Druckartikel: Minderjährige Flüchtlinge in Burgkunstadt: Im fremden Land nicht allein

Minderjährige Flüchtlinge in Burgkunstadt: Im fremden Land nicht allein


Autor: Ramona Popp

Burgkunstadt, Mittwoch, 05. August 2015

15 minderjährige unbegleitete Flüchtlinge leben seit zwei Monaten in einem Heim in Burgkunstadt. In der ehemaligen Gaststätte finden sie Geborgenheit und Unterstützung.
Grüne Luftballons als Zeichen der Hoffnung beim Nachbarschaftsfest des Heims für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge Foto: Fritz Glock


Der Nachbar wollte sich bloß bedanken. Weil der Junge von nebenan ihm spontan geholfen hatte, die schweren Zementsäcke vom Auto aufs Grundstück zu tragen. Das ist dem älteren Herrn so wohl noch nie passiert. Jedenfalls stand er da, an der Tür des neuen Heims für jugendliche Asylbewerber, und erzählte einem der Betreuer davon. Am vergangenen Wochenende war der Mann dann unter den Besuchern, die gemeinsam mit den Mitarbeitern und den Jugendlichen im Garten am Schönberg ein Nachbarschaftsfest feierten. Erst Anfang Juni waren die 15 minderjährigen unbegleiteten Flüchtlinge in die ehemalige Gaststätte eingezogen. Inzwischen ist der Alltag eingekehrt. Ein Alltag, der ein Stück Geborgenheit und klare Strukturen vermittelt und die ungewisse Zukunft nicht in den Mittelpunkt rückt.

"Es läuft gut", sagt Christian Engelhardt aus dem Fachkräfteteam. Er ist Heilerziehungspfleger und einer von acht Mitarbeitern, die sich im Auftrag des Jugendamtes im Schichtdienst um die jungen Leute kümmern, die von der Bezirksregierung dem Landkreis Lichtenfels aus einer Erstaufnahmestation in Rosenheim zugewiesen wurden. Sie sind ohne Eltern oder Verwandte in ein fremdes Land gekommen, dessen Sprache und Kultur sie nicht kannten, die Ältesten 16 Jahre. Sie sind aus Angst vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen, haben ihre Familien auf dem Weg verloren oder sind allein losgeschickt worden - mit der Hoffnung, irgendwo bessere Lebensbedingungen finden zu können. Welche Schicksale sie aber im Einzelnen erlitten haben, das wissen Christian Engelhardt und seine Kollegen nicht von ihren Schützlingen. Bekannt ist nur, dass sie durch viele Länder gereist sind, aus Eritrea, Somalia, Syrien oder Afghanistan, dass manche verhaftet worden sind. "Wir fragen nicht nach", sagt er. "Sie fangen erst langsam an, sich zu öffnen." Vertrauen zu fassen, das sei ein Prozess. Manche hätten sich sehr zurückgezogen. "Aber sie wissen, dass wir ihnen Gutes wollen", ist sich Engelhardt sicher. Mehrfach hätten sie geäußert, dass sie glücklich seien, hier zu sein, und dass sie dieses Haus mögen.

Gemeinsam bewältigt man tägliche Aufgaben wie Aufräumen, Saubermachen, Kochen und den Abwasch. Morgens um 7 Uhr heißt es aufstehen, um 8.30 Uhr beginnt der Deutschunterricht oder im Wechsel Lernzeit mit den Betreuern. Fünfmal die Woche kommt der Lehrer ins Haus, dann wird drei Stunden lang intensiv an den Sprachkenntnissen gearbeitet. Michael Berthold will dabei keine Fragen auf Englisch hören. "Dann lieber mit Händen und Füßen", sagt er.

Die Verständigung klappt schon gut. Langsam und deutlich reden ist auch die Devise für die Mitarbeiter.
Träger der Einrichtung in Burgkunstadt ist die RDJ  gemeinnützige GmbH unter dem Dach der Rummelsberger Diakonie. RDJ steht für Rummelsberger Dienste für junge Menschen. Mit ambulanten wie auch stationären Hilfen für Kinder und Jugendliche hat dieser Träger in Bayern lange Erfahrung. In der Region bekannt sind die Häuser der Kinder- und Jugendhilfe Oberfranken in Mainleus, Kulmbach und Fassoldshof. In der Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge hat man in jüngster Zeit vermehrt Verantwortung übernommen. Neben dem Heim in Burgkunstadt ist eine vergleichbare Einrichtung in Kronach entstanden, wie Regionalleiter Fritz Glock ausführt.

Fachkräfte werden knapp

Die Häuser sind voll belegt, doch es kommen weiter minderjährige Flüchtlinge ins Land, die irgendwo eine Bleibe finden müssen. In Lichtenfels dienen inzwischen weitere Räume im ehemaligen Altenheim Nordgauerstraße als Unterkunft für eine Notgruppe von etwa 20 Jugendlichen. "Die betreuen wir ambulant", berichtet Glock. Ein Mangel an geeigneten Kräften mit pädagogischer Ausbildung ist für ihn bereits erkennbar. Es werde auch zunehmend schwieriger, geeignete Liegenschaften zu finden. Kommunen wie Lichtenfels und Burgkunstadt haben in seinen Augen die richtige Größe, um gut Kontakte zu Einheimischen aufbauen zu können. Die ehrenamtliche Gemeinschaft der Aktiven Bürger und Vereine übernehmen da eine wichtige Funktion. Fünf der Jugendlichen in Burgkunstadt gehen regelmäßig zum Fußballtraining.
Fritz Glock hat festgestellt, dass viele der jungen Leute nicht nur ein ausgeprägtes Sozialverhalten im Hinblick auf Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft mitbringen, sondern auch hochmotiviert sind, was das Lernen angeht. Sie fiebern ihrem Schulbesuch ab September entgegen; wünschen sich, hier einmal einen Beruf zu erlernen.
Ein afghanischer Junge in Rummelsberg wollte das so sehr, dass er sich mehrmals in den frühen Morgenstunden heimlich zu einer Bäckerei aufmachte, um dort eine Lehre zu beginnen. Was wusste der schon vom Jugendarbeitsschutzgesetz! Er wurde ins Heim zurückgeschickt, wie Fritz Glock erzählt. Vor einem Ausbildungsbeginn gebe es für Flüchtlinge nochmals "gigantische Hürden", stellt er fest. Das Asylrecht sei hochkomplex, eine Vereinfachung wünschenswert.