Nach Staffelberg-Sturz: So geht es dem 67-jährigen Mann heute
Autor: Maximilian Glas
Bad Staffelstein, Samstag, 03. Sept. 2016
Zwei Wochen nach seinem schweren Unfall spricht Willy Hailer aus Pfaffenhofen über den dramatischen Moment, die Rettung und seinen Zustand.
Äußerst offen und redselig: So gibt sich Willy Hailer zwei Wochen nach seinem seinem schweren Unfall am Staffelberg. Der 67-Jährige aus Pfaffenhofen an der Ilm ist beim einstündigen Krankenhausbesuch des Fränkischen Tags sogar zu Scherzen aufgelegt, versprüht mit seinem charismatischen oberbayerischen Dialekt Optimismus und Lebensfreude. An bestimmten Erzählpassagen kommt er allerdings ins Stocken, seine Stimme senkt sich, er kämpft mit den Tränen. "Ich habe in den vergangenen Tagen einige Male geweint. Aber nicht, weil ich verzweifelt über meine gesundheitliche Situation war", sagt Hailer. "Geweint habe ich aus Rührung, für die Hilfe und den Zuspruch, den ich hier bekommen habe."
Zwei Wochen lag der Rentner mit mehreren Wirbelbrüchen im Helmut-G.-Walther-Klinikum in Lichtenfels - die Hälfte der Zeit auf der Intensivstation. Zuvor hatte er in seinem Leben erst drei Nächte in einem Krankenhaus verbracht. "Ich hätte mir nie vorstellen können, welche Zuwendung und menschliche Wärme man hier bekommt. Das Pflegepersonal leistet hier Extremes, und ist trotzdem immer gut drauf und nie genervt. Wir haben so viel miteinander gelacht, das war einfach toll." Voll des Lobes ist der ehemalige Journalist auch für die Fachärzte der Neurologie, Unfallchirurgie, Kardiologie und Anästhesie: "Professionell, aber trotzdem herzlich. Ihr könnt wirklich stolz auf dieses Krankenhaus sein."
Gehversuche nach zwei Wochen
Dass es sich bei diesen Aussagen um keine Lippenbekenntnisse handelt, bekommt man während des Gesprächs am fast schon freundschaftlichen Umgang mit den Pflegekräften selbst mit. Auch seine Physiotherapeutin machte eine kurze Stippvisite an seinem Krankenbett. "Die Frau hat mich wieder auf die eigenen Beine gestellt", sagt er im Anschluss. Nur wenige Minuten vor dem Gespräch machte er zwei Wochen nach dem Unfall auf der Klinik-Terrasse seine ersten Gehversuche mit einem Rollator. "Ein Glücksgefühl, in den ersten Tagen auf der Intensivstation hätte ich mir das nie träumen lassen", erzählt er. Denn zu dem Zeitpunkt war noch völlig offen, ob der 67-Jährige überhaupt jemals wieder laufen kann, wie ihm die Ärzte mitteilten. Rückblick: Am Mittwoch, 17. August, stürzte Willy Hailer bei einem Ausflug am Staffelberg in eine Felsspalte. Etwa fünf Meter tief fiel er, landete auf einem Felsvorsprung und blieb dort - wenige Zentimeter vom Abgrund entfernt - auf dem Bauch liegen. Ein Großaufgebot von Feuerwehr und Rettungsdienst konnten den 67-Jährigen mit einer Drehleiter, Seilen und einer Schleifkorbtrage das Leben retten. Doch wie kam es überhaupt zu diesem Unglück?
Seit 50 Jahren im Alpenverein
Willy Hailer und seine Frau Herta sind seit 30 Jahren begeisterte Camper. Mit ihrem Wohnmobil wollten sie in Erfurt bei ihrem Sohn, ihrer Schwiegertochter und der dreijährigen Enkelin ihren Sommerurlaub verbringen. Von einem Ausflug mit seiner Altherren-Volleyballmannschaft kannte Hailer den Staffelberg und Umgebung bereits. Zwischenstopp machte das Ehepaar daher für drei Tage auf dem Campingplatz Oberwallenstadt. Nach Ausflügen nach Bamberg und Vierzehnheiligen stand am letzten Tag der Staffelberg auf dem Programm. Am Plateau angekommen, wollte sich Willy Hailer von seiner Frau direkt an der Gipfel-Fahne fotografieren lassen. Hierfür müsse man sich in eine schmale Rinne begeben und am Ende dieser auf einen rund 1,20 Meter tieferen Felsblock treten. Dann könne man auf der anderen Ebene zur Franken-Fahne hochsteigen, erklärt der 67-Jährige. "Für einen Geübten wie mich ist es eigentlich ein Spaziergang, da rüberzugehen", sagt er. Bereits seit seinem 16. Lebensjahr ist der Pfaffenhofener in den Alpen und anderen Gebirgen als Bergsteiger unterwegs. Vergangenes Jahr wurde er für seine 50-jährige Mitgliedschaft im Alpenverein geehrt. Über 100 Gipfel hat er in seinem Leben bereits erklommen - passiert sei dabei nie etwas. "Ich bin absolut schwindelfrei und immer trittsicher gewesen."
