"Müssen den Islam in die Pflicht nehmen"
Autor: Markus Häggberg
Lichtenfels, Mittwoch, 22. Februar 2017
Islamexperte Ahmad Mansour erklärte in Lichtenfels, wie radikale Muslims an Jugendliche herankommen.
Am Anfang war die Begeisterung und sie saß vor dem Fernseher. So lässt sich zusammenfassen, was den Quell zu Ahmad Mansours Besuch in Lichtenfels bildete. Alfons Hrubesch, Vorsitzender des Opferhilfevereins OHO (Opferhilfe Oberfranken), sah im Dezember 2016 Anne Wills Talkshow. In ihr ein 40-Jähriger, der "Klartext" zum Islamismus sprach, wie Hrubesch sagt. Eine Frage war es, die ihn danach beschäftigte: Wie kommen wir an den Mann heran?
Ahmad Mansour bildet gemeinsam mit Hamed Abdel-Samad die deutschlandweit bekanntesten Medienpräsenzen, die zu Islam und Islamismus Aufklärung geben, die dazu forschen und beobachten. Kein schlechter Gast für die Medienscout-Ausbildung im Myconiushaus, jenes von OHO für Schulen und Schüler Oberfrankens angedachte Projekt. Als der passionierte Jäger Hrubesch über Handy die Zusage für sein Kommen erhielt, stand er gerade im Wald und ließ vor Staunen einen Sack Futter fallen. Am Dienstag also reiste Mansour an. Aus Berlin, unter Polizeischutz, erst mit dem Zug, dann mit gepanzertem Wagen, vier Leibwächter anbei.
Freundlich, ruhig im Auftreten, aber auch bestimmt. So stand er da, ein Mann mit schillernder Vergangenheit und gefährdeter Gegenwart: Sohn arabischer Israelis, einstiger Beinahe-Islamist, heutiger Autor, Psychologe, Fernsehgesicht und Mitarbeiter im Zentrum für demokratische Kultur in Berlin, Teilnehmer an der Deutschen Islamkonferenz, betraut mit Arbeitsschwerpunkten wie Salafismus, Antisemitismus und psychosozialen Fragen und Problemen bei Migranten muslimischer Herkunft.
Das alles hat ihn zum potentiellen Anschlagsopfer gemacht. Wenn er nicht weiß, wie junge Menschen über das Internet radikalisiert werden, wer dann? Und das war Thema seines Beitrags, der zwei Stunden dauerte, vor Schülern und Lehrern aus Bayreuth, Coburg, Hof, Burgkunstadt oder Mitwitz. Zwei Stunden lang erklärte Mansour, wie subtil islamistische Videobotschaften per Internet in Kinder- und Jugendzimmer flimmern, wie sie ihre Clips schneiden, wer anfällig für islamistische oder gar dschihadistische Karrieren ist. Es ist gerade das enge Korsett, welches junge Menschen anlocke.
"Regeln sind die beste Medizin in unsicheren Zeiten", so Mansour. Und unsicher fühlen sich Migranten in einer ihnen fremden Umwelt. Aber: Viel zu oft hätte der Islam eine Entschuldigung für die Dinge, die in seinem Namen vorgehen. Er müsse in die Pflicht zur inneren Reform genommen werden, denn womit, wenn nicht mit dem Islam, habe dschihadistischer Terror sonst zu tun?
Mansour belegte mit Videos, wie sich Salafisten einer ausgeprägten "Angstpädagogik bedienen", Angst vor der Hölle schüren, dem Diesseits den Wert absprechen und in ihm "keinen Platz für ein Konzept für Fragen nach persönlichem Glück" zulassen. Dabei übernehmen sie nicht selten Video-Spiel-Ästhetik. "Islamisten nutzen heute am besten soziale Netzwerke", so der 40-Jährige eine ihm düstere Gewissheit aussprechend. Islamisten erkennen schnell Menschen, die der Zuwendung bedürfen. Das ist der Einstieg, die Annäherung erfolgt, ab jetzt wird ein Feindbild wachsen.
Was war Ihr Beweggrund, von Berlin nach Lichtenfels zu kommen?
Ahmad Mansour: Ich bin ja sehr oft unterwegs, aber bei Schülerinnen und Schülern kann ich nicht Nein sagen. Ich bin sehr davon überzeugt, dass es wichtig ist, gerade junge Menschen zu erreichen.
Waren Sie erstmals in Oberfranken bzw. in dieser Gegend?
Ja. Das Gute an meiner Arbeit ist, ständig neue Orte kennenzulernen.
Sie hielten einen Vortrag zur Radikalsierung durch Internet - wie viel Zeit verbringen Sie täglich damit, Medienlandschaft zu beobachten?
Das kann ich nicht richtig einschätzen, aber mehrere Stunden bestimmt. Es ist aber auch im realen Leben wichtig, Dialoge zu führen und sich mit Menschen in Schulen oder Jugendzentren zu treffen.
Wir befinden uns hier in ländlicher Gegend - was können Sie uns zu Internet/Radikalisierung sowie Unterschiede zwischen Provinz und Metropole erzählen?
Das Internet macht keinen Unterschied zwischen ländlicher Gegend oder Metropole, die Unterscheide liegen in der Intensität des Themas im realen Leben, in der Schule. Hier in ländlicher Gegend fehlt meist die Struktur der Radikalen. Das bedeutet aber nicht, dass hier auch nicht Jugendlich betroffen sein können.
Sie hielten Ihren Vortrag vor jungen Menschen. Die Jugend ist immer auch auf der Suche nach einer Jugendkultur. Kann Islamismus Jugend- und Popkultur werden?
Darum ist Islamismus so attraktiv geworden - weil er sich Jugendkulturelemente bedient.
Ist der Islam ähnlich dem Christentum zu einer Aufklärung fähig?
Ja, definitiv. Es muss ein Islam entstehen, der ohne Wenn und Aber hinter Demokratie und Menschenrechten steht.
Die Aufklärung des Islam muss also auch bei uns in Deutschland geschehen?
Es muss! Wir haben vier Millionen Muslime in Deutschland. Was im Ausland passiert, das geht uns nichts an, darauf haben wir keinen Einfluss. Aber hier schon.
Sehen Sie gute Chancen dafür?
Ich würde die Arbeit nicht machen, wenn es nicht möglich wäre.
Ihr Schlüssel zur Aufklärung ist Bildung. Aber gab es nicht auch gebildete Attentäter?
Deswegen ist neben der Bildung auch die Wertevermittlung wichtig. Ich möchte in Schulen auch Debattierklubs haben.
Wie sähe Ihrer Meinung nach hierfür ein geeigneter Lehrplan an Schulen aus?
Kritisches Denken fördern, Wir-Gefühl vermitteln, über aktuelle politische Themen sprechen und Werte vermitteln. Ich will Religionsunterricht, der wissenschaftlich ist, weg von Kircheneinfluss und islamischen Verbänden.
Bildung ist Kultus und Kultus ist Ländersache. Haben manche Länder schon Interesse signalisiert oder steckt alles noch in Ihrem Kopf?
Ja! Aber es ist noch nicht überall soweit.
Das Gespräch führte
Markus Häggberg