Musik heißt ihre Leidenschaft

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Sven Fricke zeigt Original (links) und Nachdruck. Entscheidend sind Erscheinungsjahr und Label. Foto: Markus Häggberg
Sven Fricke zeigt Original (links) und Nachdruck. Entscheidend sind Erscheinungsjahr und Label. Foto: Markus Häggberg
In den Kisten wurde eifrig gestöbert. Foto: Markus Häggberg
In den Kisten wurde eifrig gestöbert. Foto: Markus Häggberg
 
Foto: Markus Häggberg
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Foto: Markus Häggberg
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Bei der Börse für Schallplatten in der Stadthalle Lichtenfels trafen sich Vinyl-Liebhaber.

Es riecht nach Plastikfolie, Holzschuber und Papier. Die Plattenhändler sind in der Stadthalle. Vor Wochen waren einige von ihnen auch in Schweinfurt, in einer Woche sind sie in Hof, danach werden sie in Regensburg sein. Um den Verkauf allein geht es ihnen nicht. Ihre Leidenschaft heißt Musik und ihr Favorit ist aus Vinyl. Das ist manchen etwas wert.
Das Foyer der Stadthalle bietet Platz für Gänge, um auf ihnen zu wandeln. Entlang der Reihen an Schallplatten, die Händler wie Ulrich Urbas aufgebaut haben.
Der Mann aus der Nähe von Schweinfurt ist mal wieder in Lichtenfels. Dass er eigentlich Bankkaufmann ist, sieht man ihm hier wahrlich nicht an. Wenn Kisten geschleppt werden müssen, dann hat das mit Staub zu tun, also ist pragmatischer Kleidung der Vorzug zu geben. Schleppen durfte er am Sonntagmorgen genug, allein die Boxen und Behältnisse, in denen seine CDs lagern, dürften in die Zentner gehen. Nicht minder die LPs.
Im Katalogwert von 500 Euro habe er einmal eine Single von den Rolling Stones angetroffen. Abgekauft, für einen Freund, habe er sie für 250 Euro. "Ich weiß, die steht jetzt eingerahmt", sagt er lächelnd. Er versteht Menschen, die zur Liebe für die Musik des haptischen Erlebnisses bedürfen. Musik muss man anfassen können, betrachten, man muss in Händen halten, was legendär und Kulturgut geworden ist. Aus dem MP-3 dürfe Musik nicht sein. "Das spricht mich nicht an", sagt auch Sven Fricke. Er reiste aus Erlangen an und veräußert einen Großteil seiner LPs auch darum, weil seine Frau heimische Platznot bemängelte. Bei Sven Fricke steht die LP im Zusammenhang mit dem Großen und Ganzen, denn der Grund, weshalb er Musik auflegen und nicht runterladen will, ist die Angst davor, "festzustellen, dass auch wir nur binäre Codes sind". Es menschelt, so wie er sich ausdrückt. "Ich habe kein Problem, 100, 200 Kilometer zu fahren, ich bin Außendienstmitarbeiter", so der Mann zu den Entfernungen, die er für Plattenbörsen zurücklegt. Im Wert von über 70 Euro hat er kein Werk einer Band oder eines Solisten in der "Wühlkiste" dabei und wenn jemand wirklich etwas Kostspieliges zu sehen bekommen möchte, dann zeige er nur, wenn klares Interesse signalisiert würde. So wie bei dem 540 Euro teuren Pink-Floyd-Set mit Booklet und CDs. Einer seiner größten heutigen Schätze besteht in einer originalen Kraftwerk-LP von 1974. Nur echt mit dem Autobahn-Verkehrsschild als Cover. Das gibt es auch als Nachdruck aus späteren Jahren - mit nicht einmal der Hälfte des Wertes mehr.
Ulrich Urbas schmunzelt. Die größte Rarität, die er je ankaufte, war eigentlich keine. Es war eine normale LP von Status Quo. Aber die originalen Unterschriften der Bandmitglieder haben sie zu etwas Besonderem gemacht. Nur, wer Bandmitglied ist und wer Studiomusiker, wer die Songs schrieb und textete, das lernt sich alles nicht von heute auf morgen. Darum liest Urbas sich ein. Er will wissen, welcher Rocker mit welchem anderen wann und wo auftrat oder eine Komposition vorlegte. Seine Kunden wissen das oft nämlich auch und lesen hilft, "um bei Diskussionen auf Augenhöhe zu sein".
"Wenn ich Schallplatten kaufe, schaue ich mir immer an, wer bei den Bands noch gespielt hat, stöbere in Fachmusikzeitschriften und Büchern." Die liegen auf seinem Tisch auch aus, so wie die Syd-Barret-Biografie über das legendäre abgedrehte Pink-Floyd-Mitglied. Einmal habe er einen anderen Wissenden zu Rate gezogen und am Leuchten in den Augen erkannt, dass er jetzt etwas ganz besonderes in Händen hält. "30 Wochenenden im Jahr bin ich unterwegs, auch bei Messen", sagt Urbas. Verlorene Zeit? Nein, sicher nicht. Denn es sei etwas dran, an der Verbindung zwischen Musiksammler, Musikliebhaber und LP. Das findet auch Fricke. Der hat auch durch Beobachtung anderer Menschen festgestellt, dass der Bewegungsablauf, welchen es bedarf um eine LP auf den Plattenteller zu legen, sich ab Kindertagen nie verändert. Und wenn man noch so lange keine LP aufgelegt haben sollte - der Ablauf bleibt immer gleich und sicher.