Ehefrau geriet nicht in Panik
An diesem Tag war Hailer es zum ersten Mal nicht. Als er von der Rinne nach unten auf den 1,20 Meter tieferen Felsblock treten wollte, habe er aus unerklärlichen Gründen das Gleichgewicht verloren. Der Rentner kippte nach rechts, schlug mit dem Kopf an die Felswand und fiel wenige Meter nach unten auf eine Plattform. Der behandelnde Kardiologe schloss im Nachgang nicht aus, dass dem Rentner schlecht wurde und er kurzzeitig die Besinnung verlor und dann stürzte. Denn bei seinem Abtransport im Krankenwagen in der Notaufnahme setzte sein Herz zweimal für mehrere Sekunden aus, berichtet Hailer. Zumindest nach dem Aufprall auf den Felsen war der 67-Jährige allerdings wieder bei vollem Bewusstsein und bekam alles mit, was um ihn herum geschah. "Das erste, was ich wahrgenommen habe, war das Blut, das von meinem Kopf wie ein Wasserfall herunterlief. Ich habe es auf den Felsen richtig platschen hören", sagt er. "In dem Moment habe ich mir ganz nüchtern gedacht, das war's jetzt, das ist dein Ende." Weder Arme noch Beine konnte der Rentner spüren, das Schnaufen fiel ihm schwer.
Ehefrau Herta versuchte zuerst nach unten zu klettern, erkannte dann aber, dass dies zu schwierig sei und beruhigte ihren Mann bis zum Eintreffen der Einsatzkräfte von oben. "Sie war aber nicht in Panik, sie hat ganz toll reagiert", sagt er. Als Willy Hailer merkte, dass die Blutung an seinem Kopf langsam stoppte, keimte auch bei ihm wieder Hoffnung auf. Nach wenigen Minuten waren die Kräfte von Feuerwehr und BRK eingetroffen und haben den 67-Jährigen nach rund 45 Minuten aus der lebensbedrohlichen Lage befreit. Zum Notarzt habe er dabei sofort Vertrauen aufgebaut. Auch bei allen anderen Nothelfern möchte er sich bald bedanken. "Die kriegen ein Fassl Bier von mir, das ist klar", sagt Hailer lachend.
Beine angefühlt wie Holzklötze
"Neben den Nothelfern hatte ich ein ganzes Heer von Schutzengeln. Wir waren den Tag zuvor auf Vierzehnheiligen oben. Ich bin jetzt keiner, der jeden Sonntag in die Kirche rennt, aber an eine übergeordnete Macht glaube ich schon." Im Lichtenfelser Krankenhaus wurde Hailer umgehend operiert - die zwei gebrochenen Halswirbel wurden stabilisiert. Nach Röntgenaufnahmen war die Situation ernster als zunächst angenommen. Die Bandscheibe und Blutergüsse drückten auf das Rückenmark. "Gott sei Dank war das Rückenmark aber nicht komplett durchtrennt, sondern nur gequetscht."Trotzdem waren die Prognosen der Ärzte an den ersten Tagen vorsichtig. "Mein rechter Arm war total taub, meine Beine konnte ich zwar etwas bewegen, fühlten sich aber an wie dicke Holzklötze." Verzweifelt war Willy Hailer aber auch in diesen Stunden nicht. "Vielleicht wäre das Gefühl gekommen, wenn es nicht jeden Tag besser geworden wäre", erklärt er. Mittlerweile habe er in beiden Armen wieder Gefühl, mit dem rechten kann er sogar schon nach Sachen greifen. "Die Hoffnung auf ein Leben ohne Rollstuhl habe ich jetzt wieder. Ich kämpfe dafür, das Beste aus der Reha rauszuholen. Aber ich erwarte und fordere nichts. Auch wenn ich nicht mehr auf dem Radl sitzen kann, gibt es im Leben noch viele schöne Dinge, die man auch als behinderter Mensch genießen kann."
Seine Reha absolviert er seit zwei Tagen in der Unfallklinik Murnau am Staffelsee (Oberbayern). Auch an den Staffelberg möchte er möglichst bald zurückkehren. "Egal, wo wir waren, die Leute waren überall so herzlich und fröhlich. Ihr seid einfach ein lustiges Volk!"