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Mehr Asylbewerber: Landkreis Lichtenfels sucht Wohnraum


Autor: Redaktion.

Lichtenfels, Donnerstag, 21. August 2014

In Weismain werden zusätzliche Container aufgestellt. Auch im ehemaligen Altenheim der Maiacher Stiftung in Lichtenfels werden vorübergehend bis zu 50 Menschen untergebracht. Im Artikel finden Sie auch einen Kommentar von Ramona Popp.
Die Asylbewerber-Gemeinschaftsunterkunft in Weismain wird um einige Wohncontainer für zusätzliche Asylbewerber erweitert. Foto: Stefan Lutter


In den Landkreis Lichtenfels werden in den nächsten Monaten deutlich mehr Asylbewerber kommen und hier untergebracht als bisher. Hintergrund ist der stark erhöhte Zugang nach Deutschland und die Verpflichtung der Kommunen, entsprechend ihrer Größen diese Menschen aufzunehmen.

In den Landkreis kommen täglich sechs bis neun neue Flüchtlinge. Weil die bestehenden Unterkünfte in Lichtenfels und Weismain mit ihren derzeit 176 Plätzen nicht mehr ausreichen und die Zeit drängt, müssen baldigst weitere Unterbringungsmöglichkeiten im Landkreis geschaffen werden. Dies teilte Landrat Christian Meißner CSU) am Donnerstag bei einer Pressekonferenz mit.

Container in Weismain

Die Unterkunft in Weismain wird so bald wie möglich um "modulare Wohneinheiten" (Container) für rund 40 Personen erweitert. Der Gebäudeeigentümer hat dem bereits zugestimmt. Im ehemaligen Altenheim Maiacher Stiftung in Lichtenfels sollen ab kommendem Donnerstag die ersten Asylbewerber einziehen. Bis zu 50 Personen sollen dort vorübergehend für rund zwei Monate wohnen. Seit Kurzem sind bereits zwölf Asylbewerber in drei Ferienwohnungen in Reundorf untergebracht.

Weil die Stadt Lichtenfels das ehemalige Altenheim nur vorübergehend zur Verfügung stellen kann, sucht der Landkreis in einem Aufruf an die Bevölkerung Wohnraum, Flächen und Immobilien für die Unterbringung der neuen Flüchtlinge. Der Landrat meinte, eine Gemeinschaftsunterkunft für mindestens 50 Flüchtlinge sei aus organisatorischen und betreuerischen Gründen am besten. Neben der Unterbringung in bestehenden Gebäuden erwägt der Kreis auch den Neubau einer Gemeinschaftsunterkunft. Meißner meinte, als Standort dafür käme zwar der ganze Landkreis infrage. Er ließ allerdings durchblicken, dass die Stadt Lichtenfels für die neue Gemeinschaftsunterkunft wegen ihrer Infrastruktur am geeignetsten sei.

Der Landrat kündigte auch an, dass die bestehende Asylbewerber-Unterkunft am Schlossberg in Lichtenfels wegen des schlechten baulichen Zustands in absehbarer Zeit geschlossen werden muss. Die dortigen Asylbewerber kommen in die geplante neue Gemeinschaftsunterkunft. Mit der massiv steigenden Flüchtlingszahl kommen, so der Landrat weiter, auch immer mehr minderjährige Flüchtlinge im Alter von 16 bis 17 Jahren ohne Begleitung Erwachsener zu uns. Er rechne dauerhaft mit 16 Jugendlichen. Auch für diese jungen Menschen müsse schon bald eine eigene Unterkunft geschaffen werden, so Meißner. Die Landkreise Coburg, Kronach und Lichtenfels und die Stadt Coburg suchen gemeinsam nach Lösungen.

"Dramatische Situation"

Für die Kreisverwaltungsbehörde bedeutet der Flüchtlingsstrom erhebliche Mehrarbeit. Sei die Verwaltung der Asylbewerber in normalen Zeiten nur Nebensache, umfasse diese Aufgabe inzwischen die gesamte Arbeitszeit. Weil die Asylbewerber inzwischen ohne Ausweiskontrolle und fast ohne Kleidung vor Ort ankommen, verteilt das Amt zudem seit kurzem Datenblätter, die - ausgefüllt - als Ausweisersatz gelten.

