachbar "Nervengift" in seine Wohnung einbringen wollte.
Letztlich hielt es der Mediziner für möglich, dass der Angeklagte womöglich schon seit Ende der 60er-Jahre unter Anzeichen von Realitätsverlust leidet.
Das sollte sich auch in der Antwort andeuten, die er seiner Rechtsanwältin Regina Taubert auf die Frage gab, weshalb er sich Anfang der 80er-Jahre in der Hamburger Unterwelt zwei Pistolen gekauft habe: Um sich gegen seine Söhne zu wehren. Auch seine eigene Frau, von der er im selben Jahrzehnt geschieden wurde, verdächtigte er, ihn vergiften zu wollen.
Im Geheimen belauert
Als unauffälligen Mann zeichnete eine Nachbarin den Beschuldigten. Auch sein Opfer ahnte nicht, dass es ins Visier genommen wurde. "Mein Eindruck war, das ist ein alleinstehender älterer Herr, der sich für Fußball interessiert (...) er war wirklich ein Außenseiter", so der 47-Jährige.
Spätfolgen
In seinem Leben hat der Angriff tiefe Spuren hinterlassen: "Wenn ich nur erschrecke, schaltet mein Körper sofort auf Panik." Das Opfer sprach von Alpträumen und Angstbildern. Die Schüsse verletzten seinen Darm schwer, die Galle musste entfernt werden .
Der Mann konnte erst dreieinhalb Monate nach der Tat wieder einer Arbeit nachgehen. Dass er überhaupt überlebt hat, ist wohl nur einer nach dem dritten Schuss einsetzenden Ladehemmung der Pistole zu verdanken.
In seltener Einmütigkeit folgten die Plädoyers von Staatsanwalt Philipp Karr, Verteidigerin Regina Taubert und Kristina von Imhoff, die die Interessen des Opfers vertrat. Sie alle gingen davon aus, dass der 73-Jährige an einer psychischen Erkrankung leidet.
Gefahr für Allgemeinheit
Das ließ selbst Staatsanwalt Karr von "Schuldunfähigkeit" ausgehen. Gleichwohl hielt er fest, dass eine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit bestehe. Er forderte, den gesundheitlich beeinträchtigt wirkenden Senior in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen.
Vom Vorwurf des versuchten Mords zugunsten von versuchtem Totschlag rückte im Urteil auch Richter Amend ab und ordnete die Unterbringung in der Psychiatrie an. "Wir kommen nicht umhin, festzustellen, dass er schuldunfähig ist", so Amend. Er hielt dem Verurteilten zugute, dass er krank sei und darin einwilligte, 20 000 Euro Schadensersatz an sein Opfer zu zahlen.