Mundart-Stück in Michelau sorgt für Lachsalven im Publikum
Autor: Klaus Gagel
Michelau, Sonntag, 27. Oktober 2013
Wenn Bürgermeister Helmut Fischer Purzelbäume schlägt und Dorfarzt Roland May als Metzgermeister auf der Bühne das Messer wetzt, dann sind in Michelau die Theatertage der evangelischen Kirchengemeinde angesagt. Bereits zum 20. Mal sorgte ein Mundart-Stück der Laienspielgruppe im Publikum für Lachsalven und Schenkelklopfer.
Schon nach wenigen Tagen waren die Karten für die Premiere ausverkauft. Viele fiebern dem Gemeinschaftserlebnis entgegen. Ein Wir-Gefühl baut sich unter den Zuschauern auf, basierend auf dem Bewusstsein, dass Auswärtige einen Dolmetscher brauchen, um dem Geschehen auf der Bühne lückenlos folgen zu können, und dass hier Michelauer Besonderheiten zu Tage treten, die wahrlich einzigartig sind.
Geschickt spielte auch diesmal Renate Rosenbauer (Regie und Autorin), der man diesen ehrenamtlichen Einsatz ebenso wie den mitwirkenden Akteuren nicht hoch genug anrechnen kann, auf der Klaviatur der Michelauer Schrulligkeiten. Dabei war jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen oder Ereignissen rein zufällig - allerdings nur fast. Natürlich gibt es in Michelau keine "Pension Mühlbachblick", so lautet nämlich der Titel des Vierakters. Dennoch tauchten immer wieder erstaunliche Parallelen und Assoziationen auf, so etwa beim wohlbeleibten Wirt Willi (Udo Rosenbauer). Ihm wurde auf Grund seiner Leibesfülle eine strenge Diät durch Wirtin Rosa verpasst ("Wenn da weide so frisst, platzta noch"), und nur ein "Zwickel" in der Hose verhindert Schlimmeres.
Probleme mit dem "Michlaare Dialeggt" hat nicht nur Fernando (Pfarrer Roland Höhr), der Angler und Naturfreund, der als "Dörrbuoche" tituliert, dies für eine neue Fischart hält. Doch seine Mühlbach-Exkursion nimmt ein böses Ende. Ein Bubenstreich sorgt dafür, dass er sich in seinen Fischernetzen verfängt und sich dabei auch noch einen überdimensionalen Angelhaken in den Hintern rammt.
Dies ruft wiederum den Metzgermeister Hans (gespielt vom Michelauer Arzt Roland May) auf den Plan, der, assistiert von Fremdenverkehrsleiter Lieblich (Bürgermeister Helmut Fischer) und dem Holzhammer-Anästhesisten Marius (Dirk Rosenbauer) mit "OP-Schwester" Eva (Petra Engelmann) den Haken in einer blutigen Aktion entfernt.
Reumütig kehrt Fernando daraufhin nach Hause zu seinem Planschbecken zurück, wo er Plastikgoldfische mit einem Magneten aus dem Wasser fischt.
Doch es gibt noch andere bemerkenswerte Gäste in der Pension "Mühlbachblick", so das Ehepaar Fit mit der Fitness-Enthusiastin Sybilla Fit (Brigitte Dülk) und ihrem Bandscheibengeschädigten Ehemann Felix (Paul Neumeister). Schnell vermutet Sybilla hinter dem seltsamen Verhalten der Einheimischen um den Dorfbrunnen eine geheimnisvolle Heilquelle und träumt bereits von einem Kurhaus mit Park.
In Unkenntnis der Michelauer Verhältnisse gestaltet sie das Flachdach auf dem Rathausanbau als schöne Dachterrasse mit Springbrunnen, Palmen und einer romantischen Beleuchtung. Sogar ein Wartesaal für die Kurgäste ist da geplant. Beim "Expertenteam" am Dorfbrunnen, sogar ein Prinz ist dabei, stößt sie damit allerdings auf Unverständnis. Sie soll einfach "ihr Gosch'n halt".
Wirbel in der Männerwelt
Für einigen Wirbel in der Männerwelt sorgt Frederike Alles (Christiane Betz-Grünwald), auf die sowohl der Fitnesstrainer Peter (Uwe Nemmert) als auch der Fremdenverkehrsleiter Lieblich (Helmut Fischer) ein Auge geworfen haben. Dass Rennen macht jedoch der ewige Junggeselle Hans (Roland May), denn mit ihm hat Frederike Großes vor. Sie erkennt das Potenzial seines verwilderten Grundstücks. "Dort gricht de Pete a Fitnessstudio vom Feinstn" - und Natalie ihr Kosmetikstudio. Wirt Willi freut sich bereits auf den neuen Weinkeller, sehr zum Verdruss der Wirtin. Die kann es gar nicht fassen, dass aus der "Rumplburch" beim Nachbarn plötzlich "a Fremd'n-Houchburch" werden soll. Die Schuld sucht sie beim Fremdenverkehrsleiter Lieblich, dem sie daraufhin die Quittung mit einem Rizinusöl-Schnaps ausstellt. Mit Eimer und Schrubber bewaffnet vertreibt sie den Nachbarn Hans aus ihrer Wirtsstube.
Dem Sonnenuntergang entgegen reiten
Eine Turbulenz jagt die andere in der Pension "Mühlbachblick", und das Publikum kommt aus dem Schmunzeln und Wiehern nicht heraus, schon gar nicht, als das aufs Trinkgeld versessene Zimmermädchen Veronika (Judith May) in Fernando ihre große Liebe findet, um auf dem gemeinsamen Steckenpferd dem Sonnenuntergang entgegen zu reiten...
Und da ist ja auch noch die Putzfrau Gloria (Kerstin Schellhorn), deren Traum vom Hauptgewinn, eine Traumreise auf der Aida, jäh zerplatzt, und natürlich der "Überraschungsgast" (Diakon Alexander Loos), auf den die Zuschauer wie immer bis zum vierten und letzten Akt warten müssen. Er entpuppt sich schließlich als Sohn von Frederike Alles. Der Notfallseelsorger muss als "Dorrchfallseelsorge" beim Rizinusöl-geschädigten Fremdenverkehrsleiter erste Hilfe leisten. Dieser hat sich versehentlich in eine Dixibox eingesperrt, und das alles nur, "weil de Michlaare Borchemaster zu langsam gebaut hod". "Die öffentlichn Toilettn könntn a schö längst fäddich sei ... zegaah mit Waddesaal."
Das Publikum dankte den Akteuren, die am Wochenende trotz ihrer fordernden beruflichen Tätigkeit gleich viermal je zweieinhalb Stunden auf der Bühne standen, mit skandierendem Applaus.