Die ganze Situation wird noch erschwert, weil die Asylverfahren inzwischen durchschnittlich ein Jahr dauerten. Diese Zeitraum nannte Edmund Welsch von der Ausländerbehörde des Landratsamtes. Am häufigsten anerkannt würden Flüchtlinge aus Syrien. Der Landrat beschrieb die derzeitige Situation als "dramatisch". Seine Behörde sei bestrebt, die teilweise traumatisierten und in ihren Heimatländern verfolgten Menschen nicht nur unterzubringen, sondern ihnen auch menschliche Hinwendung zu geben. Jeder Flüchtling sei ein Einzelschicksal. "Wir können nur hoffen, dass es in der Bevölkerung Verständnis dafür gibt, dass wir uns diesen verfolgten Menschen annehmen".

Der Vorsitzende des Caritas-Verbandes Lichtenfels, Günter Dippold, mahnte anlässlich einer Spende der Sparkasse Coburg-Lichtenfels für die Asylsozialberatung im Landkreis bei der Pressekonferenz ebenso humanitäre Hilfen an. Er erinnerte daran, dass im 20. Jahrhundert verfolgte Juden aus Deutschland geflüchtet seien. Auch seien Kriegsflüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg mit ihren Schicksalen aus dem Osten in den Westen Deutschlands geströmt, so Meißner.

Der Landrat betonte, dass die Aufnahmekapazität in Weismain nach der jetzt geplanten Erweiterung erreicht sei. Die Infrastruktur des Städtchens mit Schulen Kitas und Ärzten sei dann an ihre Grenzen gestoßen.

Kommentar von Ramona Popp: "Herausgefordert durch das, was nicht planbar ist"

Die Kriege sind nicht weit weg. Das Fernsehen bringt sie täglich in unser Wohnzimmer, und in ihren Auswirkungen sind sie längst bei uns angekommen. Menschen sind auf der Flucht, nur mit dem nackten Leben kommen sie in unser Land, in unseren Landkreis, in unseren Ort. Wir haben sie nicht eingeladen, aber wir haben sie als Gäste zu behandeln, vielleicht als neue Nachbarn. Sie konnten ihr Schicksal nicht planen, und sie fordern mit ihrem Erscheinen unseren so geordneten Staat heraus. Ihre Anträge auf Bleiberecht müssen bearbeitet werden - nicht erst nach einem Jahr oder noch länger, sondern rasch. Unsere Politik und unsere Verwaltungen hinken dem Andrang hinterher.

Während die einen noch über Fachkräftemangel und abnehmende Bevölkerungszahlen klagen, würden die anderen gerne zu arbeiten beginnen - und dürfen nicht. Sie könnten und würden der Gesellschaft, die sie aus höchster Not aufgenommen hat, etwas zurückgeben. Aber unsere Ordnung steht einer raschen Integration im Weg.

Wenn verzweifelte Menschen nicht zögern, nach einer Odyssee durch viele Länder eine eisige Januarnacht vor dem Lichtenfelser Landratsamt zu verbringen, um auf diese Misere aufmerksam zu machen, dann muss sich etwas ändern.

Freilich steht das nicht in der Macht des Landrats und seiner Mitarbeiter. Aber zufrieden geben dürfen wir uns alle nicht mit diesem Zustand. Verschließen wir nicht die Augen vor dem Schicksal der Menschen, die da kommen, nehmen wir nicht mehr nur die Zahlen und Kosten wahr. Treten wir dafür ein, dass sie die Chance bekommen, in Freiheit und Frieden zu leben wie wir, und dass sie auch etwas für diese Gemeinschaft leisten dürfen.
Die Unterkünfte, die für sie im Landkreis neu geschaffen oder ausgebaut werden müssen, sind nur die Basis dafür. Mehrere kleinere statt wenige größere Gemeinschaftsunterkünfte wären in Sachen Integration wohl der bessere Weg, gleichzeitig aber einer, der mehr Zeit für Verwaltung und Betreuung binden würde. Was vor Ort ehrenamtlich wie etwa in Weismain geleistet wird, sind ganz wesentliche Schritte zu einem künftigen gemeinsamen Weg, der einfach nicht planbar war.